Rund 600 Quadratmeter Ladenfläche stehen in zentraler Altstadtlage in Wolfratshausen leer, seit die Filiale des Drogeriemarkts Müller vor zwei Jahren vom Obermarkt 8 in das neu errichtete Gebäude des früheren Isarkaufhauses umgezogen ist. Ebenfalls 2023 schloss der alteingesessene Friseursalon der Familie Kotz am Marienplatz 2. Auch in der Loisachpassage herrscht Leerstand. Dafür gibt es direkt neben dem Wirtshaus Humplbräu nun bereits den zweiten Thai-Massage-Salon in der Innenstadt.
„Wir müssen nicht so viel Angst haben, was die Zukunft bringt“, sagt Werner
Das sind nur beispielhafte Zeichen eines Strukturwandels, den Stefan Werner seit längerem beobachtet. Für den Referatsleiter der Standortförderung im Wolfratshauser Rathaus ist das allerdings kein Grund, pessimistisch zu sein. „Es gibt keinen signifikant großen Leerstand“, sagt Werner. „Wir müssen nicht so viel Angst haben, was die Zukunft bringt.“ Denn in der Innenstadt sei eine positive Entwicklung festzustellen. Es gebe laufend Anfragen von Geschäftsleuten. Ein Umstrukturierungsprozess brauche jedoch eben seine Zeit.
Das Schlüsselobjekt für eine positive Entwicklung sieht Werner am Untermarkt 10 verwirklicht. Dort sind die Tourist-Info, das Kaffeehaus Velvet und das generalsanierte Museum der Stadt untergebracht. „Diese Mischung funktioniert sehr gut“, so der Standortförderer. Das Museum sei identitätsstiftend und zeige, was Wolfratshausen ausmache; es biete der Bevölkerung Möglichkeiten, sich zu beteiligen, etwa im für Veranstaltungen offen stehenden Wallner-Bockhorni-Kabinett. Für die etwa 700 000 Tagesgäste, die Wolfratshausen pro Jahr besuchten, sei die Tourist-Info eine wichtige Anlauf- und Servicestelle. Gleichzeitig gebe es das Ladencafé, in dem die Betreiberin sogar Kaffee selbst röste.
Für den Standortförderer gilt es die Innenstadt als Treffpunkt zu denken
An dieser Stelle zeigt die Wolfratshauser Altstadt ein modernes Gesicht. Gleichzeitig ist es für Werner eines der Referenzobjekte des 2018 beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes. Das gebe den Rahmen vor, wie sich die Innenstadt maximal in Wert setzen lasse, als Wirtschaftsfaktor funktionieren könne. Der Untermarkt 10 sei ein Treffpunkt für die Bevölkerung. Und so mancher Tagestourist gehe womöglich nach einem Besuch noch in Einzelhandelsgeschäften einkaufen und zum Essen in einen der Gastronomiebetriebe, so Werner. „Es geht darum, die Innenstadt als Treffpunkt zu denken, wo sich Leute begegnen.“
Daran arbeitet die Kommune zum Beispiel mit den Gewerbetreibenden und Einzelhändlern für die vier Einkaufs-Erlebnis-Wochen zusammen, die in diesem Jahr geplant sind. „Wir müssen in Netzwerken denken“, so Werner. Gerade der stationäre Einzelhandel könne mit besonderen Sortimenten ein Einkaufserlebnis bieten , das der Kunde in den großen Marktzentren so nicht finde.

Erzwingen kann eine Kommune allerdings nicht, wie und was ein Eigentümer mit seiner Immobilie macht. Für die seit 2023 leer stehende einstige Müller-Filiale am Obermarkt 8 entwickelten Studenten der Hochschule München und die Bevölkerung voriges Jahr sogar Zwischennutzungsmöglichkeiten. Die Ideen reichten von einem Jugendforum, einem Erzählcafé für Jugendliche und Senioren bis hin zu einer Bibliothek, Werkzeuge zum Ausleihen, einem Frühstückstreff oder einem Mentoring für Jugendliche mit Business-Ideen. Laut Werner steht die Stadt mit dem privaten Eigentümer in Gesprächen. Was dieser vorhabe, sei aber derzeit noch offen.
Als eine mögliche Erweiterungsfläche für die Rathausverwaltung soll das Gebäude am Marienplatz 2 dienen. Daher kaufte die Stadt das Haus mit dem gleichnamigen Friseursalon der Familie Kotz ab. Derzeit arbeite man an einer Nachnutzung der Ladenfläche, so Werner.
Die Entwurfsplanung zur Umgestaltung der Marktstraße ist fast abgeschlossen
Das Band für eine möglichst hohe Aufenthaltsqualität in der Innenstadt soll einmal die umgestaltete Marktstraße sein. Werner zufolge sollen die Flächen für Fußgänger maximal verbreitert, die Fahrbahn möglichst verschmälert werden. „Die Entwurfsplanung ist fast abgeschlossen.“ Um sie fertigzustellen, sei noch die Entwässerungs-, beziehungsweise Spartenplanung zu berücksichtigen.

