Blumig geht es am Weltfrauentag auf dem Ettenhuber Parkplatz in Wolfratshausen zu. Eine Gruppe hat sich dort versammelt. An die Frauen verteilt Ludwig („Wiggerl“) Gollwitzer, Vorsitzender des Historischen Vereins, eine Rose. Doch nicht die Zeitgenossinnen sollen Thema sein, sondern ihre Vorgängerinnen - jene Frauen, die Wolfratshausen in der Vergangenheit prägten.
Die Sichtbarkeit historischer Frauen in der Stadt war wie an vielen Orten gering. Gerade mal eine einzige Straße von 187 ist nach einer Frau benannt. Seit 2021 veranstaltet der Historische Verein daher Aktionen, um der Unsichtbarkeit von Frauen etwas entgegenzusetzen. Am 8. März, dem Weltfrauentag, geht es um die Wohn- und Wirkungsstätten einiger Wolfratshauserinnen im Untermarkt.

Fünf Stationen beinhaltet die Tour. „Ein unbeachtetes Leben“ heißt es im Kalender „Wolfratshauser Weibsbilder“ zum Leben der Dekorationsnäherin Anna Gutmeyr. Ihre Wirkungsstätte befand sich im Haus der „Raumausstattung Hierl“, das bis heute im Untermarkt zu finden ist. Anwesend ist Gutmeyrs Neffe, Peter Hierl, der das Geschäft leitet und von seiner Tante berichtet. Anna Gutmeyr wird während des Ersten Weltkriegs geboren und muss bereits mit zwölf Jahren die Schule verlassen, um ihrer Mutter im Laden zu helfen, nachdem diese erkrankte. Erst mit 50 Jahren heiratet sie und führt auch während ihrer Ehe weiter den Laden. „Wenn sie nicht so fleißig gewesen wäre, wäre das Geschäft nicht mehr da“, erzählt Hierl.
In der Nähe befindet sich die ehemalige Kneipe „Heustadl“. Gertraud Zistl, ebenfalls geborene Wolfratshauserin, war das Herz und die Wirtin der In-Kneipe. „Sie hat für jeden ein offenes Ohr gehabt“, berichtet Tochter Dorothea Zistl. Das Heustadl war Szenetreff für Einwohner aller Altersklassen. Bedürftige konnten dort Zuflucht finden, jeden nahm Zistl gerne auf. „Bei uns war nie Stillstand im Haus“, sagt ihre Tochter lächelnd.
In der literarischen Welt hinterließ eine Wolfratshauserin ebenfalls ihre Spuren: Mari Hold, geboren im Eisenamtshaus, war Bertold Brechts Haushälterin. Mit 13 Jahren verlässt sie ihre Heimatstadt, um zunächst die Haushälterin seines Vaters zu werden. Später folgt sie Brecht nicht nur nach Berlin, sondern sogar ins Exil. Als er seine zweijährige Tochter in Deutschland zurücklassen muss, versteckt Hold sie bei ihren Eltern vor den Nazis. Als Ausdruck seiner Verbundenheit widmet Brecht ihr zur Hochzeit ein Gedicht, das Gollwitzer vorträgt: „Gäste lobten Sie und fragten: Was ist das für ein / Schönes Mädchen? Und ich sagte: sie ist / Aus Baiern, dem Land, wo ich auch her bin“.
Brechts Haushälterin kam aus Wolfratshausen
Der nächste Halt ist der Gasthof Haderbräu. Im 18. Jahrhundert prägte Maria Franziska Arnold die ehemalige Brauerei. Zudem war sie Mutter von elf Kindern. Während die Teilnehmer noch beeindruckt von den Geschichten sind, schleicht hinter ihnen eine Darstellerin der „Loisachtaler Bauernbühne“ in den Innenhof des Gasthauses. Sie spielt die „schöne Uschi“, die nun selbst von ihrem Leben im Wolfratshausen des 15. Jahrhunderts berichtet.
Die Tour macht eines deutlich: Die historischen Wolfratshauserinnen waren nicht nur tüchtig, sondern ebenso vielfältig. Wenn es auch im Stillen war, so prägten sie die Stadt. „Uns ist wichtig, dass Leistungen von Frauen, die sonst nie erwähnt wurden, gewürdigt werden“, betont Gollwitzer. Frauen waren ein genauso wichtiger Teil des Stadtlebens wie Männer.