Wolfratshausen:Auf der Hut vor den Weichmachern

In neueren Kindertagesstätten werden Phthalate vermieden, älteren Einrichtungen mangelt es an Problembewusstsein.

Birgit Lotze

Die Gefahr lauert nicht nur im Spielzeug. Die giftigen Weichmacher sind auch in Teppichen, in der Tapete, in Matratzen, im Plastikgeschirr. Kinder sind in der Krippe und im Kindergarten laut einer Untersuchung des Bundes Naturschutz (BUND) besonders durch Weichmacher gefährdet. Sie stehen im Verdacht, hormonelle Störungen, Unfruchtbarkeit und Allergien auszulösen.

In einigen Einrichtungen weiß man nichts von möglichen Gefahren: "Weich-PVC? Das wurde noch gar nicht diskutiert", sagt eine Erzieherin des Kindergartens am Schlossplatz in Bad Tölz. "Auch von Eltern wurde das noch nicht an uns herangetragen", sagt die Leiterin des Kindergartens in Königsdorf. Sie will sich einlesen und entsprechende Konsequenzen ziehen.

Der BUND hat in den vergangenen Monaten Kindergärten aufgefordert, Hausstaub einzusenden und diesen auf Weichmacher, sogenannte Phthalate, untersucht. Das Ergebnis von 60 getesten Kindergärten: Sie sind im Mittel mit mehr als 3000 Milligramm auf ein Kilogramm Staub belastet, drei mal so hcoh wie der durchschnittliche Haushalt.

In der "Bärenhöhle" der Arbeiterwohlfahrt Geretsried wurde das Thema nicht diskutiert, doch wird seit längerem versucht, die Innenraumbelastung möglichst gering zu halten. "Bei uns liegen die Kinder nie auf der nackten Matratze, sie sitzen am Holztisch und essen von Porzellan", sagt die stellvertretende Leiterin. Die Sportmatten allerdings seien nicht zu ersetzen.

Sehr bewusst gehen die Erzieher im Waldramer Kindergarten mit der Gefahr durch Weichmacher um. Der Kindergarten wurde von vornherein schadstoffarm gebaut, das Spielzeug lagert in Weidenkörben. Pflanzen schaffen ein gutes Raumklima, Der Kindergarten arbeitet viel mit Montessori-Materialien, das sei nicht nur gesund, sondern fördere auch das selbständige Arbeiten, sagt Leiterin Gabriele Kerndl.

In der neuen Zweigstelle in Weidach gibt es noch weniger PVC. "Unser Ziel ist, ganz davon wegzukommen", sagt Gabriele Kerndl. Außerdem werden die Kinder mehrere Stunden täglich an die frische Luft geschickt. Trotzdem möchte die Leiterin dem Träger vorschlagen, den Staub der Kindergärten untersuchen zu lassen. Wenn Giftstoffe im Staub seien, seien Kinder gefährdet. Auch häufiges Saubermachen helfe nicht. "Es wird viel mehr gewirbelt, herrscht viel mehr Bewegung als in einem normalen Haushalt."

Phthalate gasen aus Einrichtungsgegenständen aus und gefährden Kleinkinder besonders. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ist das klar. Der Schutz der Kinder habe höchste Priorität, lässt sie über ihre Sprecher in Berlin ausrichten. Die BUND-Studie solle sorgfältig ausgewertet werden.

Anlass für ein generelles Verbot innerhalb von Kindereinrichtungen sieht sie nicht. Aigner verweist auf die Zuständigkeit des Bundesumweltministeriums. Dort heißt es, Eltern und Kindertagesstätten sollten beim Kauf auf Produkte ohne Weichmacher setzen. Die EU habe Händler und Vertreiber verpflichtet, auf Nachfrage innerhalb von 45 Tagen über die Inhaltsstoffe Auskunft zu geben.

Träger neuerer Kindergärten wollen lieber mehr Geld für ein gesünderes Umfeld ausgeben. Das Kinderhaus, das die Johanniter in Geretsried bauen werden, soll nur mit "gesunden" Möbeln ausgestattet werden. Der Bauherr der TuS-Champini-Kindertagesstätte in Geretsried hat fast ausschließlich ökologisch gebaut: Mit Stein, Holz, Glas und Linoleum, Kleber der nicht ausdünste, sagt Champini-Vertreter Frank Jäger. "Es gibt Werte, nach denen man sich beim Bau und bei der Einrichtung richten kann." Messungen nach der Fertigstellung hätten Werte "nahezu null" gezeigt.

Auch die Kommunen werden künftig die Phthalate berücksichtigen. "Gesetzliche Regelung hin oder her", sagt Wolfratshausens Bürgermeister Helmut Forster. "Bei den Kindern würden wir sicher nicht an der verkehrten Ecke sparen."

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