Wolfratshausen:Bürger sollen über Archiv entscheiden

Kehrtwende im Dauerstreit um das Projekt - jetzt steht ein Ratsbegehrenzur Debatte.

Von Matthias Köpf

Angesichts des wachsenden Widerstands gegen das geplante Stadtarchiv am Loisachufer will der Wolfratshauser Bürgermeister Helmut Forster (BVW) die Bürger über den umstrittenen Neubau entscheiden lassen. Der Stadtrat soll dazu am kommenden Dienstag ein Ratsbegehren beschließen, das in einen Bürgerentscheid münden würde. Als Termin dafür hat Forster den 25. Mai im Auge. An diesen Tag wählen die EU-Bürger das neue Europaparlament. Die Wolfratshauser könnten dann zugleich über das Stadtarchiv abstimmen.

Bisher hatte Forster darauf bestanden, den Stadtrat nach der gescheiterten Abstimmung vom Dezember am Dienstag ein zweites Mal über die beiden letzen verbliebenen Entwürfe aus dem Architektenwettbewerb entscheiden zu lassen. Inzwischen haben zwei Bürger zu einer Demonstration gegen das Vorhaben an diesem Samstagvormittag am Marienplatz aufgerufen, und auch viele Stadträte waren nicht mit Forsters Vorgehen einverstanden. Auch innerhalb seiner BVW-Fraktion gab es hinter vorgehaltener Hand einige Kritik. SPD-Fraktionssprecher Fritz Schnaller hatte nach eigenen Angaben bis Donnerstag eine Mehrheit von 13 Stadträten aus allen vier Fraktionen organisiert, um das Thema Stadtarchiv am Dienstag von der Tagesordnung nehmen und vom künftigen Stadtrat ganz neu aufrollen zu lassen. Noch am späten Nachmittag schickte Forster den Amtsboten los, um den Stadträten eine Aktualisierung der Tagesordnung zuzustellen - also fristgerecht, wie Forster versichert.

Diese neueste Volte beschäftigte die Stadträte am Abend etwa im Schützenhaus in der Geltinger Straße, wo SPD-Bürgermeisterkandidat Fritz Meixner einem knapp 60-köpfigen Publikum einen entspannten Kulturabend bescherte, an dem Uli Mauk Lieder sang und Claus Steigenberger Geschichten las wie die von Oskar Maria Graf über seine Firmungsfeier im Wolfratshauser Humplbräu. Justament dort machte zur selben Zeit die CSU Wahlkampf im vollen Nebenzimmer, wo Räte und Kandidaten nach Forsters Schachzug ebenfalls die Köpfe zusammensteckten.

Die Entscheidung war am Nachmittag in einem kleinen Kreis im Rathaus gefallen. Der Bürgermeister begründete diese Wende am Freitag mit den Erfahrungen vom Vortag, als die Stadt die Siegermodelle des Architektenwettbewerbs noch einmal im Bürgerbüro ausgestellt hatte. Dabei habe er feststellen müssen, dass die Menschen über das Projekt "überhaupt nicht informiert sind", obwohl man das Thema im Rat und in den Ausschüssen meistens öffentlich behandelt habe. Auch der Initiator der Demonstration sei unter den rund 35 Besuchern der improvisierten Ausstellung gewesen und habe bekannt, sich zuvor noch nicht über die Pläne für das informiert zu haben, was er in seinem Aufruf "Monsterbau" nennt. Angesichts dessen wolle er die Wolfratshauser noch einmal über das Projekt aufklären, sagte Forster und nannte dazu unter anderem eine Informationsveranstaltung im April in der Loisachhalle. Danach sollten die Bürger am 25. Mai selbst entscheiden, denn er wolle von Bürgerbeteiligung nicht nur reden, sondern sie leben, und ein Bürgerentscheid sei "100 Prozent Bürgebeteiligung", sagte Forster, dessen Amtszeit am 30. April endet. Er hoffe, dass das Thema nun aus dem Wahlkampf herauskomme.

Mit einer Mehrheit für ein Ratsbegehren am Dienstag würde sich eine neuerliche Entscheidung über die beiden schon einmal durchgefallenen Archiv-Modelle erübrigen. An der Formulierung der Fragen, die Forster den Bürgern stellen will, wurde am Freitagnachmittag noch gefeilt. Ersten Überlegungen zufolge soll sich eine Frage auf den Standort Loisachufer beziehen und gegebenenfalls weitere auf das dort zu bauende Modell. Die anderen Fraktion sind über Nacht zu einer positiven Einschätzung von Forsters überraschendem Befreiungsschlag gelangt. CSU-Bürgermeisterkandidat Peter Plößl nannte einen Bürgerentscheid per Ratsbegehren am Freitag "einen guten Weg", der auf jeden Fall besser sei als eine bloße Vertagung im Rat. SPD-Fraktionssprecher Schnaller wählte ähnliche Worte. Das Vorgehen räume die bisherigen Bedenken hinsichtlich Transparenz und Bürgebeteiligung zum Großteil aus. Nun sei Gelegenheit, zu allen Aspekte die nötigen Informationen auf den Tisch zu legen und auch andere Standorte als das Loisachufer seriös zu prüfen.

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