Wolfratshausen:Die tun was

Wolfratshausen: Christian Springer: "Wenn jemand hingefallen ist, dann gehe ich hin und helfe ihm auf. Ganz einfach."

Christian Springer: "Wenn jemand hingefallen ist, dann gehe ich hin und helfe ihm auf. Ganz einfach."

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Christian Springer würdigt Arbeiterwohlfahrt

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

100 Jahre existiert die deutsche Arbeiterwohlfahrt, und auch der Wolfratshauser AWO-Ortsverband kann auf eine beachtlich lange Geschichte zurückblicken. Er wurde 1946 gegründet, also vor fast 75 Jahren - beides zusammen ein Grund zum Feiern, zumal obendrein ganz unspektakulär eine personelle Zäsur eingetreten ist: Dieter Käufer, der 18 Jahre lang das AWO-Demenzzentrum am Paradiesweg leitete, hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Zum Jubiläum gab sich nun ein wortgewaltiger Gast die Ehre, der in seinem eigenen Leben viel von den bei der AWO hochgehaltenen Idealen und Grundsätzen praktisch umgesetzt hat: der Kabarettist Christian Springer. Dessen Bühnenprogramm unter der Rubrik "Alle machen - keiner tut was" ist mit seinem eigenen humanitären Engagement in den Krisenregionen des Nahen Ostens, seinem Einsatz für Menschenrechte, Toleranz, Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität eng verflochten.

Springer vermittelte am Freitag im Wolfratshauser Krämmel-Forum seine Erlebnisse und Reflexionen fulminant, eindringlich, wild gestikulierend und bayerisch-bissig, ihm gelang beeindruckend der Nachweis, dass auch die heute so selbstbewusst auftretenden Bayern einst ein Volk von durcheinandergewürfelten und kulturell wenig bedeutenden Migranten waren. Sein soziales Engagement begründete Springer mit einer einfachen These, die ihm seine Mutter für das ganze Leben mitgegeben habe: "Wenn jemand hingefallen ist, dann gehe ich hin und helfe ihm auf. Ganz einfach." Dies sei nicht mehr und nicht weniger als die reine Menschenpflicht, die schon im Kindergarten und in der Schule gelehrt werden müsse. Von der AWO habe er viel gelernt, beispielsweise über die Bedeutung von Werten. Und die Erkenntnis, "dass auch kleine Aktionen die Welt verändern".

Wenngleich Springers Auftritt den Jubiläumsabend im Krämmel-Forum dominierte, ging es naturgemäß ohne die üblichen Ansprachen und Honneurs nicht ab. "Ich bin geplättet von so vielen Menschen", bekannte Käufer mit Blick über die vollbesetzten Stuhlreihen. Der scheidende Heimleiter rief den schwierigen und langjährigen Kampf um die heute als selbstverständlich hingenommenen Grundrechte in Erinnerung und mahnte insbesondere den Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern an - noch heute liege der Frauenanteil im Bundestag bei lediglich 30 Prozent. Auch die Verteilungsgerechtigkeit zwischen Armen und Reichen wird nach Käufers Worten immer mehr zum Thema. "Die Grundrechte und Grundwerte in unserer Gesellschaft werden häufig vergessen oder ignoriert, häufig sogar missbraucht. "Dies dürfen wir weder wollen noch dulden." Käufer bedankte sich "für 18 tolle Jahre" und will sich im Sinne seiner bisherigen Arbeit weiterhin ehrenamtlich engagieren: als Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft Isar-Loisachtal, die ihren Sitz am Paradiesweg hat.

Die AWO-Ortsvorsitzende Gerlinde Berchtold beklagte den schleichenden Schwund unter den derzeit 113 Mitgliedern, "manche sterben weg, ohne dass wir den nötigen Ersatz finden". Dies beeinträchtige das karitative Engagement des Ortsverbandes, der sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziere. Landrat Josef Niedermaier kritisierte die heutige "fordernde Gesellschaft", die ehrenamtliches Engagement als selbstverständlich betrachte. "Uns geht es zu gut", sagte Niedermaier, "wo bleibt da noch die Solidarität?" Umso mehr lobte der Landrat die Leistungen der AWO, die eine Organisation sei, "die aus der Not geboren wurde".

Musikalisch begleitet wurden die Dank- und Grußadressen von dem sechsköpfigen Geretsrieder A-capella-Chor Farbton, der zunehmend von sich reden macht.

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