Wolfgang Krebs beim Kulturherbst:Schnitzelschnacksel mit Blasmusi

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Der Kabarettist nimmt vor 220 begeisterten Geretsrieder Zuschauern Seehofer und Stoiber auf die Schippe. Die "Bayerischen Löwen" spielen dazu auf.

Von Lea Utz, Geretsried

Dass es jetzt doch noch geklappt hat mit seinem Auftritt in Geretsried, das freut den Ministerpräsidenten sichtlich. "Die Politiker hier sind ja sehr problemorientiert - ähm, lösungsorientiert", lobt Horst Seehofer alias Wolfgang Krebs in gewohnt behäbigem Tonfall, "ich fordere mehr Geretsrieder Politiker in Berlin!" Schon die gekonnt imitierten typischen Sprechpausen des CSU-Chefs provozieren bei den rund 220 Zuschauern in den Ratsstuben Gelächter. Er selbst sei ja auch für eine klare Linie: "Mein Wahlspruch lautet: Entweder konsequent oder inkonsequent, aber nicht immer dieses ganze Hin und Her."

Von seinen Kollegen in München und Berlin ist der Landesvater weniger begeistert: Angela Merkel hat er längst "einen Dobrindt, ich meine, einen Drohbrief" geschickt, in selbst ausgeschnittenen Buchstaben - "das sieht mehr nach Ultimatum aus". Andere sind ihm zu unauffällig, so wie Landwirtschaftsminister Schmidt. "Bei dem sagt ja sogar die eigene Frau: Dieser Politiker ist mir unbekannt." Und mit dem Söder sei es wie mit den Stromtrassen: "Wenn mir was zum Problem wird, dann leg ich's unter die Erde." Da hilft wohl nur noch ein gemeinsamer Spaziergang am Ufer des Starnberger Sees.

Passend dazu besingen die Bayerischen Löwen mit übertriebenem Pathos das Schicksal von Ludwig II., dem "Kini", zur Melodie zweier Queen-Songs. Die fünf Blasmusiker ergänzen das gemeinsame Programm "So a Riesen-Gaudi" teils mit schepperndem Brass aus Tuba, Posaune und Trompete, teils mit zartem A-Capella-Gesang - und mit einem guten Gespür für die Komik im Kleinen. Den Thermomix-Hype nehmen sie genauso auf die Schippe wie die "Fahrzeugbewegungs-Touren" der Dorffeuerwehr, die regelmäßig in einem Besäufnis enden.

Die Höhepunkte des Abends sind aber zweifellos die Momente, in denen Krebs in seiner Paraderolle als Edmund Stoiber auf die Bühne tritt. Schon nach den ersten Grußworten - "meine sehr versehrten, äh sehr genährten Damen und Herren, vergärte Ehrensäfte" - gibt es in der Halle kein Halten mehr. Herrlich verloren ist der "Hausratswolfer", wollte er doch eigentlich zum 65-jährigen Jubiläum der Augsburger Puppenkiste sprechen. Mit den Standard-Reden zu Transrapid und Bärenjagd, die er noch in der Tasche hat, kommt er in Geretsried nicht weiter. Gut, dass er wie jeder anständige Politiker immer ein paar Allgemeinplätze für den Notfall auf Lager hat: "Das feste Fundament ist eben die Basis aller Grundlagen", donnert er. Spontan schlägt er vor, den Landkreis für die nächsten 50 Jahre in "Geretsried-Wolfratshausen" umzubenennen - womit er beim Geretsrieder Publikum auf mäßige Begeisterung stößt.

Da plaudert Stoiber lieber aus dem Nähkästchen: Nach einer unfreiwilligen Odyssee durch Washington D.C. sitzt er mittlerweile mit Günther Oettinger im Englischkurs. Und auch wenn die Frauen im Bierzelt bei seinem Anblick nicht mehr reihenweise in Ohnmacht fallen, "bin ich immer noch die Lady Gaga der Politik".

Ein Versprecher jagt den nächsten - neben der überzogen ausladenden Gestik, dem hektischen Stoiberschen Kopfwackeln und dem sinnierenden Blick in die Ferne ist das nach wie vor Krebs' Erfolgsrezept.

Buchstabendreher als Lachgarant macht sich der Kabarettist auch bei der dritten Figur zunutze, die er dem Publikum präsentiert. Der stets angetrunkene Scheberl-Schorsch, Klischee-Bayer und Vorsitzender in allen 30 Vereinen seines Dorfs, stolpert oft über seine Worte. Er wettert über die "Schnitzelschnackselheizung" der SUV-fahrenden Zugezogenen im Neubaugebiet, die erst Niedrigenergiehäuser bauen "und dann jeden Tag 80 Kilometer in die Arbeit pendeln". Wunderbar schräg gerät die Beerdigung des Dorfbewohners Dankwart, der "ausgerechnet vom billigsten Traktor der Gemeinde" überfahren wird.

Figuren wie die von Günther Beckstein, den Krebs viele Jahre lang parodierte, hat der Kabarettist inzwischen aussortiert. Sie zanken sich nur noch hin und wieder im Off. Nach mehr als zwei Stunden endet das Programm schließlich so, wie es begonnen hat: Die Bayerischen Löwen spielen ihren zünftigen "Blechblas-Rock'n'Roll" und Wolfgang Krebs schlüpft noch einmal in die Rolle von Horst Seehofer. Der fordert ausnahmsweise nicht, die unkontrollierte Zuwanderung aus Thüringen zu stoppen. Stattdessen gibt es vor dem Schlussapplaus einen Schlager im Duett, angelehnt an "Fürstenfeld". Dass dieser Abend gerettet wurde, darüber schien am Ende auch das Publikum in den Ratsstuben froh zu sein.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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