Süddeutsche Zeitung

Wolfratshausen:Ausverkauf am Untermarkt

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Im Isar-Kaufhaus beginnt der Schlussverkauf. Wenn die Familie Holthaus nach dem Weihnachtsgeschäft endgültig die Schlüssel abgibt, endet auch ein Stück Wolfratshauser Gewerbegeschichte.

Wolfgang Schäl

Auch wenn es sich viele noch gar nicht wirklich vorstellen können: Der Countdown für das Wolfratshauser Isarkaufhaus beginnt an diesem Mittwoch mit dem großen Räumungsverkauf, früher als ursprünglich geplant. Es sei noch viel Ware da, und die müsse in den kommenden sechs Wochen verkauft werden, teilte Kaufhaus-Inhaber Frederik Holthaus am Dienstag mit.

Er habe zum Abschied aber auch zusätzlich Ware eingekauft, die er mit einem Rabatt von 20 Prozent weitergeben will. Die Buchabteilung ist bereits ausgelagert, die Spielwarenabteilung ist ausgedünnt, und die Postagentur wurde schon Ende August an das Schreibwarengeschäft Krell in der Obermarkt-Passage weitergereicht. Noch vor Jahresende gehen im Isar-Kaufhaus dann die Lichter aus, das exakte Datum steht noch nicht fest. Sicher ist nur: Das Weihnachtsgeschäft wird noch abgewickelt, spätestens am 31. Dezember muss Holthaus den Schlüssel an die Hauseigentümerin Angela Scheller übergeben. Alles, was bis dahin nicht verkauft ist, kommt ins Geretsrieder Isar-Kaufhaus.

Die Stimmung bei den Mitarbeitern sei "traurig, aber gefasst", man mache sich auf "ein trübseliges Weihnachten" gefasst, sagte Holthaus am Dienstag. Auch von Kunden werde er jeden Tag angesprochen. Positiv an der Geschäftsaufgabe in Wolfratshausen ist aus seiner Sicht immerhin eines: 25 der 37 Mitarbeiterinnen haben eine neue Stelle gefunden, und es seien durchaus auch die älteren Kräften wieder im regionalen Einzelhandel untergekommen. Darüber freue er sich, "bei aller Trauer". Um den Ausverkauf überhaupt abwickeln zu können, habe er befristet sogar neue Verkäuferinnen einstellen müssen.

Erkennbar schwer fällt der Abschied dem 81-jährigen Seniorchef des Kaufhauses, Otto-Ernst Holthaus, der am Dienstag voller Wehmut damit beschäftigt war, Erinnerungen aus 46 Jahren zusammenzustellen. Es sind Bilder, Dokumente, Werbeanzeigen und Zeitungsberichte, die im Treppenhaus ausgestellt werden, darunter Kurioses wie ein Bild von einem Besuch des Sängers Roberto Blanco, als der noch völlig unbekannt war. Holthaus senior wird in den kommenden Tagen präsent sein, um sich von den Kunden persönlich zu verabschieden. Die alten Bilder, die er ausgesucht hat, rufen ein Stück Wolfratshauser Gewerbegeschichte in Erinnerung, die 1966 begann.

Von anfangs 700 Quadratmetern erweiterte Holthaus senior die Verkaufsfläche nach und nach auf 2200 Quadratmeter. Zu den Einrichtungen, die vielen Wolfratshausern noch in Erinnerung sind, zählt die "Flößerstube" im Dachgeschoss, ein stark frequentiertes Selbstbedienungslokal. Es war mit allerlei Requisiten ausgestattet, die Holthaus von Flößerfamilien gekauft oder geliehen hatte. Das Sortiment wuchs über die Jahre auf 60 000 Artikel. Unter dem Slogan "Alles unter einem Dach" entwickelte sich das Isar-Kaufhaus zu einem "Magnetbetrieb in der Altstadt", wie Frederik Holthaus sagt.

Doch diese Geschäftsidee hat im Lauf der Jahre stark gelitten: Durch das Internet und die großen Discounter-Ketten. "Mahler, Aldi, Lidl - das sind die Kaufhäuser von heute", sagt Frederik Holthaus nicht ohne Bitterkeit. So habe man jedes Jahr an Umsatz verloren, bei gleichzeitig steigenden Kosten - "Frau Scheller hat ja auf die Miete immer großen Wert gelegt". Am Ende könne man eigentlich nur sagen: "Der Markt hat uns aussortiert."

Die Idee, ein Kaufhaus in den neuen Blocks an der Bahnhofstraße einzurichten, hat Holthaus längst verworfen. Dafür sei die Fläche zu klein, möglich ist aus seiner Sicht dort nur Fachhandel. Das aber sei ein ganz anderer Markt, für den man eigene Kenntnisse benötige. Ob es bereits einen Nachfolger für das Haus in der Marktstraße gibt, weiß Holthaus nicht. Wenn es nach seinen Wünschen ginge, wäre es "ein attraktiver Einzelhändler". Ob es so kommt, ist unklar. Die Eigentümerin des Hauses wollte über ihre Pläne gestern keine Erklärung abgeben.

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Quelle:
SZ vom 31.10.2012
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