Wolfratshausen:Wasserkraftwerk auf Eis

Wolfratshausen: Am Fracheter Wehr des Loisach-Isar-Kanals soll ein Wasserkraftwerk entstehen, das ein Viertel aller Wolfratshauser Haushalte versorgen kann. Das Genehmigungsverfahren zieht sich seit 2015.

Am Fracheter Wehr des Loisach-Isar-Kanals soll ein Wasserkraftwerk entstehen, das ein Viertel aller Wolfratshauser Haushalte versorgen kann. Das Genehmigungsverfahren zieht sich seit 2015.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Bayernwerk Natur und die Stadtwerke Bad Tölz planen seit vielen Jahren eine Anlage zur Stromerzeugung am Loisach-Isar-Kanal. Weil sie in einem FFH-Gebiet liegt, gibt es hohe Auflagen. Nun aber könnte Bewegung in die Planung kommen.

Von Yannik Achternbosch, Wolfratshausen

Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen kann die Wasserkraft ein wichtiger Baustein sein, um unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. Mit dem Walchenseekraftwerk, einem der größten Wasserkraftwerke Deutschlands, hat der Landkreis bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine wichtige Anlage, um erneuerbaren Strom zu erzeugen. Mit dem von Oskar von Miller geplanten Bau in Kochel am See entstand damals auch der Loisach-Isar-Kanal, durch den die zusätzlichen Wassermassen des Kraftwerks an der Stadt Wolfratshausen vorbeigeleitet werden sollten. An genau diesem Kanal planen das Bayernwerk Natur und die Stadtwerke Bad Tölz seit 2015 ein weiteres Wasserkraftwerk. Nach Jahren des Wartens und der Überarbeitungen geht das Projekt nun in eine neue Phase, wie die Stadt Wolfratshausen mitteilt.

Zwischen dem 23. Januar und dem 24. Februar haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadt die Möglichkeit, die Planungsunterlagen für das neue Kraftwerk im Baureferat der Stadt einzusehen und innerhalb von zwei Wochen Einwände gegen das Bauvorhaben zu formulieren. Wenn es solche Bedenken gibt, finden nach Ablauf der Frist Erörterungstermine statt, in denen diese Kritik besprochen und die Probleme idealerweise beigelegt werden. Im wasserrechtlichen Bereich, so teilt das Landratsamt mit, sei der Genehmigungsprozess mit diesem Schritt dann abgeschlossen. Alle weiteren Schritte lägen dann wiederum beim Vorhabensträger.

Ob die Einwohner von Wolfratshausen gegen das Vorhaben etwas einzuwenden haben, ist noch unklar. Immerhin konnten das Bayernwerk Natur und die Stadtwerke Bad Tölz zwei Bedenken der Stadt Wolfratshausen ausräumen. Einmal war da die Flößerei: "Wir haben von Anfang an darauf bestanden, dass die Flößerei in Wolfratshausen gesichert sein muss", sagt Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Zum anderen ist ihm wichtig, dass auch die Stadtwerke Wolfratshausen an dem erzeugten Strom des Kraftwerks beteiligt werden. Diese beiden Punkte konnte er im Gespräch mit den beteiligten Unternehmen ausräumen. Die Flößerei wird durch das Kraftwerk nicht beeinflusst, und eine Beteiligung der Stadtwerke wurde ihm zugesichert - auch wenn noch nicht feststeht, wie diese Partizipation aussieht.

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen will bis 2035 klimaneutral werden. Das Wasserkraftwerk könnte einen "wertvollen Beitrag" dazu leisten, so das Bayernwerk. Nach Inbetriebnahme könnte es etwa ein Viertel der Haushalte in Wolfratshausen mit dem dort erzeugten Strom versorgen. Der weitere Verlauf des Genehmigungsverfahrens ist bestimmend dafür, wann genau der Bau beginnen kann. In einer sehr optimistischen Rechnung gehen die beteiligten Unternehmen davon aus, dass sie im Frühjahr 2024 mit den Baumaßnahmen beginnen.

Die Verzögerung liege ausschließlich am Genehmigungsverfahren

Geplant ist dann der Umbau eines bestehenden "Querbaus" in Farchet. Obwohl der Kanal künstlich angelegt wurde, stellt der Genehmigungsprozess das Bayernwerk und die Tölzer Stadtwerke vor große Herausforderungen. Fragt man im Landratsamt nach, wieso sich das Genehmigungsverfahren so lange hinzieht, fällt die Antwort denkbar karg aus: "Die Planungen wurden zwischenzeitlich überarbeitet und ergänzt." Hintergrund dieser Ergänzungen und Überarbeitungen dürfte sein, dass der Bauantrag "insbesondere im Hinblick auf ökologische und naturschutzfachliche Belange zu vervollständigen und entsprechend den Abstimmungen mit den Fachbehörden zu überarbeiten und zu ergänzen" war.

Ein Pressesprecher des Bayernwerk Natur berichtet auf Nachfrage, dass die zuständigen Behörden trotz regelmäßiger Abstimmungen und gemeinsamen Terminen vor Ort immer wieder neue Umplanungen gefordert haben. Warum genau die Anforderungen an das Bauvorhaben immer wieder verschärft und geändert wurden, "entzieht sich unserer Kenntnis". Die Wasserkraft Farchet GmbH, die Betreiber des Wasserkraftwerks werden soll, hat laut eigener Aussage bereits 2015 einen "Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung beim zuständigen Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen" eingereicht. Verzögerungen in der Umsetzung, betont das Bayernwerk, stünden in keinem Zusammenhang mit den Planungen, sondern haben "ausschließlich im Genehmigungsverfahren ihre Ursache".

Die Auflagen an den Neubau des Kraftwerks sind hoch, auch wenn es in ein bestehendes Gebäude integriert werden soll. Der Loisach-Isar-Kanal durchfließt an der Stelle des Bauwerks ein FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat). Geplant ist deswegen unter anderem eine Fischtreppe, damit die Tiere das Kraftwerk störungsfrei passieren können und die Stromerzeugung ohne massiven Eingriff in das Ökosystem erfolgt. Heilinglechner sieht da einen der größten Verzögerungspunkte im Genehmigungsverfahren: "Ein FFH-Gebiet ist der oberste Schutzbereich, da muss ein Eingriff von der Höheren Naturschutzbehörde genehmigt werden"; im Fall des geplanten Kraftwerks ist dies die Regierung von Oberbayern. Mit diesem Verfahren sei bei der Planung ein massiver Zeitaufwand verbunden.

Die Stromerzeugung im geplanten Kraftwerk hängt zudem stark mit dem Wasserstand und der Fließgeschwindigkeit des Kanals zusammen. Und diese ist wiederum vom Kraftwerk am Walchensee abhängig: Werden dort die Schleusen geschlossen, fließt auch weniger Wasser durch den Kanal - und es wird weniger Strom erzeugt. Diese Abhängigkeit können die zukünftigen Betreiber des Kraftwerks noch selbst beeinflussen, dafür stehen sie im engen Austausch mit den Betreibern des Kanals und des Walchenseekraftwerks.

Keinerlei Einfluss haben sie allerdings auf die Auswirkungen der Klimakrise. Im Sommer wird es immer heißer, wodurch die Pegelstände von Flüssen in den vergangenen Jahren deutlich unter dem langjährigen Mittelwert lagen. Diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Jahren fortschreiben, womit auch die Wasserkraft möglicherweise weniger zuverlässig Strom liefert.

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