Bürgerentscheid gescheitert:Kein Bürgerladen in Wolfratshausen

Rund 63 Prozent der Wähler stimmen für den Standort am Untermarkt 10. Warum das nicht reicht.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Es wird keinen Bürgerladen im Untermarkt 10 geben. Der vierte Bürgerentscheid in der Stadtgeschichte Wolfratshausens ist denkbar knapp gescheitert, nämlich an einer prozentualen Hürde.

Obwohl am Sonntag 2487 Stimmberechtigte, also 63,4 Prozent mit Ja und somit klar für einen Bürgerladen am Untermarkt 10 votierten, war damit das Quorum nicht erreicht: Um den Entscheid durchzusetzen, hätten 20 Prozent aller 14682 wahlberechtigten Wolfratshauser mit Ja stimmen müssen, also genau 450 Bürger mehr.

Bürgermeister nervöser als vor Kommunalwahl

Rund 40 Minuten, nachdem die Wahllokale am Sonntag geschlossen und die Stimmen ausgezählt waren, stand fest: "Der Bürgerentscheid ist gescheitert", erklärte Verwaltungsdirektor Franz Gehring im Sitzungssaal des Rathauses. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) hatte kurz zuvor sichtbar angespannt erklärt, vor dem Ergebnis des Bürgerentscheids "nervöser zu sein als vor der Kommunalwahl". Obwohl die grünen Balkendiagramme der Ja-Stimmen von 18.19 Uhr an in jedem Wahlbezirk die roten Nein-Stimmen überstiegen, reichte es am Ende doch nicht.

Bürgerentscheid gescheitert: Als das Aus für das Projekt am Untermarkt 10 besiegelt war, blieb Bürgermeister Klaus Heilinglechner regungslos sitzen - und rang um Fassung.

Als das Aus für das Projekt am Untermarkt 10 besiegelt war, blieb Bürgermeister Klaus Heilinglechner regungslos sitzen - und rang um Fassung.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Heilinglechner hatte sich persönlich für den Standort am Untermarkt eingesetzt. Zu Verwerfungen kam es zwischen dem Rat und dem Bürgermeister, als dieser die Räte nicht rechtzeitig über die Kostensteigerung informiert hatte. Seither hatte das Objekt am Untermarkt 10 immer mehr Kritiker auf den Plan gerufen, bis sich zuletzt erstmals 16 Stadträte aus versammelter CSU, SPD und Mitgliedern der BVW gegen das Projekt in diesem Gebäude aussprachen.

In den vergangenen Wochen hatten schließlich zwei Gruppen mit öffentlichen Veranstaltungen, Info-Ständen und Plakaten um Stimmen geworben: Auf der einen Seite die Bürgerladen-Initiative um Ernst Gröbmair und Eberhard Hahn, auf deren Bestreben hin der Bürgerentscheid überhaupt zustande gekommen ist. Auf der anderen Seite die 16 Stadträte um Günther Eibl (CSU), Fritz Schnaller und Fritz Meixner (SPD), die einen Bürgerladen woanders unterbringen und im Untermarkt etwa das Heimatmuseum erweitern möchten.

Stimmbeteiligung bei 26,8 Prozent

Insgesamt 3921 Wolfratshauser hatten daraufhin am Sonntag in den fünf Wahllokalen oder per Briefwahl gültige Stimmen abgegeben - das entspricht einer Wahlbeteiligung von 26,8 Prozent. Die Frage, ob der Beschluss des Stadtrates vom 7. Juli 2015 aufgehoben und im städtischen Gebäude in Wolfratshausen, Untermarkt 10, ein Bürgerladen eingerichtet werden soll, beantworteten zwar lediglich 1434 Bürger mit Nein. Dennoch gilt aufgrund des Quorums nun der gefasste Beschluss vom 7. Juli: Die denkmalgeschützte Immobilie in der Altstadt wird in Erbpacht einem Investor überlassen, der das Haus sanieren muss und dann vermieten kann. Da er dies zum ortsüblichen Preis tun dürfte, ist die Bürgerladen-Gruppierung außen vor, weil sich das Projekt nur bei subventionierter Miete rechne.

Dass das Quorum der Knackpunkt werden würde, zeichnete sich bereits am Nachmittag ab. Denn obwohl sich vorab schon über 1300 Stimmberechtigte per Briefwahl entschieden hatten, herrschte in den fünf Wahllokalen kein großer Andrang. In Farchet etwa, das 3621 Wahlberechtigte und 350 Briefwähler zählt, hatten bis zwei Uhr nachmittags gerade einmal 345 Wähler ihr Kreuzchen gemacht, also weniger als zehn Prozent. Bis zur Schließung des Wahllokales wuchs die Zahl immerhin noch auf 662.

Bürgerentscheid gescheitert: 14 682 Wähler waren aufgerufen, zu entscheiden, 3921 gültige Stimmen wurden abgegeben. Doch am Ende fehlten 450 Ja-Stimmen für den Bürgerladen.

14 682 Wähler waren aufgerufen, zu entscheiden, 3921 gültige Stimmen wurden abgegeben. Doch am Ende fehlten 450 Ja-Stimmen für den Bürgerladen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Nikolaus-Wunsch: "Ein Bus voll Wähler"

Statt eines ruhigen Sonntags wünschte sich Wahlhelfer Roland Zürnstein deshalb zu Nikolaus "lieber einen Bus voll Wähler". In Waldram, das 2722 Wahlberechtigte und 220 Briefwähler zählt, hatten zur selben Zeit nur 216 Bürger ihre Stimme abgegeben, nach 18 Uhr waren es 451. "Der Bürgerladen ist hier nicht das große Thema", sagte ein 26-jähriger Student. Er hatte mit Nein gestimmt, "weil es Geldverschwendung ist und kein Waldramer was davon hätte", sagte er.

Heilinglechner selbst blieb, nachdem gegen 18.40 Uhr das Ergebnis feststand, minutenlang fast regungslos auf seinem Stuhl sitzen, die Augen auf die Diagramme gerichtet. Stille kehrte im Rathaussaal ein, auch die Stadträte, die zuvor für Nein plädiert hatten, jubelten nicht. Als Gewinner des Abends fühlte sich ganz offensichtlich niemand.

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