Wolfratshauser Initiative will dranbleiben:„Nicht frustriert aufhören“

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Die Initiative "Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt" sucht noch Mitwirkende. Links Sprecher Martin Lorenz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Aktionsgruppe „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ setzt sich mit Thesen zum Rechtsextremismus auseinander. Demnächst wollen die Ehrenamtlich auf Wochenmärkten das Gespräch suchen.

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Mitmachen ist die Devise des Abends. „Nicht frustriert aufhören!“, so appelliert Martina Schmid am Ende einer Diskussion über manifesten und latenten Rechtsextremismus ans Publikum im Roten Raum des Gasthauses Flößerei. Die Sprecherin von „Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ kündigt an diesem Donnerstagabend an, dass diese Wolfratshauser Initiative jedenfalls weitermache mit ihren Aktionen gegen Rechtsextreme: „Demnächst wollen wir auf die Wochenmärkte gehen und ins Kino.“

Der Referent des Abends hat zuvor betont, dass mehr als siebzig Prozent der Menschen in Deutschland nicht rechtsextrem seien – und auf sie gelte es sich zu konzentrieren und Bündnisse zu suchen, von der Politik über Gewerkschaften bis zu Jugendzentren. „In allen anderen Bereichen kann man sich herzhaft streiten“, sagt Tobias Holl, aber gegen Rechtsextremismus gelte es zusammenzuhalten.

Holl ist Sprecher der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, eines dem Bayerischen Jugendring zugeordneten Netzwerks mit Büros in Ebersberg, Regensburg und Nürnberg. Er legt in seinem Vortrag, jeweils untermalt mit konkreten Plakat- und Slogan-Beispielen, die wesentlichen Kennzeichen von Rechtsextremismus dar. Zentral sei das Narrativ vom angeblichen „großen Austausch“. Ob AfD, Junge Alternative (JA), Identitäre Bewegung, „Dritter Weg“ oder Compact: Immer wird ein angeblich von politischen Mächten absichtlich herbeigeführter „Volksaustausch“ suggeriert. Mal wird er in einem Slogan „endgültig zementiert“, mal heißt es, es gelte, ihn zu „stoppen“. Die JA beruft sich dabei auf den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der wegen der Einwanderung „dunkle Wolken über Europa“ sieht und von dem sie zitiert: „Nationen werden aufhören zu existieren.“ Das „rechtspopulistische Wir“, so Tobias Holl, habe verschiedene Begriffe wie „Volk“ und „Abendland“, gern auch „Europa“.

Eine Zuhörerin stellt Holls Aussage infrage, wonach 20 Prozent der Deutschen latent oder manifest rechtsextrem seien. Der Referent bezieht sich auf eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität Leipzig (Oliver Decker/Elmar Brähler: „Rechtsextreme Einstellung und ihre Einflussfaktoren in Deutschland“). Diese repräsentative Erhebung wird seit 2002 im Zwei-Jahres-Rhythmus vorgenommen. Dennoch sagt die Frau, sie könne das nicht glauben.

Zu den Einstellungen, die als Merkmale rechtsextremer Tendenzen zählen, gehören nach dieser Studie zum Beispiel: „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“; „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ oder „Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung weit übertrieben worden“. Holl arbeitet als grundlegend für den Rechtsextremismus heraus, dass „die Grenzen des Sagbaren erweitert“ werden. Er zitiert den Soziologen Wilhelm Heitmeyer, der seit Jahrzehnten zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit forscht. Heitmeyer warnt vor einer Normalisierung früher nicht salonfähiger Positionen.

Am Bild eines Eisbergs zeigt Holl auf, dass nur der kleinste Teil des Rechtsextremismus „oberhalb der Wasserfläche“ liege. Darunter befinden sich nach diesem Eisbergmodell die rechtsextreme Infrastruktur mit Parteien, sozialen Medien, Autoren und die Einstellungen, Vorurteile, Ausgrenzungen.

In der Diskussion sagt Wolfgang Saal, die Wolfratshauser Demokratie-Initiative erreiche mit ihren Aktionen doch nur immer wieder die eigenen Leute. Er fragt: „Wie kommt man aus der Blase raus?“ Der Referent sagt, man müsse versuchen, das große Potenzial all jener, die nicht zum Rechtsextremismus neigen, zu aktivieren. Dieses „schlummere“. Es sei wichtig, ein Gemeinschaftsgefühl zu wecken. Martina Schmid nimmt diesen Faden auf und ermuntert das Publikum, ihre Initiative zu unterstützen, sei es durch Teilnahme oder durch Spenden.

„Gemeinsam für Demokratie und Vielfalt“ ist online auf Facebook zu finden.

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