Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:"Ein totales Desaster"

Die Wolfratshauser CSU sieht Bürgermeister Klaus Heilinglechner nach dem Urteil gegen seine ehemalige Sekretärin in der Verantwortung für Missstände in der Stadtverwaltung - und legt ihm den Rücktritt nahe. Andere Fraktionen bewerten dies als Wahlkampftaktik.

Von Konstantin Kaip

Nach der Verurteilung seiner ehemaligen Sekretärin wegen Betrugs übt die Wolfratshauser CSU scharfe Kritik an Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW). Der Ortsverband sieht ihn in der Verantwortung für die Zustände, die den Fall ermöglicht haben, und legt ihm einen Rücktritt nahe. Dass die Sekretärin mehrere Tausend Euro aus der Stadtkasse abzweigen konnte, liege "ein totales Desaster" zu Grunde, schreibt die Wolfratshauser CSU-Vorsitzende Susanne Thomas in einer Presseerklärung. "Hier wird offenbar, dass in der Stadtverwaltung ohne Kontrolle und Führung gehandelt wird."

Die 53-jährige Sekretärin, die neun Jahre für das Rathaus gearbeitet hatte, hatte vor dem Amtsgericht eingeräumt, etwa 2000 Euro aus der Stadtkasse zu ihren Gunsten abgezweigt zu haben, um ihren damaligen Liebhaber zu finanzieren, der sie inzwischen verlassen hat. Der Verbleib von weiteren 9600 Euro, unter anderem für den Iruma-Austausch, war vor Gericht nicht eindeutig nachweisbar. Die Sekretärin war im Januar 2018 vom Dienst im Rathaus entlassen worden, nachdem sie trotz mehrfacher Aufforderung Abrechnungen nicht vorgelegt hatte und dem damaligen Kämmerer bei Prüfungen Unstimmigkeiten aufgefallen waren.

In der Pressemitteilung macht der Ortsverband Heilinglechner für mangelnde Kontrollen und die Gepflogenheiten in der Verwaltung verantwortlich, die die Verteidigerin vor Gericht als "völliges Kauderwelsch" bezeichnet hatte. Zudem bemängelt die CSU, dass die Verwaltung "Unterlagen nicht vollständig, fehlerhaft oder nicht rechtzeitig" zur Verfügung stelle. Auch habe der Bürgermeister im Stadtrat "mehrmals nachweislich die Unwahrheit gesagt" - 2015 hatte Heilinglchner freimütig eingeräumt, dem Bauausschuss vorenthalten zu haben, dass sich die Kosten für die Sanierung des Untermarkts 10 deutlich erhöhen würden - und der Verbleib eines abhanden gekommenen städtischen Dienstsiegels sei bislang noch nicht geklärt.

Kümmere sich ein Vorgesetzter nicht um den "reibungslosen und ordnungsgemäßen Ablauf der Vorgänge in seinem Verantwortungsbereich", schlussfolgert Thomas, sei "sein Verbleib im Amt in Frage gestellt". Heilinglechner sei "ein integrer Mann, der sicher sein Bestes gibt", erklärt die CSU-Vorsitzende. Man fordere ihn daher nicht zum Rücktritt auf. "Wir erwarten jedoch, dass er von sich aus seine Schlüsse zieht und letztendlich auch die richtige Konsequenz folgen lässt." Heilinglechner habe "seine Verwaltung und seine Arbeit nicht im Griff", sagt dazu die CSU-Stadträtin Claudia Drexl-Weile.

Auch wenn sich Fritz Meixner, SPD-Fraktionssprecher im Stadtrat, der "weitreichenden Forderung" der CSU nicht anschließen will, spricht er doch von "vielen offenen Fragen", die "letztendlich alle zur Führungs- und Handlungskompetenz des Bürgermeisters" führten. Heilingelchner habe "offensichtlich als Leiter der Behörde den Hut nicht richtig aufgesetzt", sagt Meixner. "Ich erwarte nun eine lückenlose offensive Aufklärung." Die Verfehlungen der ehemaligen Sekretärin hätten sich im direkten Umfeld des Bürgermeisters zugetragen und seien im Rathaus schon länger bekannt. "Es gab Informationen, es gab Aufklärung. Aber die war lückenhaft und nicht offensiv."

Grünen-Stadträtin Annette Heinloth sieht das "etwas differenzierter", wie sie sagt. Die CSU vermische die berechtigte Kritik an Sitzungsvorbereitungen mit der Art und Weise, wie im Rathaus Abrechnungen gehandhabt worden seien. "Das alles in einen Topf zu schmeißen ist schon sehr billig." Der Betrugsfall sei nicht zu entschuldigen, aber "wohl keine spezifische Wolfratshauser Sache, sondern aus einer persönlichen Tragik entstanden". Im Rathaus sei "nachhaltig nachgeforscht worden", Bürgermeister und Kämmerer hätten "professionell und korrekt gearbeitet". Die Presseerklärung der CSU wenige Tage nach Bekanntwerden ihres Bürgermeisterkandidaten Günther Eibl gebe "einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf", sagt Heinloth. "Wenn man mit aller Macht versucht, den Bürgermeister zu demontieren, macht das keine Lust auf noch ein Jahr Lokalpolitik."

Ähnlich äußert sich Heilinglechners BVW. "Man versucht, einen Konkurrenten auszuräumen, mit Anschuldigungen, die in der Häufung nicht nachzuvollziehen sind", sagt sein Amtsvorgänger Helmut Forster, von dem der Bürgermeister die Sekretärin übernommen hatte. Deren Posten im Büro des Rathauschefs verlange ein Vertrauen, das "zu meiner Zeit immer gerechtfertigt war", sagt Forster, der den Prozess im Amtsgericht verfolgt hat. Im Nachhinein müsse sich der Bürgermeister allerdings fragen, ob er im Umgang mit der Sekretärin "nicht ein bisschen zu großzügig war". Zwar seien Fehler gemacht worden in den Kontrollen der Abrechnungen. "Aber es ist nicht Aufgabe des Bürgermeisters, alle Rechnungen zu prüfen", sagt Forster. Dafür gebe es Fachabteilungen. Als Konsequenz aus dem Fall habe das Rathaus die Kontrollmechanismen noch einmal deutlich verstärkt.

Bürgermeister Heilinglechner, der bis Montag in Urlaub ist, war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ebenso wenig der CSU-Fraktionssprecher Günther Eibl. Dessen Fraktionskollege im Stadtrat Peter Plößl wehrt sich allerdings gegen Vorwürfe, die Presseerklärung sei reine Wahlkampftaktik. Alle Stadträte hätten sich daran gehalten, nicht über den Fall zu sprechen, solange er nicht öffentlich war, sagt Plößl. Nun könne man das Schweigen brechen. "Den Gerichtstermin hat nicht die CSU gemacht."

Die BVW werde sich bei ihrer Fraktionssitzung am Montag mit den Vorwürfen befassen, kündigt Fraktionssprecher Josef Praller an. Zusammen mit Forster betont er aber, dass die Bürgervereinigung weiterhin hinter Bürgermeister Heilinglechner stehe und die "latente Rücktrittsforderung der CSU zurückweist".

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SZ vom 30.03.2019/aip
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