Die Endnote, die Wolfratshausen von insgesamt 96 Teilnehmern beim Fahrradklimatest 2020 bekommen hat, entspricht mit 3,8 genau der Durchschnittsnote aller teilnehmenden Kommunen: ein gutes Ausreichend also, das allerdings im Vergleich zur Umfrage 2018 um ein Zehntel schlechter geworden ist und damit den leichten Abwärtstrend - 2016 gaben die Radler der Loisachstadt eine 3,6 - fortsetzt. Die Aussagekraft dieses Trends ist jedoch begrenzt. Die Stadt, seit 2018 offiziell "fahrradfreundliche Kommune", hat einiges für den Radverkehr getan, was auch die Teilnehmer der Umfrage würdigten: Die Förderung in jüngster Zeit bewerteten sie mit 3,3 als befriedigend.
Susanne Leonhard, Leiterin des Referats Planen und Umwelt im Rathaus, ist für die Radrouten zuständig und sitzt selbst jeden Tag, bei jedem Wetter im Sattel. Sie kennt die Materie von beiden Seiten und hat sich, da sie auch am neuesten Fahrradklimatest teilgenommen hat, gewissermaßen selbst bewertet. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt sie. "Aber man braucht für manche Dinge einfach ein bisschen mehr Geduld." Die Note unterm ADFC-Zeugnis, betont sie, "ist nicht mein Kriterium". Schließlich frage der standardisierte Test auch Dinge ab wie die Synchronisation vom Ampelschaltungen - was in Wolfratshausen, wo es die klassischen Radwege neben der Straße nicht gibt, nicht von Belang ist. Ihr Augenmerk richte sich vielmehr auf die offenen Fragen, sagt Leonhard. "Da kann man viel mehr ableiten."
"Keine Probleme, keine Gefährdung"
Als Schwachpunkte benennen die Radler zu hohe Gullys, miserable Wegeflächen, besonders an der Loisach, die Einbahnregelung in der Innenstadt, die Situation auf Königsdorfer und Sauerlacher Straße, zu schmale Radwege, fehlende Abstellplätze sowie Randsteinabsenkungen und insgesamt zu wenige Radstrecken in der Stadt.
Sie werde bei ihrem jährlichen Radbericht im Stadtrat ausführlich auf die Ergebnisse des Fahrradklimatests eingehen, sagt Leonhard. Allerdings werde sie den heuer nicht wie üblich im Mai, sondern vermutlich erst im Juni halten - wenn die Technische Hochschule Nürnberg ihr Modellprojekt ausgewertet hat: den einseitigen Radschutzstreifen auf der Sauerlacher Straße, der seit vergangenem August auf der Fahrbahn zwischen Bahnhof und Schießstättstraße stadtauswärts führt. Der Versuch, der auch in vier anderen bayerischen Kommunen läuft, soll zeigen, wie sich die bislang im Freistaat unzulässigen einseitigen Schutzstreifen bewähren. In etwa einem Monat will die Nürnberger TH laut Leonhard die Dokumentation abschließen. Dann muss die Staatsregierung entscheiden, ob das Modell auch als dauerhafte Lösung für beengte Fahrbahnen erlaubt wird. "Bei uns hat es keine Probleme und keine Gefährdung gegeben, weshalb ich guter Dinge bin", sagt Leonhard.
Das Ergebnis der Studie ist entscheidend für die Entwicklung des Radverkehrs in der Stadt, deren Möglichkeiten begrenzt sind. Denn bei übergeordneten Straßen hat sie keine Entscheidungsgewalt. Und für Radwege an der Sauerlacher und Königsdorfer Straße fehlt der Platz. An letzterer grenzten die Häuser teils direkt an den Gehweg, sagt Leonhard. Und dort, wo man Grund erwerben könne, müsse man mit jahrelangen Verhandlungen rechnen.
Die Teilnehmer des ADFC-Tests sehen die Schutzstreifen, die es in doppelter Ausführung auch auf der Pfaffenrieder Straße gibt, überwiegend positiv. "Manche Radler fühlen sich darauf jedoch unsicher", bilanziert Werner Grimmeiß vom ADFC-Kreisvorstand. Die Forderung, man solle lieber die Gehwege für den Radverkehr freigeben, hält Leonhard für keine gute Lösung - nicht nur, weil die meisten Bordsteine dafür zu schmal seien, sondern vor allem, weil man damit Konflikte mit Fußgängern schüre. "Das verlagert das Problem nur auf noch schwächere Verkehrsteilnehmer", sagt sie. "Und nicht jeder Radler ist rücksichtsvoll." Der sichtbare Streifen auf der Fahrbahn hingegen stärke den Radfahrern den Rücken. "Er zeigt den Autofahrern, dass die Radler auf die Straße gehören."
Zu einigen der vorgebrachten Kritikpunkte hat Leonhard kürzlich Stellung bezogen - als Antwort auf eine Anfrage von Hans Schmidt (Grüne). Der Umweltreferent im Stadtrat, selbst passionierter Radler, hatte fehlende Stellplätze in der Innenstadt moniert und die neuen Gullys an der Kreuzung zwischen Sauerlacher Straße und Floßkanal als "Stolperfallen" tituliert. Die schmalen Gehwege am Ober- und Untermarkt ließen derzeit keine weiteren Abstellflächen zu, so Leonhard. Das Thema fließe aber in die geplante Umgestaltung der Marktstraße ein. Die Gullys wiederum müssten zwischen einem halben und drei Zentimeter tiefer sein als die Straße, was an der Kreuzung zum Floßkanal der Fall sei. Auf Schmidts Anfragen zu den beschlossenen Aufstellflächen für Radler an mehreren Ampeln und zu Schutzstreifen auf der Königsdorfer Straße verwies sie auf das Ergebnis des Modellprojekts.
"Mit Icking im Gespräch"
Der Umweltreferent hatte auch eine fahrradfreundliche Alternative zum Wolfratshauser Berg Richtung Icking gefordert. Im Zuge der Anhörung zum Alltagsradverkehrskonzept, das der Landkreis erstellen lässt, hat die von Leonhard geleitete Projektgruppe Radroutenkonzept eine Idee eingebracht: Ein aufgewerteter Wanderweg könne eine "verkehrsferne Route" über den Rauschergraben ermöglichen. "Wir sind schon mit Icking im Gespräch", sagt Leonhard. Man müsse jedoch auf das Signal des Landkreises warten.
Baldige Besserung verspricht sie für den Radweg an der Loisach: Noch heuer solle dieser asphaltiert werden. Einen Teil davon finanziere das Staatliche Bauamt Weilheim. Ein Stück des Weges bleibt allerdings ohne Asphalt, weil die Stadt die Grundstücke nicht erwerben konnte.
Leonhard arbeitet seit Jahren am Fahrradklimawandel in der Stadt. Vielleicht wird sich das im nächsten Zeugnis deutlicher zeigen. Das wird sie aber nur noch als Radlerin erleben. Die nächste Befragung findet 2022 statt, Leonhard geht kommendes Jahr in den Ruhestand. Fortsetzen soll ihren Weg dann der neue Mobilitätsmanager im Rathaus.