Podium zur Bundestagswahl in Wolfratshausen:Politisches Farbspiel

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Grün oder Rot - Ja oder Nein? Die befragten Politiker müssen sich auf fünf Fragen jeweils positionieren. (Foto: Felicitas Amler/oh)

Im Erinnerungsort Badehaus antworten Bundestagskandidaten mit Rot oder Grün auf Fragen zu Demokratie und Kultur. Einigkeit herrscht nur im Glauben an die Kraft der Volkssouveränität.

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Am Ende stehen alle auf Grün. Die Vertreter von CSU, SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern sind sich bei der Schlussfrage absolut einig: Die liberale Demokratie – das Thema, um das sich am Samstagabend im Erinnerungsort Badehaus alles dreht – könne „autokratischen Mächten das Wasser reichen“. Ganz anders hat sich die Szenerie bei den vier vorangegangenen Fragen gezeigt, die das junge Team der „Badehäusler“ vorbereitet und gestellt hat. Der Raum unterm Dach des Hauses am Waldramer Kolpingplatz ist dazu eigens umgestaltet worden. Statt eines Podiums an der Stirnseite dient ein Stehtisch in der Mitte fürs Gespräch. Und zu den Fragen müssen sich die Politiker dann jeweils positionieren. Auf dem Boden ist auf der einen Raumseite ein grüner Streifen, auf der anderen ein roter markiert. Für nicht ganz eindeutige Antworten gibt es jeweils ein grün oder rot schraffiertes Feld.

Eine Frau ist nicht unter den Bewerbern für den Bundestag: Felix Leipold, Alexander Radwan, Karl Bär, Robert Kühn und Tim Sachs (von links). (Foto: Manfred Neubauer)
Dafür oder dagegen? Jonathan Coenen und Sybille Krafft stimmen mit ab. (Foto: Manfred Neubauer)

Demokratiefördergesetz, verpflichtendes Dienstjahr, Erinnerungskultur, Regulierung sozialer Medien – das sind die vier Fragen, auf die der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan, Grünen-MdB Karl Bär, die Kandidaten Tim Sachs (FDP) und Felix Leipold (FW) sowie der als Ersatz für den erkrankten SPD-Bewerber Raffael Joos eingesprungene Bad Wiesseer Bürgermeister Robert Kühn (SPD) sehr unterschiedlich antworten.

„Nicht ein Blick ins Grundgesetz“

Deutlich zeigen sich die unterschiedlichen Meinungen zu einer gesetzlichen Verankerung der finanziellen Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Klares Ja von Karl Bär. Er nennt als Beispiel Initiativen, die Opfer rechtsextremer Gewalt beraten und jedes Jahr aufs Neue um ihre Unterstützung bangen müssen. Zustimmung von Robert Kühn, der eine „dauerhafte und verlässliche Finanzierung“ fordert. Skepsis bei Tim Sachs, dessen Partei das Demokratiefördergesetz der Ampel abgelehnt hat. Er befürchtet einseitige Finanzierung „linker und grüner Vorfeldorganisationen“. Felix Leipold sagt, „solche Einrichtungen wie hier“ – also der Erinnerungsort Badehaus – müssten unterstützt werden. Er sieht aber schon früher Handlungsbedarf: „Demokratie beginnt in der Schule.“ Bei ihm sei „in zehn Jahren Mittelschule nicht ein Blick ins Grundgesetz geworfen“ worden. Radwan schließlich bezeichnet ein Demokratiefördergesetz als „Augenwischerei“. Wer nicht wolle, dass sich Menschen „rechts wie links radikalisieren“, müsse diese „abholen und ihre Themen aufgreifen“. Was er konkret meint: „Die wirtschaftliche Situation, Migration und die außenpolitischen Herausforderungen.“

Es sind genau jene Fragen, die das ehrenamtliche Badehaus-Team ausdrücklich ausgeschlossen hat. Christine Hansen, Rhiannon Moutafis, Jonathan und Joseph Coenen haben sich bewusst auf die Felder Kultur/Medien und Demokratie konzentriert. Zu den einzelnen Fragen haben sie jeweils einen kurzen „Faktenhagel“ vorbereitet. So erfährt das Publikum im ausverkauften Badehaus etwa, dass im Jahr 2024 rechtsextreme Taten um mehr als 17 Prozent angestiegen sind. Und Hansen erwähnt hier als aktuelles lokales Beispiel die Verwüstung des Hauses von Resi Harth mit faschistischen Parolen und Zeichen.

„Unsere ureigene deutsche Verantwortung“

Sehr differenziert sprechen die Politiker über Erinnerungskultur. Die Frage lautet, ob diese wie bisher von KZ-Gedenkstätten bis zu Stolpersteinen reichen solle, oder ob sie „neu gedacht“ werden müsse. Hansen erinnert an die Idee der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), auch die deutsche Kolonialismus-Geschichte aufzugreifen und „eine Erinnerungspolitik für die Einwanderungsgesellschaft zu gestalten“. Robert Kühn kann gar nicht schnell genug auf Rot springen. Nein, sagt er. Die deutsche Nazi-Geschichte ist für ihn der Kern der Erinnerungskultur, um so mehr, als „dieses Grundübel“, wie er den Rechtsextremismus nennt, in vielen Ländern, von Österreich bis zu den USA, wieder um sich greife. Die Erinnerung an die NS-Verbrechen sei „unsere ureigene deutsche Verantwortung“.

Die Moderatorinnen: Rhiannon Moutafis und ... (Foto: Manfred Neubauer)
... Christine Hansen. (Foto: Manfred Neubauer)

Bär sieht es einerseits wie Kühn, gibt aber zu bedenken, dass in Deutschland „immer mehr Leute mit Migrationshintergrund“ lebten; es sei gefährlich, dies zu ignorieren. Und die Erinnerung an deutsche Verbrechen müsse auch die Kolonialzeit umfassen, etwa den Völkermord an den Herero und Nama. Dies sei möglich, ohne die NS-Zeit zu relativieren, so Bär. Es gehe vielmehr um „Kontinuitäten in Personal und Vorgehensweisen“. Radwan, der sich als „dem Badehaus sehr verbunden“ bezeichnet, möchte die Erinnerungskultur bewahren, wie sie ist. Gleichzeitig macht er darauf aufmerksam, dass es für das Verständnis dessen, was aktuell im Nahen Osten passiert, „natürlich notwendig ist, etwas über die Kolonialzeit zu wissen“.

Auch das Publikum stimmt ab. Initiativen wie der Erinnerungsort Badehaus würden demnach grundlegende finanzielle Unterstützung erhalten. (Foto: Felicitas Amler/oh)

Das Publikum begleitet alle Fragen mit eigenen Abstimmungen, wozu rote und grüne Stimmzettel ausgeteilt worden sind. Bei der Frage nach struktureller Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen wie dem Badehaus-Verein schnellen fast alle grünen Karten nach oben. Eine eindeutige Mehrheit für die Erfüllung des dringenden Wunsches des Teams um die Vorsitzende Sybille Krafft, nach grundlegender und sicherer finanzieller Förderung.

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