Die Stadt Wolfratshausen klagt gegen die Baugenehmigung, die das Landratsamt für eine Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet am Hans-Urmiller-Ring 49 erteilt hat. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) argumentierte in der Sitzung des Stadtrats am Dienstagabend, dass er sich aus Lärmschutzgründen um die Wohnnutzung für den Betrieb und um die Entwicklungsmöglichkeiten von Gewerbefirmen sorge. Daher habe er vorsorglich diesen juristischen Schritt unternommen. „Aus Schutzaspekten für die Gewerbebetriebe sind wir verpflichtet, Klage einzureichen“, sagte der Rathauschef. Für dieses Vorgehen stimmte der Stadtrat mit 16 zu sieben Stimmen.
Der Bauausschuss des Gremiums hatte einen Bauantrag für das Vorhaben zwar im Frühjahr mehrheitlich abgelehnt. Das Landratsamt hat sich jedoch darüber hinweggesetzt und beruft sich dabei auf den modifizierten Paragrafen 246, Absatz 10, Baugesetzbuch, wonach in Gewerbegebieten für Unterkünfte von Geflüchteten von den Festsetzungen des Bebauungsplans abgewichen werden könne.
Die Stadt sei es den Gewerbebetrieben schuldig, das Thema juristisch überprüfen zu lassen, so der Bürgermeister
Angesichts dessen sei es die Stadt den Gewerbebetrieben schuldig, juristisch sauber prüfen zu lassen, wie sich das auf ihre Existenz auswirken könne, sagte Bürgermeister Heilinglechner. Zugleich verwies er darauf, dass im Gewerbegebiet noch eine zweite Unterkunft für 150 Geflüchtete an der Königsdorfer Straße kommen werde. Ein Mitarbeiter der Kreisbehörde habe noch ein drittes Quartier für 100 Geflüchtete im gleichen Gebiet angekündigt.
Wie Heilinglechner angab, habe er die Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring bislang immer unterstützt – auch unter dem Aspekt, die seit März 2022 von Flüchtlingen belegte Mehrzweckhalle im Stadtteil Farchet möglichst schnell freizubekommen. Ob das klappe, da sei er sich nicht sicher, so der Bürgermeister. „Auf ein Wort des Landrats gebe ich momentan nichts. Er ist selbst in einer misslichen Lage.“ Wolfratshausen biete bereits 680 Geflüchteten Schutz. Jetzt könnten noch mal an die 400 Personen hinzukommen. „Ich habe die soziale Aufgabe immer sehr ernst genommen, aber irgendwann geht es nicht mehr.“
Meixner zweifelte an der Integrations- und Leistungsfähigkeit der Stadt
In der Stadtratsdebatte vermischte sich die Klage zum Schutz der Gewerbebetriebe mit generellen Aspekten zur Integrationsfähigkeit der Kommune für Geflüchtete. An der zweifelte Fritz Meixner (SPD). „Wir als Stadt Wolfratshausen schaffen das nicht“, sagte der Stadtrat und Schulentwicklungsreferent. Schon jetzt seien die Bildungseinrichtungen von der Krippe bis zu den Schulen durch Personalmangel von Lehrkräften und ein immer stärker werdendes Leistungsgefälle von Kindern und Jugendlichen stark belastet. Obendrauf komme der Nachwuchs von Geflüchteten, der viele Belastungen mitbringe. Das sehe er „mit großer Sorge“, so Meixner. Gleichzeitig sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Stadt nicht berauschend. Allein mit Blick auf die Finanzen sei die Stadt verpflichtet, die Frage des Lärmschutzes im Gewerbegebiet auf dem Klageweg juristisch zu klären, so Meixner.
Als legitime Option bezeichneten dies auch der Zweite Bürgermeister Günther Eibl (CSU) und die CSU-Fraktionsvorsitzende Claudia Drexl-Weile. Für Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste) ist die Debatte für oder gegen Asyl bei der Frage der Klage nicht entscheidend. Aus seiner Sicht seien die Erfolgsaussichten außerordentlich gering. Im Gewerbegebiet existierten bereits soziale Einrichtungen wie ein Kindergarten und Dienstwohnungen. Zum Immissionsschutz gebe es generelle Vorgaben für Unternehmen. Die Klage verzögere die Unterkunft nur, meinte Fleischer. Vorrangig müsse es darum gehen, die Mehrzweckhalle wieder freizubekommen.
Mit Fleischer stimmten Manfred Menke (SPD) sowie die fünf Grünen-Stadträte Assunta Tammelleo, Jeniffer Layton, dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth, Hans Schmidt und Peter Lobenstein – Hans-Georg Anders (Grüne) fehlte in der Sitzung – gegen eine Klage. Die sei der falsche Lösungsansatz, so Lobenstein. Wie Schmidt betonte er, dass es um eine menschenwürdige Unterbringung der Geflüchteten gehe. Für Tammelleo war aus Wortbeiträgen zu entnehmen, dass die Unterkunft „einfach nicht“ gewollt sei. Sie sei zwar Atheistin. Doch wer sich zum christlichen Glauben bekenne, müsse aus ihrer Sicht einen gewissen solidarischen Gedanken haben, so Tammelleo.