Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: "Dorfdynastien":Kramer, Künstler, Bürgermeister

Familie Bockhorni prägt seit dem 18. Jahrhundert die Loisachstadt. Das unterstreicht auch ihr Wappen mit einem Wolf für Wolfratshausen, einem Baum für den Stolz und einer Biene für den Fleiß.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Den Namen Bockhorni kennt man in Wolfratshausen nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Klangs. Die einflussreiche Familie hat auch das Leben in der Stadt über viele Generationen geprägt. Schon die Anfänge der Bockhornis in der Loisachstadt sind eine Erfolgsgeschichte. Das Geschlecht soll über Ungarn und Österreich nach Wolfratshausen gekommen sein. Im Jahr 1782 wird im Markt erstmals ein Paul Adamus Bockhorni urkundlich erwähnt, gebürtig im niederösterreichischen Traiskirchen. Ein Dokument von 1789 im Stadtarchiv, in dem er als Trauzeuge einer Eheschließung vorkommt, weist ihn bereits als "Bürgermeister und Schneiderkramer" aus. Sein Sohn Joseph Bockhorni hat am 8. August 1797 für 3550 Gulden das Torkrameranwesen im Obermarkt erworben, das heute als Schwankl-Eck bekannt ist. Er war von 1818 bis 1824 Magistratsrat und danach Bürgermeister, zwölf Jahre lang.

Der heute berühmteste Spross der Familie ist jedoch dessen Sohn Felix Bockhorni. Am Schwankl-Eck erinnert eine Tafel an den Landschaftsmaler, der von 1801 bis 1878 gelebt hat und als eines von 13 Kindern aus der Ehe des Torkramers mit Marianne Kammerlocher hervorging. Sein Name ist immer wieder zu hören, wenn es um das Wolfratshauser Heimatmuseum geht, das derzeit umgestaltet wird. Das hat schließlich vom Urenkel des Malers, Franz Xaver Wallner, und seiner Frau Thea eine Sammlung mit mehr als 100 Arbeiten Bockhornis geerbt, die 2007 in einer Sonderausstellung präsentiert wurden. Sie sind gleichwohl nur ein Bruchteil des Werks. Denn das meiste der Sammlung, die Wallner zusammengetragen hatte, ist 1944 bei einem Bombenangriff in München zerstört worden. Ein weiterer Teil soll um 1950 versteigert worden sein, zum Großteil in die USA.

Felix Bockhorni war nach seiner Ausbildung an der Münchner Kunstakademie auch als Porzellanmaler in Nymphenburg angestellt. Er ist der Münchner Schule zuzuordnen und soll auch eng mit dem Grafen Franz von Pocci befreundet gewesen sein. Auf seinen noch erhaltenen Gemälden sind Landschaften mit knorrigen Bäumen zusehen, das Isartal und öfter auch der Kalvarienberg mit der Dreifaltigkeitskapelle in seiner Heimatstadt. Felix Bockhorni heiratete für seine Zeit erstaunlich spät: Erst im Alter von 50 Jahren nahm er 1852 die Wolfratshauser Metzgerstochter Marianne Huber zur Frau, die halb so alt war wie er und ihm drei Töchter gebar. Damit endete wohl seine Karriere als Künstler, denn es ist kein Bild von ihm bekannt, das nach diesem Datum entstand.

Die Familie Bockhorni hinterlässt bis heute ihre Spuren in der Stadt - nicht zuletzt durch das Erbe der Wallners, zu dem auch Grundstücke gehören. Ein Spross der Dynastie sitzt in der Stadtverwaltung: Martin Melf, der auch für seine historischen Stadtführungen beliebt ist, residiert in einem schönen Büro im ehemaligen Vermessungsamt am Untermarkt 2, das mit antiken Möbeln ausgestattet ist. Als Leiter des Referats 3 ("Bildung und Soziales") hat er zwar die Zuständigkeit für das Heimatmuseum zu Jahresbeginn abgeben müssen. Die Asservate ließ er jedoch im vergangenen Jahr noch auslagern, darunter die Gemälde seines Vorfahren. Melfs Mutter Irmengard ist eine geborene Bockhorni. Der Maler Felix, erklärt er, war der Bruder seines Ururgroßvaters.

Wenn Melf in der Familiengeschichte zurückblickt, wird klar, dass die Bockhornis eine große Nummer waren in Wolfratshausen. Joseph Bockhorni hat als Bürgermeister einst die Friedhofsmauer in Nantwein gebaut, seitdem hat die Familie dort ein großes Wandgrab. Nach dem Umbau der Kirche Sankt Andreas 1837 durften ihre Mitglieder mit anderen Patriziern auf die Oratorien. "Da hatten die Bockhornis immer einen Platz", erzählt Melf. Auf ihren Stand und die Verwurzelung in der Stadt weist auch das dreigeteilte Wappen der Familie hin: Dieses zeige einen Wolf für Wolfratshausen, einen Laubbaum für den Bürgerstolz und eine Biene für den Bürgerfleiß, erklärt Melf. Das Torkrameranwesen am Eingang zum Markt blieb indes keine 100 Jahre in Familienbesitz. Franziska Bockhorni, eine der drei Töchter des Malers, und ihr Mann verkauften es 1884 an Albert Schwankl - für 8000 Mark, wie es im Katalog zur Sonderausstellung heißt.

