Nach Hausbrand in Wolfratshausen:"Der Grieche" gibt nicht auf

Nach Hausbrand in Wolfratshausen: Restaurantbetreiber Iraklis Sakellariou steht in dem vom Feuer zerstörten Dachgeschoss seines Hauses in Wolfratshausen-Farchet.

Restaurantbetreiber Iraklis Sakellariou steht in dem vom Feuer zerstörten Dachgeschoss seines Hauses in Wolfratshausen-Farchet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein Feuer hat vor drei Wochen sein Restaurant in Farchet lahmgelegt, seitdem ist es geschlossen. Doch Betreiber Iraklis Sakellariou räumt auf und will nun im Biergarten Speisen aus einem Imbisswagen anbieten.

Von Tobias Bug, Wolfratshausen

Es war ein Albtraum. Iraklis Sakellariou und seine Lebensgefährtin Anka machten gerade Mittagsschlaf, als jemand mit voller Wucht an die Tür hämmerte. In Unterhose öffnete Sakellariou die Tür, da stand sein Nachbar vor ihm und schrie: "Es brennt! Alle raus hier!" Seine Partnerin brachte die beiden Söhne, drei Jahre und elf Monate alt, nach draußen. Iraklis Sakellariou schmiss sich Klamotten über, rannte in sein Restaurant "Der Grieche", schnappte sich einen Feuerlöscher und eilte in den zweiten Stock. Dort brannte der Balkon. Als er die Glastür öffnete, fiel sie aus den Angeln. Mit dem kleinen Feuerlöscher konnte er nichts ausrichten. Also rannte auch er nach draußen, brachte auf dem Weg noch eine seiner Mieterinnen in Sicherheit.

Dann musste er hilflos zuschauen, wie sein Haus brannte, stundenlang. Um kurz nach 17 Uhr war der Brand ausgebrochen, erst kurz vor Mitternacht verließ das letzte Feuerwehrauto den Brandort. Das war vor knapp drei Wochen. "Wir waren leichenblass", sagt Sakellariou heute. "Man wollte sterben." Er sitzt neben seiner Partnerin Anka vor seinem beliebten griechischen Lokal im Wolfratshauser Stadtteil Farchet. "Nach zwei Jahren Pandemie", sagt sie, "hatten wir auf einen guten Sommer mit viel Umsatz gehofft." Doch nun bleibt das Restaurant wieder geschlossen, erstmal auf unbestimmte Zeit. Zwei Elektriker verlegen provisorisch neue Stromleitungen im Keller, der Brand hatte zwar nicht auf das ganze Haus übergegriffen, aber das Löschwasser hat alle Wohnungen, das Lokal und den Keller verwüstet.

Nach Hausbrand in Wolfratshausen: Der Dachstuhl des Hauses in der Enzianstraße ist komplett ausgebrannt.

Der Dachstuhl des Hauses in der Enzianstraße ist komplett ausgebrannt.

(Foto: Hartmut Pöstges)

"Es ist eine Katastrophe."

In der Wohnung im ersten Stock klafft ein riesiges Loch in der Decke, eine Dichtungsplatte hängt schlaff herunter, auf dem Fußboden in den leeren Zimmern liegt Schutt. Die zerstörten Möbel sind schon ausgeräumt. "Es ist eine Katastrophe", sagt Iraklis Sakellariou. Ein rauchiger Geruch steigt in die Nase, als er durch die von Feuer und Wasser verwüsteten Räume führt. Das Haus mit den vier Wohnungen gehört ihm seit zehn Jahren, das Lokal im Erdgeschoss betreibt er schon doppelt so lange.

Schweigend steht Sakellariou nun in der Restaurantküche und schaut in Richtung der Kühlschränke, die mitten im Raum stehen. Die Decke neben der Dunstabzugshaube wölbt sich nach unten, teilweise ist die Verkleidung zu Boden gefallen. Im hinteren Lokalraum prangen dunkle Wasserflecken an der Decke und den Wänden, kein Tisch steht hier mehr, die Bänke sind kaputt. Nur im vorderen Speisesaal sieht alles aus wie vorher. Als wäre nichts geschehen, liegen hier hellrosa Decken auf den gedeckten Tischen, vorm Fenster stehen Blumen, der Boden glänzt. Auch die Toiletten sind unversehrt geblieben.

Nach Hausbrand in Wolfratshausen: Das Löschwasser hat den hinteren Speisesaal des beliebten Restaurants "Der Grieche" verwüstet.

Das Löschwasser hat den hinteren Speisesaal des beliebten Restaurants "Der Grieche" verwüstet.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Am Wochenende wollen sie wieder öffnen - zumindest den Biergarten

Jeden Tag kommen Sakellariou und seine Partnerin in das Lokal und putzen. Schon am kommenden Wochenende möchten sie wieder öffnen, zumindest den großen Biergarten auf der Wiese vor dem Haus. Der Imbisswagen steht schon auf dem Parkplatz bereit, Sakellariou hat ihn sich von einem Freund geliehen. Nun wartet er nur noch auf einen Bierwagen, der schon für den Anfang der Woche angekündigt war. Wenn der kommt, soll es wieder losgehen.

