Adam hat ein Bild von seiner Familie gemalt. Die Mama ist in der Mitte. Der Achtjährige sieht sie als freundlichen Elefanten. Ein Tier, das mit seiner dicken Haut viel aushalten muss. Sich selbst hat Adam, der in Wirklichkeit anders heißt, als Hündchen gezeichnet, die Schwester als zarte rosa Libelle. Was nach harmonischem Familienglück aussieht, wird indes getrübt von einem gehörnten Teufel, der sich vom rechten Bildrand nähert und drohend den Dreizack hebt. „Papa“ hat Adam dazu geschrieben und ein tränenüberströmtes Gesicht gemalt.
Mit der Aktion „Teuflische Traumata“ beteiligt sich das Frauenhaus Wolfratshausen am „Orange Day“, der weltweit am Montag, 25. November stattfindet und dazu aufruft, dass Gewalt gegen Frauen endlich ein Ende hat. Seit 1981 gibt es diesen von Menschenrechtsorganisationen organisierten Tag.
Das Frauenhaus zeigt zum Orange Day in der Wolfratshauser Innenstadt anonymisiert eine Auswahl an Zeichnungen von Kindern, aber auch von betroffenen Frauen. „Wir wollten damit mehr Bewusstsein für die Lebensrealität von zahlreichen Frauen und Kindern schaffen“, erklärt dazu Clara Krüger. Die 22-jährige Studentin der Sozialen Arbeit absolviert gerade ihr Praxissemester beim Frauenhaus Wolfratshausen und hat zusammen mit dem Team die Aktion „Teuflische Traumata“ entwickelt. In den vergangenen Jahren hat das Frauenhaus viele Bilder gesammelt, in denen das Thema Gewalt vorkam. So sei die Idee zu der Aktion entstanden. „Die Kinder malen, was sie gesehen, erlebt, gespürt und erlitten haben“, erklärt Krüger dazu. „Sie zeichnen, um die Erfahrung zu verarbeiten.“

Manche Bilder drückten sehr konkret aus, was passiert sei, wie bei dem gewalttätigen Vater als Teufel. Andere ließen die erlebten Traumata nur erahnen. Dass die Bilder aus freien Stücken und ohne Einflussnahme während des Aufenthalts im Frauenhaus entstanden sind, unterstreicht der Verein. Die Bilder und Texte im DIN-A3-Format werden von Montag, 25. November, bis Dienstag, 3. Dezember, entlang des Spazierwegs ausgestellt, der an der Loisach vom Sebastiani-Steg bis zum Japanischen Garten führt. Zusätzlich präsentiert sich das Frauenhaus am Freitag, 29. November, während des Wochenmarkts mit einem Infostand an der Loisach.
Der Bedarf wird immer größer, betroffene Frauen finden keinen Platz und die finanzielle Lage ist schwierig. So lautet das Fazit des aktuellen Jahresberichts des Vereins Frauen helfen Frauen, der das Frauenhaus Wolfratshausen betreibt. Dem Bericht zufolge hat sich die Anzahl der Beratungen vervielfacht, von 167 im Jahr 2022 auf 453 im Jahr 2023. Für 2024 erwartet der Verein noch mehr Fälle. Erklärt wird das damit, dass einerseits die Gewalt gegen Frauen laut Polizeistatistiken um 20 Prozent gestiegen ist, andererseits aber auch die Sensibilität in der Bevölkerung zugenommen hat und sich mehr Betroffene melden. Die Frauen schilderten ihr Anliegen zunächst meist am Telefon, in einer persönlichen Beratung würden dann Fragen zu Sorgerecht und Kinderbetreuung geklärt oder wie eine Trennung aussehen könne, so Krüger. Während Frauen ohne Migrationshintergrund häufiger die Beratungsstelle aufsuchten und eine vorübergehende Hotelunterkunft mit eigenen Mitteln bestreiten könnten oder bei Freunden Unterschlupf fänden, sei für Betroffene mit Migrationshintergrund das Frauenhaus die letzte Rettung. Doch das ist voll belegt.

Sechs Plätze gibt es für Frauen und deren Kinder im Frauenhaus. Die durchschnittliche Verweildauer ist lang, obwohl der Aufenthalt eigentlich nur vorübergehend gedacht ist. Im Berichtsjahr 2023 lebten dort vier Frauen, die bereits im Vorjahr aufgenommen worden waren, dazu kamen 17 Frauen, die einige Zeit Zuflucht suchten und anschließend eine andere Unterkunft fanden – oder zu ihren Männern zurückgingen. Auch das gibt es. 5013 Übernachtungen von Frauen mit ihren Kindern zählte das Frauenhaus im Jahr 2023, die meisten Frauen waren zwischen 31 und 45 Jahren alt.
Das Frauenhaus sieht sich angesichts stagnierender finanzieller Mittel als überlastet. Die Frauen, die dort Hilfe suchen, aber nicht aufgenommen werden können, werden immer mehr. „Wir mussten achtzig Frauen wegen Platzmangels abweisen“, bedauert Nicoline Pfeiffer, die zusammen mit Soma Abdullah, Sandra Gmeiner und Sabine Wolfslast den neuen Vorstand bildet.
Eine Wohnung für Betroffene zu finden, ist schwer
Der Weg in ein selbstbestimmtes Leben führt aber nicht nur über den Aufenthalt im Haus, sondern auch über Beratung und Hilfe. So unterstützt der Verein Frauen bei der Suche nach einer eigenen Wohnung. Auch davon gibt es wegen der hohen Mieten im Münchner Süden einfach zu wenige. Die Vermittlung sei schwer, berichtet Frauenhaus-Mitarbeiterin Jasmin Riedmeier. Hundert Wohnungen habe sie abgeklappert, bevor sie eine Familie unterbringen konnte, das sei letztlich erst in Magdeburg geglückt.
Auch die Finanzierung ist prekär. Es gibt nur dann staatliche Unterstützung, wenn der Verein selbst genug Eigenmittel aufbringt. Für das Jahr 2023 waren das 56 000 Euro, die aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Einnahmen aus der Kleiderkammer erwirtschaftet werden mussten. Der Verein sei daher weiter dringend auf Spenden angewiesen, um Frauen wirksam Schutz vor Gewalt anzubieten, erklärt der Vorstand.