Melfs Urgroßvater Anton Bockhorni hat dann Ende der 1880er Jahre am Johannisplatz sein Haus errichtet. Er war Magistratsrat, auf seinem Sterbebild aber sei "Privatier und Hausbesitzer" gestanden, sagt Melf. Bemerkenswert ist nicht nur, dass Antons Frau Antonia hieß. Sondern auch, dass sie seine Cousine war und eine von drei Geiger-Schwestern, die drei Bockhorni-Brüder heirateten. Das Paar hatte fünf Söhne und zwei Töchter. Fünf weitere Kinder, sagt Melf, seien im Kleinkindalter gestorben. Seine Urgroßmutter wäre vermutlich stolz auf ihn gewesen. Denn sie habe, so erzählt es Melf, großen Wert darauf gelegt, dass alle ihre fünf Söhne Beamte wurden. Einer von ihnen, der Justizassessor Rudolf Bockhorni, war einer der ersten Wolfratshauser, die im Ersten Weltkrieg als vermisst gemeldet wurden. Er sei am 22. November 1914 von den Franzosen in Nancy beerdigt worden, sagt Melf. Sein Urgroßvater sei nie über den Verlust hinweggekommen. Er starb früh, im Alter von 56 Jahren.

Melf weiß das alles von seinem Großvater Johann Baptist Bockhorni, den er als "ganz bescheidenen, sehr glücklichen Menschen" lebhaft in Erinnerung hat. Diesem habe seine Ausbildung zum Finanzbeamten, die er auf Wunsch der Mutter machte, gar nicht behagt, weiß Melf. Glücklich sei sein Opa erst geworden, als er sich voll und ganz der kleinen Landwirtschaft der Familie gewidmet habe. Acht bis neun Tagwerk eigenen Grund, ein bisschen Wald und ein paar Kühe und Ochsen habe sein Großvater gehabt "und gut davon leben können". Für andere Bauern habe er außerdem Vieh zum Markt gebracht. Auch sein Opa hat sehr spät geheiratet: Mit 42 Jahren, nach dem Tod der Mutter, nahm er Maria Rosina Quien zur Frau, seine Oma, sagt Melf. Das späte Eheglück, das ja auch dem Maler Felix zuteil wurde, sei "wohl so ein bisschen eine Bockhorni-Eigenheit". Dass sein Großvater ein zufriedenes Leben geführt habe, zeige auch das hohe Alter, das er erreicht habe: Johann Bockhorni wurde 98 einhalb Jahre alt. Sein ganzes Leben hat er im Anwesen am Johannisplatz, gegenüber des heutigen Japanischen Gartens, verbracht. Heute leben dort Melfs Mutter und sein Bruder Joachim mit Familie.

Der Grund der Bockhornis habe einst bis zum Hatzplatz gereicht, sagt Melf

Der Grund der Bockhornis habe einst bis zum Hatzplatz gereicht, sagt Melf. Zur Zeit der Inflation habe seine Urgroßmutter immer wieder ein Stück Land verkauft, wenn die Familie wieder Geld brauchte. "Wenn mein Opa nicht gewesen wäre, wär' heute nichts mehr da." Zum Besitz gehörten auch Acker- und Waldflächen in Waldram. Auf dem Areal, das später Bauland wurde, hat Melf sein Haus gebaut, in dem er mit Frau und seinen vier Kindern lebt.

Die Familie ist heute weit verzweigt: In Wolfratshausen leben noch Melfs Onkel Hans Bockhorni und sein Großcousin Rudolf Bockhorni, der die 90 Lebensjahre schon überschritten hat. Zudem gebe es Familienangehörige in Garmisch, Murnau und Allmannshausen. Man sehe sich zu Allerheiligen am Grab in Nantwein, sagt Melf. Einmal aber, 2015, habe in Wolfratshausen ein großes Bockhorni-Treffen stattgefunden, zu dem auch der Wiener Zweig der Familie gekommen sei. Seitdem habe das Heimatmuseum eine neue Dauerleihgabe von einem anderen Künstler-Spross der Familie: Der Garmischer Rechtsanwalt Franz Bockhorni, erzählt Melf, habe ihm ein "wunderschönes Bild" des Glasmalers Joseph Peter Bockhorni übergeben, der von 1832 bis 1905 lebte, den Hoftitel trug und in München eine Kunstanstalt betrieb.

Der städtische Angestellte trägt freilich einen anderen Namen. "Ich heiße Melf und bin glücklich darüber", sagt er. Die Familie seines Vaters, fügt er hinzu, habe eine noch längere Historie: Bis ins Mittelalter reiche der Name des Bauerngeschlechts Melf in der Region zurück. Das aber ist eine andere Geschichte.

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SZ vom 17.02.2021
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