Süddeutsche Zeitung

Wolfratshauser Innenstadt:Ein Ende mit Neubeginn

Das Café Tagesbar am Obermarkt macht spätestens Mitte April zu. Die Betreiberin will aber in Wolfratshausen bleiben.

Von Vanessa Neuss

Angela Buchberger schließt spätestens Mitte April die Türen zu ihrem Café Tagesbar im Wirth-Haus am Wolfratshauser Obermarkt. Sie ist nicht die Einzige in der Innenstadt, die aufgibt. Buchberger hat seit der Öffnung ihres Cafés 2016 eine Liste geführt, wie viele Geschäfte und Büros seither in ihrer Nachbarschaft verschwunden sind. Das Ergebnis: 26. Nun verlängert auch sie ihren Vertrag in dem schönen Gebäude am Obermarkt nicht. Ein Nachfolger für die Räumlichkeiten steht allerdings bereits fest: Der Chocolatier Georg Bernhofer von der Chocoladenmanufaktur zwei Häuser weiter will im Sommer dort eine Brasserie eröffnen. Und auch Buchberger will sowohl der Gastronomie als auch Wolfratshausen treu bleiben - ein neues Projekt mit neuem Konzept will sie im Sommer starten.

Ein normaler Arbeitstag umfasse mindestens zwölf Stunden, sagt die Café-Betreiberin. Alles was in ihrem Laden anfalle, erledige sie allein. Vom Einkauf über die Zubereitung des Essens bis zum Servieren und Reinigen der Räume. "Leider reicht es einfach nicht", sagt die 52-Jährige. Die vergangenen vier Jahre seien nicht leicht gewesen und finanziell schlussendlich nicht mehr tragbar. Das habe sich schon recht früh herausgestellt, sagt Buchberger. Die Frage nach dem Warum beschäftige sie seit Langem. "Mein Konzept ist vielleicht nicht das Richtige für Wolfratshausen."

In ihrer Tagesbar bietet sie mittags wechselnde Suppen, Sandwiches und andere kleine Gerichte an. Die Getränkekarte ist gut bestückt mit Heiß- wie Kaltgetränken. Verschiedene Kuchen stehen ebenfalls zur Auswahl. "Von allen Produkten bin ich zu 100 Prozent überzeugt", sagt Buchberger. Nebenbei könnten Kunden auch noch die wichtigsten Alltagseinkäufe in der Tagesbar erledigen, da die Gastronomin auch Milch und Käse im Angebot hat. Und wer noch schönen Schnickschnack mitnehmen möchte, hat die Wahl zwischen bemalten Blumentöpfchen und bunten Notizbüchern. Bei allen Arbeitsabläufen achtet die Gastronomin besonders auf die Umwelt. Sogenannte To-go-Becher gäbe es in der Tagesbar nicht. Wer einen Kaffee trinken möchte, sollte sich zehn Minuten Zeit nehmen und dabei entspannen, sagt Buchberger. Außerdem versuche sie, immer gut zu kalkulieren, und das gelinge. "Wenn die Restmülltonne abgeholt wird, ist sie nicht mal halb voll."

Fotos von ihren Reisen sind auf Leinwände gezogen und schmücken die Wände des gemütlichen Cafés. Darauf sind zum Beispiel Pinguine in der Antarktis zu sehen. "Das Foto habe ich selbst gemacht", sagt Buchberger. Nicht die einzige Erinnerung, die sie von ihren Reisen und Auslandsaufenthalten mitgebracht hat. Zehn Jahre verbrachte sie in Tansania und Mosambik. Als Hotelmanagerin arbeitete sie viele Jahre auf einem Schiff und bereiste regelmäßig die Arktis, Antarktis und den Nordpol. Auch in Toronto verbrachte Buchberger ein Jahr. All diese Einflüsse und Erfahrungen aus der ganzen Welt wollte die Gastronomin mit in die Wolfratshauser Innenstadt bringen und in ihrem eigenen Laden vereinen. Doch spätestens nach diesen vier Jahren müsse sie einsehen, dass ihr Konzept nur bedingt Anklang gefunden hat.

"Natürlich habe ich meine Stammkunden, aber es sind einfach nicht genug", sagt die 52-Jährige. Außerdem würden die vielen Schließungen der Geschäfte rundum ebenfalls dazu beitragen, dass die Kunden immer weniger werden. Oft hätten etwa Kundinnen eines Nagelstudios oder einer Fußpflege-Praxis ihren Besuch mit einer Suppe und einem Kaffee in der Tagesbar verbunden. "Das bleibt natürlich aus, wenn es die Läden gar nicht mehr gibt."

Entmutigen lässt sich die erfahrene Gastronomin allerdings nicht. "Ich bin schon an einem neuen Projekt mit neuem Konzept dran", sagt Buchberger mit einem Leuchten in den Augen. Es sei noch nichts spruchreif, weshalb sie sich noch bedeckt halte möchte. Dennoch ist bereits sicher: Buchberger bleibt sowohl der Gastronomie als auch Wolfratshausen treu. Aufgeben, so betont die Weltenbummlerin, komme für sie nicht in Frage.

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SZ vom 21.01.2020
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