Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Eiche mit Pedalen

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Der Wolfratshauser Uwe Henrich hat in seiner Kellerwerkstatt ein Elektrofahrrad entwickelt, das fast komplett aus Holz besteht. Sein Ziel ist es, das nachhaltige Gefährt serientauglich zu machen

Von Jakob Teterycz

"Es gibt zwei Arten von Fahrradfahrern: die Schrauber und die Normalen", sagt Uwe Henrich. Die einen, erklärt er, werkelten unentwegt an ihrem Rad herum, während die anderen schon angesichts kleinerer technischer Schwierigkeiten entnervt aufgeben. Henrich gehört klar zur ersten Gruppe, der studierte Ingenieur aus Wolfratshausen ist definitiv ein Schrauber. Neben seiner Arbeit als beratender Qualitätsmanager brauche er als Ausgleich "immer etwas zum Bauen", sagt er. Sein aktuelles Projekt ist das "perfekte Stadtrad": ein E-Bike aus Holz.

"Gut handelbar" solle es sein, sagt Henrich - kein unpraktisches großes Sportrad, zudem wendig, elegant und bequem. Außerdem solle man damit gut fahren können und nicht verschwitzt bei etwaigen Terminen ankommen. Das Rad, das er entwickelt hat, ist nicht aus Alu oder Karbon, sondern voll und ganz aus Eichenholz. "Ich arbeite gern mit Holz", sagt der Tüftler, es sei ein leichtes und trotzdem stabiles Material. Die Eiche, die er verwendet, sei zudem biegsam genug, um das Material nach Wunsch zu verformen. Sollte es verkratzen, könne man es außerdem einfach abschleifen.

Der erste funktionstüchtige Prototyp steht bereits in seiner Kellerwerkstatt in Wolfratshausen. Abgesehen von Reifen und Sattel scheint auf den ersten Blick tatsächlich alles aus Holz zu sein. Sogar der Lenker mitsamt den Bremshebeln. Die Technik ist im Rahmen versteckt, ein kleiner Bildschirm zur Steuerung in der Mitte des Lenkers eingelassen. Selbst der abnehmbare Akku ist mit Holz ummantelt. "Darauf bin ich besonders stolz", sagt Henrich und zeigt auf seine selbst entwickelte elektrische Gangschaltung. Drei Wochen lang habe er in seiner Freizeit daran getüftelt. "Das war schon nicht easy."

Aber es hat sich gelohnt - auch finanziell, wie Henrich sagt. Für ein gebrauchsübliches Elektrorad zahle man etwa 5000 Euro, seine Alternative habe ihn lediglich 1000 Euro an Material gekostet. Für "zwei Bier" repariere er gelegentlich Räder von Freunden - immer auf der Suche nach Einzelteilen, die er durch hölzerne Nachbauten ersetzen könne. Vom Aufwand her spiele es keine Rolle, ob Spritzschutz oder Lenker mit einem 3D-Drucker hergestellt oder aus einem Stück Holz gefräst würden. Letzteres, sagt Henrichs, sei allerdings nachhaltiger. Natürlich könne man nicht alles mit Holz ersetzen, so sei der Motor gekauft und auch tragende Elemente belasse er aus Sicherheitsgründen aus Metall.

Henrich, der nach eigenen Angaben schon sein ganzes Leben bastelt, kommt beruflich "aus der Schiene Massenanfertigung", wie er sagt. Sein Ziel ist ein hölzernes Pedelec, das in großem Stil nachproduziert werden könnte. Bisher dient sein Projekt jedoch noch dem Eigenbedarf. Denn noch gebe es viel zu verbessern an seinem Prototypen, erklärt der Wolfratshauser. So will er beispielsweise die metallene Gabel verkleiden, den Akku im Rahmen verstecken und Bremsmodule aus Holz anfertigen. Uwe Henrichs ist also nicht nur ein Schrauber, sondern auch ein Perfektionist.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2020
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