Aus ihrer Wohnung im ersten Stock hatte das Paar noch das Nötigste retten können, Klamotten, Spielzeug für die Kinder, doch die Möbel sind kaputt. Mit ihren beiden Söhnen sind sie im Haus eines Freundes untergekommen, dessen Vater gerade ins Pflegeheim gezogen ist. "Wir sind sehr dankbar für die Hilfe, die wir bekommen", sagt der Restaurantbetreiber. Jeden Tag kommen Nachbarn vorbei, helfen beim Putzen, bringen Kuchen oder ein Feierabendbier vorbei. "Auch die Versicherung, der Steuerberater und die Bank - alle helfen uns." Die Versicherung schätzt den Schaden durch das Feuer auf knapp 1,5 Millionen Euro. Für das allermeiste wird sie aufkommen, "aber wir müssen bestimmt auch noch was drauflegen", sagt Sakellariou.

Weiter ist unklar, was den Brand auslöste

Die Brandursache ist immer noch unklar, die Kriminalpolizei Weilheim hat die Ermittlungen übernommen. Laut einem Sprecher könne es Wochen oder Monate dauern, die Ursache zu ermitteln sei eine "Drecksarbeit". Sicher scheint nur, dass der Brand auf dem Balkon im zweiten Stock des hinteren Hausteils ausgebrochen ist und von dort auf die Wohnung übergegriffen hat.

Diese Wohnung, die der Hausbesitzer erst vor zwei Jahren für knapp 165 000 Euro renoviert hatte, ist komplett zerstört. Auf seinem Handy zeigt Sakellariou Fotos von einem Zimmer, in dem sich von der Asche weiß gefärbte Möbelstücke und andere verkohlte Gegenstände stapeln. Dann zeigt er ein Video, auf dem lodernde Flammen und eine dichte, dunkelgraue Rauchwolke aus dem brennenden Dachstuhl aufsteigen. Feuerwehrsirenen sind zu hören. Seine Partnerin Anka startet das Video erneut, legt dann das Handy beiseite und schlägt die Hände vorm Gesicht zusammen. Iraklis Sakellariou seufzt, sein Blick ist leer.

Nach Hausbrand in Wolfratshausen: Das Feuer ist offenbar auf dem Balkon im hinteren Teil des Hauses ausgebrochen.

Das Feuer ist offenbar auf dem Balkon im hinteren Teil des Hauses ausgebrochen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In der Wohnung, an die der Balkon grenzte, von dem heute nur ein paar verstümmelte schwarze Balken übrig sind, wohnte eine vierköpfige Familie. Sie ist nun übergangsweise bei Freunden untergekommen. Anfang Juli bezieht sie dann eine neue Wohnung. Bei der Vermittlung hat die Obdachlosenbeauftragte der Caritas, Ines Lobenstein, geholfen. Auch für die dreiköpfige Familie aus dem Erdgeschoss hat Lobenstein eine neue Wohnung ab Juli finden können. Dass das angesichts des knappen Wohnraums in der Region so schnell ging, gleiche einem "Wunder", sagt Lobenstein. "Es gab einige günstige Zufälle." Die Städtische Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Wolfratshausen (StäWo) habe die Wohnungen zur Verfügung gestellt.

Eine Mieterin ist weiter auf der Suche nach einer neuen Bleibe

Für die dritte Mieterin, eine alleinstehende Frau mit Hund, ist Lobenstein weiter auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Wer eine Wohnung anbieten kann, bittet sie, melde sich direkt bei ihr unter der Telefonnummer 0152/54543355. Der Brand hat die Mieter wohnungslos gemacht, ihnen "geht es nicht gut", sagt die Caritas-Mitarbeiterin. Teils haben sie ihre persönlichen Gegenstände an die Flammen verloren. Nicht alle hatten eine Hausratsversicherung.

Zwei der Restaurantmitarbeiter, die vor dem Feuer in kleinen Wohnungen im Keller gelebt hatten, hat Lobenstein mit Unterstützung des Landratsamts für drei Tage in einer Turnhalle unterbringen können, die schon für die Geflüchteten aus der Ukraine hergerichtet war. Anschließend organisierte sie für die beiden und eine dritte Restaurantmitarbeiterin Flüge in deren griechische und rumänische Heimat. Die drei Angestellten des "Griechen" waren nur zur Arbeit in Wolfratshausen gewesen.

Nach Hausbrand in Wolfratshausen: Iraklis Sakellariou und seine Lebensgefährtin Anka (rechts) wollen am kommenden Wochenende den Biergarten wieder öffnen.

Iraklis Sakellariou und seine Lebensgefährtin Anka (rechts) wollen am kommenden Wochenende den Biergarten wieder öffnen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ihr Chef hofft, dass er die drei bald schon wieder beschäftigen kann. Die Renovierung des Hauses dauere zwar mindestens bis März oder April kommenden Jahres, sagt Sakellariou. "Ich hoffe aber, dass die Küche, die Bar und die Speisesäle in etwa drei Monaten fertig sind und wir das Restaurant wieder aufmachen können." Bis dahin wird er wenigstens ein paar ausgewählte Speisen und Getränke im Biergarten anbieten können. Ein Stückchen Normalität in Zeiten, die alles andere als normal sind.

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