Verhandlung am Isar-Kaufhaus:Auf Abstand

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Der Neubau soll bis zu den Mauerresten (li.) reichen - 2,80 Meter vom Nachbarhaus entfernt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach dem Gerichtsbeschluss ist nur eines gewiss: Der Neubau verzögert sich.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Für Nichtjuristen ist es nicht leicht nachzuvollziehen, was das Verwaltungsgericht München nach dem Augenscheintermin mit mündlicher Verhandlung zum geplanten Neubau auf dem Areal des einstigen Isar-Kaufhauses in Wolfratshausen am Donnerstag beschlossen hat. Im Eilverfahren, das die Nachbarn aus dem Dr.-Happ-Gassl 1, Jan und Jessika Görner, wegen überschrittener Abstandsflächen angestrengt hatten, hat die 11. Kammer um den Vorsitzenden Johann Oswald "aufschiebende Wirkung" angeordnet. Was das heißt, erklärt Florian Huber, der Pressesprecher des Verwaltungsgerichts, in einfachen Worten so: "Der Bauherr darf bis auf Weiteres von der Baugenehmigung keinen Gebrauch machen."

Gegen die Genehmigung haben drei Anwohner geklagt: die Görners, Andreas Görlich, der direkt nebenan im Dr.-Happ-Gassl wohnt und dessen Haus an das Grundstück grenzt, auf dem die Kundenparkplätze für den im Neubau geplanten Drogeriemarkt Müller entstehen sollen, und die Besitzer des Hauses am Untermarkt 5, das direkt an das einstige Isar-Kaufhaus anschließt. Fünf Verwaltungsstreitsachen dieser drei Parteien sind insgesamt bei Gericht anhängig. Neben Abstandsflächen spielen darin auch Emissionen und sogenannte "Gebietserhaltungsansprüche" eine Rolle. Verhandelt wurde jedoch nur das Eilverfahren. Die Parteien einigten sich darauf, die anderen "Hauptsacheverfahren" ruhen zu lassen.

Dabei geht es auch um eine schnelle Entscheidung von oben und für Kläger und Beklagte um Zeit und Geld. Der Geschäftsführer der Untermarkt 7-11 GmbH, Harald Mosler, hat schließlich schon unmittelbar nach der Verhandlung im Sitzungssaal des Wolfratshauser Rathauses angekündigt, die Sache vor den Verwaltungsgerichtshof (VGH) zu bringen, falls sich die vom Gericht bei der Verhandlung geäußerte Tendenz bestätigen sollte. Dies ist nun der Fall, auch wenn der schriftliche Beschluss samt Begründung laut Sprecher Huber erst "in den kommenden Wochen" an die Parteien versendet werden soll. Dann beginnt die Beschwerdefrist, die die Bauherren nutzen werden. Sollte der VGH dann den Beschluss revidieren, entfiele auch die aufschiebende Wirkung, die GmbH könnte also mit dem Neubau wie genehmigt beginnen. Allerdings "auf eigenes Risiko", wie Huber ergänzt, da schließlich die anderen Klagen nur ruhen und weiterhin anhängig sind - also dann erneut vom Verwaltungsgericht verhandelt werden müssten. Es sei denn, die Nachbarn ziehen ihre Klagen zurück. Wird der Beschluss allerdings bestätigt, wird die Untermarkt 7-11 GmbH womöglich umplanen und eine neue Baugenehmigung beantragen müssen.

Der VGH muss also klären, ob der geplante Neubau zu nah an das Haus der Görners heranreicht. Beginnen soll dieser genau dort, wo derzeit noch eine Mauer des halb abgerissenen Rückgebäudes steht. Der Abstand beträgt nach der Messung von Richter Oswald beim Augenscheintermin knapp 2,80 Meter. Nach den Plänen des Architekten Tom Ferster, der das Areal am Donnerstag als Teil eines insgesamt 25-köpfigen Trosses begutachtet hat, soll der Neubau gestaffelt gestaltet werden: mit einer Tiefgarageneinfahrt im Erdgeschoss, einem zurückversetzten 1. Obergeschoss ohne Fenster und einem wiederum nach hinten versetzten abgeschrägten zweiten Obergeschoss mit Fenstern. Die Görners sehen darin eine klare Verschlechterung ihrer Situation.

Die Regierung von Oberbayern und das Landratsamt, die den Bau so genehmigt haben und damit Beklagte sind, argumentieren jedoch damit, dass die Abstandsflächen schon vom Altbau nicht eingehalten wurden - und zwar ohne die Staffelung der Geschosse. Zudem diene das Grundstück dazwischen als Zufahrt und könne somit als Wegegrundstück nicht bebaut werde. Der Fachanwalt Karl Schwab, der die Untermarkt 7-11 GmbH vertritt, gab dazu zu Protokoll, dass auch das Haus der Görners die vorgeschriebenen Abstandsflächen zur Grundstücksgrenze nicht einhalte. Richter Oswald war hinsichtlich der Geschichte des Grundstücks allerdings anderer Auffassung: Bei Neubauten müsse man sich an das geltende Recht halten, erklärte er, auch wenn das Gebäude, das zuvor auf dem Areal gestanden habe, die Abstandsflächen verletzt habe.

Ob der Neubau in dem verwinkelten Altstadtbereich von der vorschriftsmäßigen Distanz abweichen darf oder nicht, muss nun der VGH klären. Eine Entscheidung dort könnte laut Mosler womöglich in drei Monaten fallen, frühestens also im Herbst. Für die Bauherren bedeutet die Problematik mit den Abstandsflächen demnach, dass sie erneut Abstand von ihrem Zeitplan nehmen müssen. Die "aufschiebende Wirkung" verstehen die meisten Wolfratshauser also auch ohne juristische Kenntnisse: Der Bau im Herzen der Altstadt zieht sich weiter hin. Aber das sind sie ja gewohnt. Das Isarkaufhaus stand fast sechs Jahre leer, sein Abriss begann verspätet und ruht inzwischen seit Wochen. Um die Sache zu beschleunigen, müssten sich die Bauherren mit den Eigentümern des Nachbarhauses über die statischen Schutzmaßnahmen einigen. Die aber gehören zu den Klägern.

© SZ vom 13.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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