Süddeutsche Zeitung

Claudia Sommer in der Rolle der Marina Abramović:MoMa am Schwankl-Eck

Der Kulturverein Isar-Loisach verabschiedet sich mit der Nachahmung einer spektakulären Performance aus dem Kunstturm.

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Einfach sitzen. Still sitzen und einer Künstlerin in die Augen blicken. Einer Frau, die, wie der Spiegel seinerzeit schrieb, selbst ein Kunstwerk sei: Marina Abramović. Ihre schweigsame Performance im New Yorker Museum of Modern Art (MoMa) im Jahr 2010 dauerte insgesamt 721 Stunden, verteilt auf 90 Tage. 750 000 Menschen kamen, um zuzusehen; 1500 nahmen aktiv daran teil. "Viele fingen an zu weinen, als es soweit war, manche berichteten danach von einer lebensverändernden Erfahrung", so der Spiegel. Lässt sich so eine spektakuläre Kunstaktion wiederholen, nachahmen? Der Kulturverein Isar-Loisach (KIL) versucht es zu seinem Abschied aus dem Kunstturm am Schwankl-Eck. Die berühmte serbische Künstlerin wird freilich aus diesem Anlass nicht nach Wolfratshausen kommen. An ihrer Stelle setzt sich die Sängerin Claudia Sommer auf einen Stuhl an einen Tisch und wartet auf das ein oder andere stille Visavis. Der KIL nennt seine Aktion "Ping Pong - Begegnung ohne Worte".

Der Verein blickt nun, da er den Turm aus Geldmangel nicht länger mieten und als Kunstturm betreiben kann, auf eine "schöne, bunte, kreative, unterhaltsame, ereignisreiche, spannende, aber auch eine mühevolle Zeit" zurück, so schreibt Daniela Satzinger in ihrer Einladung zum "Epulum Funebre". Dieser Leichenschmaus, wie das zu Deutsch heißt, findet am kommenden Wochenende statt, mit dreistündigem schweigsamem Ping-Pong an beiden Tagen und einer Versteigerung der noch nicht verkauften Zeichnungen aus der aktuellen Ausstellung von Gerhard Haderer am Sonntag.

Zwei Jahre und sieben Monate seien die ehrenamtlich Engagierten aktiv gewesen, schreibt Satzinger, die für die Ausstellungen verantwortlich war. Nach feierlicher Eröffnung sei bald klar gewesen, dass coronabedingt nichts mehr ging. Der KIL habe dann in der Kulturkneipe "Hinterhalt" seiner Vorsitzenden Assunta Tammelleo Film-Clips gedreht, die nach Einbruch der Dämmerung in den Schaufenstern des Kunstturms gezeigt wurden. Nach einer Übergangszeit als Corona-Teststation konnte das Haus mit seiner Split-Level-Architektur schließlich für Ausstellungen, Musik und Theater genutzt werden.

Der Turm sei, so Satzinger, ein guter Platz nicht nur für Kultur geworden, sondern auch für Begegnungen vielfältiger Art: "Kleidermärkte, Gesangsunterricht mit Claudia Sommer, alle möglichen Vorstands-, Fraktionssitzungen und Gesprächskreise". Der KIL verlasse ihn "schweren Herzens". Und mit stolzem Anspruch, wie die Reproduktion einer international aufsehenerregenden Kunstaktion zeigt.

Die laufende Ausstellung mit einer Auswahl von Werken des österreichischen Zeichners Gerhard Haderer kann noch bis einschließlich 19. März 2023 besucht werden. Weitere Informationen unter www.kulturverein-isar-loisach.de.

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