Auch vielen, die an den Weihnachtsfeiertagen eher weniger an die Geburt Jesu denken, ist eines wichtig: gemeinsam mit der Familie zu feiern. Dass in diesen Familien immer häufiger Gewalt ausgeübt wird, ist eine statistische Wahrheit. Seit Jahren weist das Bundeskriminalamt steigende Zahlen häuslicher Gewalt aus. Mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent sind die Opfer weiblich, das sind rund 180 000 Betroffene. Bei Gewalt in Partnerschaften ist der Anteil noch höher (knapp 80 Prozent), sodass der Schluss lautet: Frauen sind in Deutschland besonders schutzbedürftig. Diesen Schutz erhalten sie in Frauenhäusern, in denen Frauen und ihre Kinder in Sicherheit wohnen und ihre nächste Lebensphase außerhalb der zur Gewaltfalle gewordenen Beziehung planen können. Der Bedarf indes kann durch die vorhandenen Institutionen nicht gedeckt werden.
„Im Moment ist die Hauptfrage für die Frauen, ob man überhaupt einen Platz bekommt“, sagt Nicoline Pfeiffer. „Wir lehnen mehr ab als wir aufnehmen können“, beklagt die Sozialpädagogin, die das Frauenhaus mit aufgebaut hat und nach wie vor in der Geschäftsführung tätig ist. So mussten im vergangenen Jahr 80 Frauen abgewiesen werden, während 17 neu angekommen sind und vier aus dem Vorjahreszeitraum übernommen wurden. Die sechs Zimmer, in denen je eine Frau auch mit mehreren Kindern übernachten kann, reichen also bei Weitem nicht aus. „Wir versuchen immer, weiterzuhelfen“, erklärt Christine Legler, die im Kinder- und Jugendlichen-Bereich der Einrichtung arbeitet. Man versuche so in erster Linie, an andere Häuser mit freien Zimmern zu vermitteln. Doch in vielen Fällen müsse man die Frauen schweren Herzens zurückweisen und könne nur als ersten Rat mitgeben, sich möglichst ruhig zu verhalten, Konflikten in der Beziehung aus dem Weg zu gehen, bis ein Platz gefunden werde.

„Aber eine Frau, die in Bayern einen Platz sucht, kann nur in Extremfällen einen in Hamburg finden“, erklärt Legler. Nach wie vor hätten auch gewalttätige Väter Rechte auf Umgang mit den Kindern – eines von vielen Symptomen, die darauf hindeuten, dass Frauen noch immer strukturell benachteiligt werden. So haben alleinerziehende Mütter es schwerer, eine Wohnung zu finden, auf einem Mietmarkt, der ohnehin überhitzt ist. Längere Aufenthaltsdauern in den Frauenhäusern sind die Folge. Die vom Freistaat geförderten sogenannten Second-Stage-Maßnahmen zur Vermittlung der Frauen (und ihrer Kinder) in eigene, sichere Wohnungen, können den Bedarf auch nicht abdecken. Und eine Rückkehr in die Ehewohnung, wenn sie der Frau gerichtlich zugewiesen wird, sei, so Nicoline Pfeiffer, nur dann sinnvoll, wenn die Betroffene die Möglichkeit hat, sich darin zu schützen. „Eine Erdgeschosswohnung mit Terrasse – das bringt dann nichts“, sagt sie. So könnte sich die häusliche, physische wie psychische Gewalt, auch in Form von Stalking, fortsetzen.
Oft, gerade im ländlichen Bereich, wo Familien enger zusammenleben, reagiere das Umfeld negativ, wenn eine Frau sich Hilfe sucht. „Wie kannst du nur?“ – für die Mitarbeiterinnen von „Frauen helfen Frauen“ steht der Satz für vieles, was aus ihrer Sicht gesellschaftlich falsch läuft und was ihre Arbeit notwendig macht. „Wie kannst du nur die Kinder vom Vater trennen? Wie kannst du nur die kranke Schwiegermutter alleine lassen?“, heißt es da, wenn Frauen sich aus Gewaltbeziehungen lösen, Schutz suchen und deshalb zusätzliche Schuldzuweisungen erfahren.
Dazu kommen ökonomische Aspekte, wenn etwa ein Bauernhof gemeinsam bewirtschaftet wurde, was durch den Ausbruch der Frau aus der Beziehung unmöglich wird. „Da stoßen Männer auf sehr viel Verständnis“, erklärt Pfeiffer. „Den Frauen stehen ja keine Millionen zu, obwohl sie es mit erwirtschaftet haben.“ Häusliche Gewalt gegen Frauen sei damit nur ein besonders perfides Beispiel für die Benachteiligungen, die Frauen immer noch tagtäglich erfahren. Die Unterschiede in Lohn und Rente, die größere Bedrohung durch Altersarmut sind Beispiele desselben gesellschaftlichen Phänomens auf einer anderen Ebene. „Das ursprüngliche Ziel der Frauenhäuser war, sich überflüssig zu machen, inzwischen sind wir systemrelevant“, sagt Pfeiffer und möchte eines betonen: „Das liegt nicht daran, dass wir jetzt so viele Migranten haben! Im Gegenteil, es gibt viel Gewalt von deutschen Männern, die zu ihrer ausländischen Frau so etwas sagen wie: Ich nehm’ dir die Kinder weg und schick dich in dein Heimatland.“
Um die Arbeit im Wolfratshauser Verein aufrechterhalten zu können, stehen Renovierungsarbeiten an. Im Korkboden der Büroräume sind Löcher, die Tapeten müssen dringend erneuert werden. Dies sind schließlich die Räume, die die hilfesuchenden Frauen zuerst sehen, in denen sie sich in einer angenehmen Atmosphäre ruhig aussprechen sollen. Überdies ist der Kinderraum des Frauenhauses aktuell nicht nutzbar, der Verein ist auf der Suche nach einem neuen Raum, der angemietet und entsprechend ausgestattet werden kann, damit auch die Kinder der Frauen einen Rückzugsort haben. Und nicht zuletzt sind Frauenhäuser über die Mietzahlungen der Frauen und die Tagessatzfinanzierung der Behörden auch dazu verpflichtet, fünf Prozent der Finanzierung selbst zu erwirtschaften, was eine nicht zu unterschätzende Herausforderung sei. Spenden sind ein Mittel, dabei zu helfen.
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