Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Das Beste zum Schluss

Die letzte Ausstellung im temporären Wolfratshauser Kunstgewölbe ist den Beteiligten überraschend japanisch geraten - ein Dreiklang aus Ruhe, Fülle und Harmonie.

Von Stephanie Schwaderer

Das Geheimnis dieser Ausstellung liegt womöglich rechts hinten im Gewölbe, sauber zusammengefaltet und im Inneren einer roten Papier-Kachel verborgen, auf deren Vorderseite sich ein Berg zu erheben scheint. Marianne Süßbauer hat das Zettelchen vor einigen Tagen in die dafür vorgesehene Öffnung auf der Rückseite gesteckt. "Samenbilder" nennt die Mooseuracher Künstlerin diese neuen Arbeiten, die Wünschen und Visionen Raum geben sollen - "einem Potenzial, das in die Welt kommt".

Was immer sie auf das Papier geschrieben hat - es war "ein Wunsch für diese Ausstellung" -, die Sache scheint in die richtige Richtung zu gehen: Schon Tage vor der Vernissage klopften Leute an die Glastür am Obermarkt 23 und baten um Einlass. "Wir hatten viele interessante Gespräche", sagt Sabine Turpeinen, "aber irgendwann mussten wir zusperren, weil wir sonst nicht fertig geworden wären." Vier Tage lang hat die Keramikerin aus Beuerberg zusammen mit Marianne Süßbauer und der japanischen Papierkünstlerin Mari Watanabe aus München in dem leer stehenden Geschäft Podeste aus Kartons und Wabenpappe aufgebaut, Schüsseln, Kannen und Skulpturen aufgestellt und verschoben, Bilder gehängt, hingespürt und wieder neu platziert. Das Ergebnis: ein Dreiklang aus Ruhe, Fülle und Harmonie.

Alle drei Frauen arbeiten mit Natur-Materialien, vor allem Ton und Papier. Dennoch gibt es in dieser Gemeinschaftsausstellung, in die auch zwei Männer eingebunden sind, offenbar keinerlei Konkurrenz, keine Abgrenzung. Im Gegenteil: Die Arbeiten sind so arrangiert, dass sie sich ergänzen, beflügeln. Eine schwere, erdverbundene Venus aus dem Mooseuracher Brennofen hockt vor der Hintertür und lotst Besucher aus der Loisachpassage zu luftigen Arbeiten aus Japanpapier. Unter einer großen Kalligrafie von Watanabe mit faustdickem Pinselstrich stehen Turpeinens zarte Teeschälchen, jedes ein Unikat.

Zusammengetan haben sich die drei beim ersten Treffen im Haus der Gastgeber, Walter und Luise Seemayer, in Königsdorf. "Wir wollten etwas aus einem Guss machen", erklärt Turpeinen, "keinen Eintopf." Um Ruhe sollte es gehen und um natürliche Arbeitsstoffe. "Ton-Holz-Metall-Papier" ist die Schau überschrieben, mit der das "Kunstgewölbe" zum sechsten und letzten Mal bespielt wird. "Dass es immer japanischer geworden ist, hat uns selbst überrascht", sagt Marianne Süßbauer. Mari Watanabe hat aus Kyoto sogenannte Katagami eingeflogen, hauchfein geschnittene Färbeschablonen zum Gestalten von Kimonos, zu denen sie einen Workshop anbietet (siehe Begleitprogamm). Turpeinen zeigt neben Alltagsgeschirr eine Auswahl ihrer Blüten-Schalen, mit denen sie sich deutschlandweit in der Ikebana-Szene einen Namen gemacht hat, und Gefäße für Teezeremonien: schlichte Formen mit aufregenden Details, exzentrischen Öffnungen oder Croquelee-Glasuren. Sie hat auch einige Arbeiten des kalifornischen Künstlers Marc Lancet mitgebracht, mit dem sie unlängst gemeinsam in den USA ausgestellt hat. Lancet befasst sich seit 25 Jahren mit dem japanischen Holzbrand und hat dazu ein Buch geschrieben, das mittlerweile so etwas wie eine Keramiker-Bibel ist. Einer seiner Mizusashis (Quellwasserbehälter), der nun im Obermarkt steht, sieht aus, als habe man ihn gerade unter den Fundamenten der Wolfratshauser Burg ausgebuddelt.

Marianne Süßbauer huldigt in ihrem Gewölbe vor allem der Erde und den Pflanzen. Tausende Samenkörner, Blüten und Blätter hat sie in Papier geschöpft oder auf Papier arrangiert - Wilde Myrrhe und Engelwurz, Beifuß und Brennnessel. Auch Besucher bekommen von ihr Papierchen mit eingeschöpften Samen geschenkt - ob es sich um Blumen oder Gemüse handelt, muss jeder selbst herausfinden. Otto Süßbauer hat einige seiner großen Holz- und Metallkugeln beigesteuert. Sie liegen scheinbar schwerelos im Raum und sind die i-Tüpfelchen der Schau.

Ans Geld dürfe man bei solchen Aktionen nie denken, sagt Turpeinen wenige Stunden vor der Vernissage. Diesen Raum zu gestalten sei für sie ein Geschenk gewesen: "Für uns hat sich diese Ausstellung schon gelohnt."

Bis 30. September, Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 13 bis 17 Uhr

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Quelle:
SZ vom 15.09.2016
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