Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Die Politik entscheidet ohne Bürger

Der Wolfratshauser Stadtrat lehnt eine Befragung über die Nutzung der Happ'schen Apotheke, des Pumpenhäuschens und des "Boodevaar-Turms" ab

Von Konstantin Kaip

Über die Zukunft der städtischen Immobilien Untermarkt 10, Happ'sche Apotheke, Pumpenhäuschen an der Loisach und des sogenannten Boodevaar-Turms gegenüber entscheidet der Wolfratshauser Stadtrat. Das Gremium hat am Dienstag mehrheitlich einen Beschlussvorschlag abgelehnt, die Bürger bei der Frage nach der künftigen Nutzung der vier Liegenschaften mitentscheiden zu lassen. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) hatte dies zur Debatte gestellt, weil er den Auftrag an die Moderatoren für die Bürgerbeteiligung zum "Integrierten städtebaulichen Nutzungskonzept" (ISEK) vergeben muss, die im Herbst beginnen soll. Die Fraktionen von CSU, SPD und Grünen lehnten das jedoch ab. Eine Bürgerbeteiligung würde die Entscheidung nur weiter verzögern, so der Tenor. Stattdessen forderten sie einen Beschluss in der kommenden Stadtratssitzung im September.

Dann soll es vor allem um den Untermarkt 10 gehen, über den der Stadtrat seit mehr als vier Jahren debattiert. Das prominente städtische Gebäude, in dessen Obergeschoss das Heimatmuseum untergebracht ist, ist nur unter großem finanziellen Aufwand nutzbar zu machen. Eine Generalsanierung des denkmalgeschützten Hauses inklusive Ausbau des Dachgeschosses und Brandschutz würde mehr als zwei Millionen Euro kosten. In dem Gebäude sollten zuerst ein Bürgerladen, dann eine Außenstelle des Rathauses mit Touristeninformation unterkommen. Beides war gescheitert. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft (Stäwo) sollte das marode Gebäude laut Stadtratsbeschluss vom vergangenen Sommer übernehmen, sah sich dazu aber aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage.

Daraufhin hatte die Stadt die Immobilie auf Erbpacht öffentlich ausgeschrieben, allerdings "ohne Verpflichtung auf Vergabe". Im Februar erklärte Heilinglechner, dass sich zwei Interessenten beworben hätten. Eine Entscheidung, ob die Stadt das Haus abgibt oder selbst sanieren lässt, steht jedoch noch aus. Die Zukunft des Untermarkts 10 hat der Stadtrat zuletzt nur nicht öffentlich debattiert.

Beschlüsse gibt es jedoch zur Zukunft des Heimatmuseums: Das soll, so wollte es die Mehrheit im Stadtrat, in das Pumpenhäuschen an der Loisach - das ehemalige Archiv - umziehen, das dafür erweitert werden müsste. Während der Sanierung des Untermarkts 10 sollen die Exponate laut Beschluss in die Happ'sche Apotheke ausgelagert werden, in deren Obergeschoss eine betagte Mieterin Wohnrecht auf Lebenszeit hat.

Immerhin scheint sich nun eine Lösung anzubahnen. CSU-Sprecher Günther Eibl sprach am Dienstag im Stadtrat von einer "gewissen Stoßrichtung", die sich abzeichne. Mit Grünen und SPD sei man sich einig, dass man das Hauptaugenmerk auf den Untermarkt 10 richten wolle, Happs'sche Apotheke und Pumpenhäuschen jedoch "vorerst nicht angerührt werden". Schließlich stehe in Wolfratshausen die Schulentwicklung an - ein "Pflichtthema" mit Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. Umso mehr wundere er sich, dass nun "über den Umweg der Bürgerbeteiligung" versucht werde, die Diskussion über die vier Objekte wieder aufzurollen. Die Liegenschaften seien im ISEK mit keinem Wort erwähnt.

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionssprecher Fritz Meixner. "Wir haben uns alle die Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben", sagte er. "In diesem Fall aber sind wir dagegen." Schließlich habe man fraktionsübergreifend beschlossen, noch in diesem Jahr Beschlüsse zu den städtischen Immobilien zu fassen. Die Sache sei "entscheidungsreif" und dürfe nicht durch eine langwierige Bürgerbeteiligung weiter verzögert werden. "Das wäre für mich die Abgabe der Verantwortung." Auch Hans Schmidt (Grüne) nannte den Vorschlag die "falsche Vorgehensweise".

Für eine Bürgerbeteiligung waren hingegen die meisten Stadträte der BVW. Beim Heimatmuseum handle es sich um öffentliche Räume für die Bürger, sagte Sprecher Josef Praller. Ob die Entscheidung ein halbes Jahr länger dauere, "finde ich unerheblich". Zwar sei das Thema sehr komplex, sagte seine Fraktionskollegin Ulrike Krischke. "Viele Unterlagen und Zahlen müssen auf den Tisch." Sie sei aber dafür, die Wolfratshauser an der Frage nach der Nutzung der städtischen Immobilien zu beteiligen. Ihre Entscheidung begründete sie mit einer Antwort auf das, was Eibl zuvor gesagt hatte. Der Vorschlag, in Sachen Happ'scher Apotheke und Pumpenhäuschen nichts zu tun, sei noch nicht beschlossen. "Ich will den Stillstand nicht", sagte Krischke. Es gebe keinen Grund, mehrheitliche Beschlüsse in Frage zu stellen, "auch keinen finanziellen". Bei der Umsetzung wolle sie "auf die Kreativität unserer Bürger" setzen. Durchsetzen konnte sie sich aber nicht. Der Stadtrat lehnte die Bürgerbeteiligung mit 16 zu acht Stimmen ab.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2018
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