BCF protestiert:"Unsere Kinder brauchen unsere Sporthalle zurück"

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Seit eineinhalb Jahren dient die Mehrzweckhalle als Unterkunft für Flüchtlinge. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Wolfratshauser Sportverein demonstriert gegen die anhaltende Unterbringung Geflüchteter. Vorsitzender Manfred Fleischer spricht von 150 Austritten. Seine Forderung sei "existenziell".

Von Celine Chorus und Benjamin Engel, Wolfratshausen

In Wolfratshausen fürchtet der Ballspielclub Farchet (BCF) um sein Weiterbestehen, weil seit März 2022 Geflüchtete in der Mehrzweckhalle untergebracht sind. Seitdem fehlt dem Verein der Raum für Sportaktivitäten. Am kommenden Freitag, 20. Oktober, geht der BCF dafür unter dem Motto "Unsere Kinder brauchen unsere Sporthalle zurück" auf die Straße. Ein Demonstrationszug durch den Stadtteil soll verdeutlichen, wie ernst die Lage aus Vereinssicht ist.

"Für uns ist es existenziell", sagt Manfred Fleischer. Der BCF-Vorsitzende und Stadtrat (Wolfratshauser Liste) spricht von mehr als 150 Personen, die den mehr als tausend Mitglieder starken Verein verlassen hätten. Es gebe keine Tischtennis-Nachwuchsabteilung mehr, die Badminton-Abteilung sei eingebrochen, so Fleischer. Alle Appelle an Landkreis und Stadt, Alternativen für eine Flüchtlingsunterkunft zu finden und die Mehrzweckhalle so wieder für den Verein bereitzustellen, seien bislang erfolglos. "Wenn kein Resultat erreicht wird, muss sich der Verein mit dem Thema in Erinnerung rufen", sagt der BCF-Vorsitzende.

Für die schwierige Vereinssituation macht er primär den Landkreis verantwortlich. Um die Geflüchteten unterzubringen, habe die Kreisbehörde die Mehrzweckhalle vor eineinhalb Jahren "beschlagnahmt". Keine andere reine Sporthalle eines Sportvereins im Landkreis sei belegt. "Wieso soll der BCF die ganze Last tragen?", fragt Fleischer. Bis Jahresende seien die Zuweisungen weiterer Geflüchteter in den Landkreis wegen des Hagelunwetters von Ende August gestoppt. Die Stadt Wolfratshausen habe dem Landratsamt Grundstücke für potenzielle Unterkünfte angeboten. Das müsse der richtige Zeitpunkt sein, um eine Lösung zu finden.

Landrat Niedermaier spricht von Ablehnung statt Lösungsansätzen

Das Landratsamt betont auf Anfrage, dass man es sich nicht leisten könne, auf Objekte, die schnell als Unterkunft zur Verfügung stehen, zu verzichten. "Hierzu gehören nun einmal bestimmte landkreiseigene Turnhallen", so Landrat Josef Niedermaier (FW). Die Mehrzweckhalle in Wolfratshausen sei geeignet, da hier noch alle Pläne aus 2015 vorgelegen hätten. Sie bilde die erste Anlaufstelle für den Bus, mit dem die zugewiesenen Menschen ankommen. Von dort würden sie normalerweise innerhalb weniger Wochen in Unterkünfte gebracht, sofern es freie Plätze gibt. "Unser Credo ist, so wenige Turnhallen wie möglich zu belegen. Doch angesichts der Situation müssen wir froh sein, wenn nicht mehr Turnhallen als bis dato belegt werden." An der Nutzung der Mehrzweckhalle in Wolfratshausen werde das Landratsamt mit Blick auf die Prognosen festhalten müssen.

Den Bürgermeistern habe er im Juni angekündigt, dass Geflüchtete ab dem Zeitpunkt, an dem der Landkreis keine Unterkünfte zur Verfügung hat, auf die Gemeinden verteilt werden. "Durch das Hagelunwetter kam es hier zu einem Aufschub", erklärt Niedermaier, "das ändert aber nichts daran, dass die Gemeinden die Menschen unterbringen müssen." Auch der Landkreis suche weiterhin nach Unterkünften sowie Grundstücken, die erschlossen und für eine Unterkunft genutzt werden können. "Dazu finden Gespräche mit Bürgermeistern, Investoren und auch dem Freistaat statt."

