Mobilität im Oberland:Städte der kurzen Wege

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S-Bahn, Busse, Car- oder Bike-Sharing: Forscher der TU München wollen herausfinden, wie man in Wolfratshausen und Geretsried in 15 Minuten alle Ziele erreichen kann.
S-Bahn, Busse, Car- oder Bike-Sharing: Forscher der TU München wollen herausfinden, wie man in Wolfratshausen und Geretsried in 15 Minuten alle Ziele erreichen kann. (Foto: Hartmut Pöstges)

Für Wolfratshausen und Geretsried arbeiten Forscher der TU München am Dreams-Projekt. Das soll Wege aufzeigen, wie man in 15 Minuten ins Büro, zum Einkaufen, in Schule oder Kindergarten oder zum Arzt kommen kann.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen/Geretsried

Für den ländlichen Raum klingt das Konzept der sogenannten „15-Minuten-Stadt“ eher wie eine Utopie. Das wissen die zahlreichen Pendler auf dem Weg zum Arbeitsplatz nur zu gut. Die dahinter liegende Idee, ins Büro, zum Einkaufen, in Schule oder Kindergarten oder zum Arzt in höchstens einer Viertelstunde zu kommen, hat der Kolumbianer Carlos Moreno, Professor an der Pariser Universität Sorbonne, vor neun Jahren formuliert. Gerade urbane Großräume wie die französische Hauptstadt ziehen Anbieter von Carsharing für Autos oder Fahrräder an. Weitaus mehr gebraucht und deshalb spannender ist das Konzept Morenos für Benjamin Büttner allerdings in den schon ländlicher geprägten Speckgürteln der Metropolen. Ob und wie das umsetzbar sein könnte, erforscht der Wissenschaftler an der Technischen Universität (TU) München derzeit für Wolfratshausen und Geretsried.

Das Projekt nennt sich „Dreams“. Das Akronym steht für „Driving equitable and accessible 15-Minute Neighborhood Transformations“.  Es gehe darum, Räume zu schaffen, die für alle Bevölkerungsgruppen - unabhängig von Alter oder materiellen Ressourcen - gleichermaßen und fair zugänglich seien, so Büttner. Die beiden Landkreis-Städte seien für eine Untersuchung durch den Anschluss an die S-Bahn, beziehungsweise den geplanten Ausbau besonders interessant. „Es besteht gewisser Handlungsbedarf, und die Kommunen sind offen für wissenschaftliche Konzepte“, sagt Büttner.

Voraussichtlich zwischen April und Juni soll die Bevölkerung zu Mobilitätsangeboten befragt werden

Das bereits im Januar 2024 angelaufene Projekt wird nach einer wissenschaftlich fundierten Vorbereitungsphase bald konkreter. So entwickelt das Forscherteam um Büttner Fragebögen, die möglichst viele Wolfratshauser und Geretsrieder voraussichtlich zwischen April und Juni dieses Jahres beantworten sollen. Laut Büttner geht es darum herauszufinden, wie die Bürgerinnen und Bürger die vorhandenen Mobilitätsangebote bewerten und was ihnen fehlt, um möglichst einfach und schnell von A nach B zu kommen. Daraus wollen die Wissenschaftler Handlungsempfehlungen erarbeiten, bis das Projekt im Dezember 2026 abgeschlossen ist. Die Ergebnisse sollen ebenso in die von Geretsried und Wolfratshausen vorangetriebenen Mobilitätsentwicklungskonzepte einfließen.

Eingebettet ist das Dreams-Projekt in größere europäische Zusammenhänge. Insgesamt 28 Partner haben sich dafür zusammengeschlossen, zu denen neben der TU München auch Universitäten in Ungarn, Belgien, Frankreich und Österreich zählen. Darüber hinaus sind Kommunen, öffentliche und private Akteure, sowie Mobilitätsanbieter eingebunden. Am hiesigen sogenannten Living Lab fällt darunter laut Büttner beispielsweise der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV).

In Budapest, Brüssel, Paris, Utrecht und Wien sind die weiteren Living Labs angesiedelt, an denen Wissenschaftler gleichzeitig am Dreams-Projekt für suburbane Räume forschen. Ziel ist es, Möglichkeiten für nachhaltige und inklusive Mobilität aufzuzeigen, neue Geschäftsmodelle für geteilte Mobilitätsdienste und flexible Aktivitätshubs zu entwickeln.

Die Idee der „15-Minuten-Stadt“ hat laut Büttner vor allem durch die Coronavirus-Pandemie Auftrieb bekommen. „Dadurch waren wir alle in unseren Wohnungen gefangen“, sagt der Leiter der Fachgruppe für Erreichbarkeitsplanung an der TU München. So sei die Frage aufgekommen, wie sich Stadtviertel gestalten ließen, um lebenswerter zu werden und mehr sozialen Austausch ermöglichen.

Für vergleichbare Projekte gibt es laut Büttner weltweite Beispiele, so etwa auch die sogenannten „20-Minute Neighborhoods“ im australischen Melbourne. Paris setzt beispielsweise primär auf fußläufige oder fahrradunterstützte zusätzliche Mobilitätsangebote, um Erreichbarkeiten zu verbessern.

Sharing-Angebote bei ÖPNV-Haltestellen könnten Lösungsbausteine sein

Für Wolfratshausen könnte sich Büttner beispielsweise an den S-Bahnhof angebundene Mikro-Mobilitätspunkte vorstellen. So könnten etwa Sharing-Räder oder -Lastenräder bis zu Autos an den öffentlichen Nahverkehr angebunden werden. Das könnten Bausteine für eine „Stadt der kurzen Wege“ sein. Gleichzeitig will Büttner aber Ergebnissen aus den anstehenden Befragungen in Wolfratshausen und Geretsried keineswegs vorgreifen. „Wir wollen wissenschaftlich neutral herangehen“, so der Forscher.

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