Wolfratshausen:Die Heimat, wie sie einmal war

Wolfratshausen: Wolfratshausen in Stein: Klaus Heilinglechner, Josef Niedermaier, Markus Söder, Martin Bachhuber (von links) eröffnen die Ausstellung.

Wolfratshausen in Stein: Klaus Heilinglechner, Josef Niedermaier, Markus Söder, Martin Bachhuber (von links) eröffnen die Ausstellung.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Sparkasse zeigt einige der fast 24 000 Kalkplatten, auf denen im 19. Jahrhundert Bayern kartografiert wurde

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Der bayerische Staatsminister für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat mag sich als Superminister und gar als Kronprinz sehen, zum Unwillen des gegenwärtigen Regenten. Doch im Vergleich zum Grafen Montgelas, dem Superminister des Königs Maximilian I., liegt Markus Söder (CSU) bei Finanzen und Landesentwicklung klar zurück; nur die Heimat sahen viele schon beim strikten Säkularisierer und Reformierer Montgelas bedroht, der als Schöpfer des modernen Bayern gilt, ab 1806 eines Königreichs von Napoleons Gnaden. Montgelas hat dem Minister Söder ein gewichtiges Erbe hinterlassen: Auf 23 636 quadratischen Platten aus Solnhofener Kalk, jede einzelne mehr als 50 Kilogramm und zusammen 1700 Tonnen schwer, lagert das ganze damalige Bayern im Keller des Münchner Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. Einige dieser Druckvorlagen für das erste Landeskataster sind seit Donnerstag in der Wolfratshauser Sparkasse zu sehen.

Der Kronprinz Söder hat die Ausstellung mit dem Titel "Heimat aus Stein" in Wolfratshausen persönlich eröffnet und die Gelegenheit zu einigen selbstironischen Anspielungen und zum ausgiebigen Händeschütteln im parteiinternen Stammland der konkurrierenden Kronprinzessin Ilse Aigner genutzt. "Hier wohnt ja jemand, den ich verehre seit vielen Jahrzehnten", sagte Söder vor einem in konzentrischen Halbkreisen vor ihm aufgereihten Publikum aus lokaler Politprominenz, der Führungsriege der Sparkasse, Schulleitern und Stadträten über den örtlichen Ehrenbürger Edmund Stoiber, der von der Opposition inzwischen als "Archäopteryx aus Wolfratshausen" verspottet wurde. Der erste versteinerte Urvogel wurde 1861 bei Solnhofen im Altmühltal in genau so einer Kalkplatte gefunden, wie sie Montgelas' Vermesser schon seit 53 Jahren als Druckvorlagen für ihre lithografierten Katasterkarten benutzten. Der Tölzer Stein, der neben Exemplaren aus München, Miesbach und Erding im Original zu sehen ist, wurde 1858 angefertigt. Der prominent platzierte Wolfratshauser Stein stammt von 1864 - dem Jahr, in dem die "Uraufnahme" beendet und Bayern zum ersten komplett kartografierten Land der Welt wurde. Heute wird jeder Flecken Freistaat alle drei Jahre aus der Luft vermessen.

Bei der Ausstellung, die er persönlich angeregt habe, gehe es darum, sich ein Stück weit der eigenen Heimat zu versichern, sagte Söder zur Eröffnung. In Stein gemeißelt war diese Heimat aber nie. Die Platten wurden millimetergenau und - als Negative für den Druck - spiegelverkehrt graviert. Bei späteren Änderungen wurden sie auch nach Jahrzehnten noch ergänzt und ausgebessert. Denn das Kataster diente dem Staat zuvorderst als Grundlage für die Besteuerung der Bürger. Zugleich war das Verzeichnis immer auch Eigentumsnachweis und Grundlage für Kredite, erklärte Sparkassen-Vorstand Walter Obinger. Die Ausstellung ist bis 20. Oktober in der Sparkasse in der Sauerlacher Straße zu sehen.

Im Westen nichts Altes

Vor 150 Jahren war Bad Tölz noch nicht Bad Tölz. Es war einfach Tölz. Obwohl der Jaudbauer am Blomberg die Jodquellen schon 1846 entdeckt hatte, sollte es noch mehr als ein halbes Jahrhundert dauern, bis Tölz zum Bad wurde. Deshalb sind auf den Katasterkarten von 1858 mehr oder weniger nur Felder zu sehen, wo später das Kurviertel entstand. Eingezeichnet sind lediglich die Franziskanerkirche, die bereits 1735 fertiggestellt wurde, und die Häuserreihe an der Isar - sonst gab es westlich des Flusses noch nichts.

Tölz bestand in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem aus der Marktstraße und einigen bebauten Nebenstraßen. Auffällig ist, dass auf der Katasterkarte der Schlossberg südlich des Zentrums ein freies Feld war, heute stehen dort zum Beispiel das Rathaus, das Greiner-Kulturhaus, das Planetarium und das Marionettentheater. Der Grund: Das aus der alten Burg errichtete Schloss rutschte schon 1770 bei einem Unwetter den Hang hinab und wurde nicht mehr aufgebaut. Auf der nördlichen Seite der Marktstraße ist das Wort "Bahnhof" auf der späteren Hindenburgstraße eingezeichnet, die in Richtung Norden führt, wo der erste Bahnhof gebaut wurde. Tölz wurde allerdings erst 1874 an die Bahnstrecke von Holzkirchen her angeschlossen.

Das Stadtbild sollte sich nach 1858, als das Katasterbild entstand, schnell ändern. Durch die Entdeckung der Jodquellen kamen immer mehr Gäste in die Stadt. Den Titel "Bad" bekam Tölz am 22. Juni 1899. Dadurch entstanden das Kurviertel und andere Stadtteile. Vor allem der Münchner Architekt Gabriel von Seidl prägte das Bild von Bad Tölz durch neue Gebäude und seinen Kampf für den Erhalt der Giebelfassen in der Marktstraße.

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