Gleichzeitig gibt sich der Standortförderer optimistisch, dass der lange Jahre diskutierte Umgestaltungsprozess bald anlaufen könne. 2024 hat der Stadtrat den Weg für ein Parkdeck am Hatzplatz frei gemacht und damit die Ersatzparkplätze ermöglicht, die in der Marktstraße wegfielen. Laut Werner liefen derzeit die europaweiten Ausschreibungen für das Parkdeck. „Mit Ergebnissen rechne ich vor Ende des Jahres.“
Ein Bestandteil des städtischen Entwicklungskonzepts ist auch die Umgestaltung des Westufers der Loisach mit Freizeit- und Verweilmöglichkeiten. Die ist zwar bereits seit 2014 anvisiert, ohne das bisher etwas umgesetzt wurde. Doch Werner ist trotzdem zuversichtlich, dass das Vorhaben gelingen könne. Das Projekt sei stillgestanden, weil sich die Stadtpolitik nicht auf einen Ersatz der wegfallenden Parkplätze verständigen konnte, sagt er. Dafür biete das Parkdeck am Hatzplatz die Lösung. „Auch die Erreichbarkeit mit dem Pkw ist wichtig“, so Werner.

Bislang sind die Umsetzung und die damit von Werner anvisierten Wechselbeziehungen zwischen Loisachufer, Marktstraße und Bergwald mit saniertem Lehrpfad noch Vision. Trotzdem findet der Standortförderer, dass die Kommune unter ihrem Markennamen „Wolfratshausen. mächtig im Fluss“ schon einiges erreicht habe. Er zählt unter anderem das Bürgerfest und das Flussfestival auf. Am früheren Isar-Kaufhaus gebe es eine Mobilitätsstation, um Lastenfahrräder oder E-Autos nutzen zu können. „Das ist die gelebte Mobilitätswende“, so Werner.
So manche Fassade ist in der Marktstraße seit vielen Jahren unverändert. Das traurigste Beispiel dürfte das Haus mit der Aufschrift Möbel Greimel, abblätternder Wandfarbe und heruntergelassenen Bastrollos vor den einstigen Ladenräumen am unteren Obermarkt sein. Sanierungsmaßnahmen kann die Kommune von einem Eigentümer zwingen. Diese sei auch schwierig umzusetzen, sagt der Standortförderer. Weil Häuser im Markt unter Ensembleschutz stehen oder als Einzeldenkmäler gelten, gebe es viele Auflagen. Allerdings verweist Werner auf ein Förderprogramm für städtebaulichen Mehraufwand, wenn es etwa gelte, besondere Fresken zu restaurieren. Gleichzeitig plane Wolfratshausen mit der Städtebauförderung ein weiteres kommunales Förderprogramm, um Eigentümer bei der Gestaltung von zeitgemäßen Geschäftsflächen und Außengestaltung zu unterstützen.
Was Wolfratshausen weiterhin fehlt? Werner nennt beispielsweise Geschäfte für Jugendmode oder mehr Angebote fürs Mittagessen etwa von Berufstätigen. Dass der Brückenwirt mit seinem Biergarten direkt an der Loisach schon wieder leer steht, bedauert er sehr. Generell bewege sich in Wolfratshausen aber viel, so Werner. Für die Stadt sei es zentral, Kontinuität und Glaubwürdigkeit zu zeigen. Nur dann investierten Gewerbetreibende auch am Standort. „Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir den Untermarkt 10 als Schlüsselprojekt umgesetzt haben.“