Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Mit dem Stadtbus durchs All

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Das Politiker-Derblecken in der Loisachhalle stand heuer unter dem Motto: "Wolfratshausen - Weltstadt mit Stern".

Wolfgang Schäl

Innerhalb von zwei Stunden waren die Karten für die Loisachhalle vergriffen - ein Ansturm, wie ihn in Wolfratshausen nur einmal im Jahr erlebt: beim Starkbierfest, das den äußeren Rahmen für das traditionelle Politiker-Derblecken bildet. Am Freitag ist es wieder über die Bühne gegangen, mit vier Schlägen gelang es Bürgermeister Helmut Forster, das erste Fass bei erkennbarer, aber noch vertretbarer Schaumentwicklung anzustechen.

Nur eine Stunde stand anschließend der Loisachtaler Bauernbühne zur Verfügung, um die Lokalpolitik durch den Kakao zu ziehen - erstmals war zwischen den Akteuren und der Stadt ein fester Zeitrahmen vereinbart worden, nicht unbedingt zum Schaden des komprimierten Programms, aus dem Regisseurin und Autorin Gaby Rüth kurzfristig rund 30 Minuten streichen musste. Mit einer spitzen Bemerkung spielten die Mimen denn auch darauf an: "A bissl derblecken langt, moant der Bürgermoasta..."

Der hatte freilich zuvor betont, man habe die Limitierung beidseitig vereinbart. Hatten die Loisachtaler im vergangenen Jahr die Stadt noch aus der exponierten Lage der imaginären Wolfratshauser Burg aus betrachtet, so ließen die Autoren - neben Rüth auch Sabrina Schwenger und Hermann Paetzmann, ihr geistiges Auge heuer noch viel weiter schweifen: in die Ferne des Weltraums, in dem ein Stadtbus der Linie 3 mit einer Delegation mutiger Bürger unterwegs ist.

Sie wollen den Planetoiden Wolfratshausen besuchen und erforschen, ob es dort vielleicht eine neue Zivilisation zu entdecken gäbe. "Wolfratshausen - Weltstadt mit Stern" war das Programm dementsprechend überschrieben, ein Motto, das Aufhänger für allerlei Seitenhiebe auch auf die Nachbarstadt Geretsried bot. Ängstlich, wie die Stadtbürger nun einmal sind, trauen sie sich an der Endstation erst einmal nicht aus dem flugtauglichen Linienbus auszusteigen.

"Typisch Wolfrathauser", ärgert sich da der Delegationsleiter, "ihr druckts euch ja mehr umanand wia de Stadträt bei der Gewerbesteuer-Erhöhung". Danach ging es mit dem Pointenreigen munter dahin: Beispielsweise mit der für Astronauten nicht unwichtigen Frage, ob das heimische Wolfratshausen überhaupt eine Anziehungskraft habe. Natürlich, findet der Busfahrer, "ihr wisst's ja gar net, wia vui Fremde i dahoam transportier: Ortsfremde, Weltfremde, Stadträte, Geretsrieder..."

Sinniert wurde bei der Gelegenheit auch gleich über die Gravitationskraft, die der "neunmalschlaue Wensauer auf die Stadtpolitik", "die Altstadt auf Randalierer" und "das Bergwaldfestival auf den Regen" habe. Dass es in dem himmlischen Wolfratshausen nicht gut riecht, ist den interstellaren Busfahrern auch aufgefallen, was auf die Ascholdinger Biogasanlage zurückzuführen sei, und die wiederum stinke dem "Zeller Streithammel, dem Maier Josef".

Bei der Erörterung der allgemeinen Frage, wem was stinkt, werden auch die Geretsrieder wieder zitiert, "wega da S-Bahn-Zitterpartie" und "wega da gstrichnen zweiten Schuisekretärin". Thematisch naheliegend war in diesen astronomischen Dimensionen naturgemäß das Geschenk, das die japanische Partnerstadt Iruma den Wolfratshausern gemacht hat: der Planet namens Wolfratshausen. Da stelle sich doch die Frage, was man als Präsent bereithalten könne, "wenn die Zinnteller ausganga san"?

Da musste dann doch wieder der arme Richard Dimbath herhalten: "A Kopie von der Wolfratshauser Burg". Donnernden Applaus ernteten die Loisachtaler mit dem "superschicken Hallenbad" der Geretsrieder, "das größte in der ganzen Galaxie", eine "Symphonie der Sinne". Wolfratshausen brauche sowas nicht. "Unser Badweiher is aa was B'sonders, ma deaf nämli net drin schwimma". Außerdem habe man ja noch das Fußwaschbecken in der Weidacher Hauptschule, und überhaupt: "Heut hat doch jeder einen Swimming-Pool dahoam".

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SZ vom 12.03.2012
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