Derzeit hat der Landkreis etwas mehr als 3000 Geflüchtete aufgenommen, von denen knapp 540 in Wolfratshausen untergebracht wurden. Diese Zahl wird laut Niedermaier aber spätestens von Januar an steigen. Dann sollen dem Landkreis mindestens alle zwei Wochen 50 Personen zugewiesen werden. Ob Turnhallen neu belegt werden, sei von der Zahl anderer Unterkünfte abhängig. In der Regel gebe es großen Widerstand, sobald publik werde, dass ein Objekt Flüchtlingsunterkunft werden könnte. Die Erfahrungen hätten das Landratsamt immer wieder gelehrt, dass größere Unterkünfte nicht akzeptiert würden. "In der Mehrzahl der Diskussionen schlägt dem Landratsamt Ablehnung entgegen statt wirkliche Lösungsansätze."

Steht nicht zu befürchten, dass sich Menschen mit rechtsextremistischen Parolen unter die Demonstrierenden des BCF mischen könnten? Fleischer blockt ab, sagt, er beantworte "Suggestivfragen" nicht. "Mich beunruhigt, dass unsere Kinder und Jugendlichen seit eineinhalb Jahren keinen Sport treiben können", so der Vereinsvorsitzende. Der BCF organisiere eine Kundgebung für seinen Nachwuchs, nicht gegen Geflüchtete.

Der Demonstrationszug durch Farchet soll ausdrücklich nicht an der Mehrzweckhalle vorbeiführen, um Geflüchtete nicht zu beunruhigen.

Die Kritik des BCF könne er nachvollziehen, eine schnelle Lösung aber nicht bieten, so Klaus Heilinglechner: "Ich kann die Leute verstehen, aber nichts ändern." Der Wolfratshauser Bürgermeister bestätigt, dass die Stadt dem Landratsamt zwei Grundstücke von Privatleuten als potenzielle Unterkünfte für Geflüchtete angeboten habe. Für eines habe die Regierung von Oberbayern schon den Mietvertrag geschlossen. Mit dem Landratsamt sei laut Heilinglechner abgesprochen, dass die Mehrzweckhalle frei werde, sobald es Alternativen gebe.

Wie lange es dauert, bis solche Container-Leichtbauten stehen, zeigt Münsing beispielhaft. Der dortige Gemeinderat hat im August einen Antrag für diese Bauform gebilligt. Voraussichtliche Fertigstellung: Zweites Quartal 2024.

Wie sich die Unterbringung im Landkreis verteilt

Etwa 3000 Geflüchtete (Stand September 2023) fallen derzeit in den Zuständigkeitsbereich des Landratsamts. Etwa 1400 von ihnen stammen aus der Ukraine, die übrigen 1600 Menschen kommen aus anderen Ländern. Über die 21 Kommunen sind die Geflüchteten sehr ungleich verteilt. Etwa zwei Drittel davon leben in den drei Städten Bad Tölz, Geretsried und Wolfratshausen. Diese Kommunen übererfüllen ihre Unterbringungsquoten deutlich: So müsste Bad Tölz nach dem Königsteiner Schlüssel 447 Menschen aufnehmen - de facto leben aber zurzeit 811 Geflüchtete in der Kreisstadt. Auch die beiden Gemeinden Kochel am See (+23) und Jachenau (+3) haben mehr Geflüchtete aufgenommen als gefordert.

Um die Zielmarke zu erreichen, müssten Dietramszell um die 100, Münsing um die 65 und Eurasburg um die 60 Geflüchtete zusätzlich aufnehmen. In Greiling wären es um die 30, in Sachsenkam um die 25 Personen. Alle fünf Orte zählen zu jenen, in welche die Kreisbehörde ab September vermehrt Geflüchtete verteilt hätte. Infolge des Hagelunwetters wurden weitere Zuweisungen in den Landkreis allerdings bis zum Jahresende ausgesetzt.

Auch andere Gemeinden, in denen die Unterbringungsquote nicht erfüllt wird, müssen sich auf weitere Zuweisungen einstellen: Benediktbeuern und Egling haben um die 50, Gaißach und Wackersberg um die 40 Personen weniger aufgenommen als gefordert. In Bichl und Lenggries müssten um die 30, in Icking und Bad Heilbrunn um die 20, in Reichersbeuern und Königsdorf um die zehn sowie in Schlehdorf fünf Menschen zusätzlich untergebracht werden.

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Kommentar von Felicitas Amler

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