Wohnen an der Bahn:Für die Sicherheit der Kinder

Wohnen an der Bahn: Zwischen Gipsenweg und Mühlpointweg in Wolfratshausen ist das Gleis durch einen Zaun gesichert.

Zwischen Gipsenweg und Mühlpointweg in Wolfratshausen ist das Gleis durch einen Zaun gesichert.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Wolfratshausen hat das S-Bahn-Gleis an einem Wohngebiet mit einem Zaun abgegrenzt - auf eigene Kosten, genau wie Schäftlarn am Gehweg in Ebenhausen. Im Ickinger Spatzenloh müssen die Eltern noch bangen.

Von Konstantin Kaip und Florian Zick

Die Eltern in der Neubausiedlung am Wolfratshauser Mühlpointweg müssen seit einigen Wochen nicht mehr besorgten Blickes auf ihre Kinder schauen, wenn diese draußen auf der Straße spielen. Denn das S-Bahngleis, das einst dort völlig frei zugänglich an einer Wiese vorbeiführte, ist nun von einem Metallzaun begrenzt.

Die 1,20 Meter hohe und 46 Meter lange Einfriedung hat die Stadt errichten lassen, auf eigene Kosten. 9150 Euro hat der Zaun gekostet, der Ende Mai fertiggestellt wurde, nach zwei Jahren mit "mannigfaltigen Abstimmungsgesprächen", wie es Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) kürzlich ausgedrückt hat. Schließlich musste der Bau in enger Abstimmung mit der Bahn erfolgen, die an den Zaun bestimmte Anforderungen gestellt hat. So muss dieser etwa speziell geerdet sein, um im Zweifel auch Starkstrom ableiten zu können.

Stadtrat Peter Plößl (CSU) hatte den Zaun schon lange gefordert. Immer wieder hatte er auf die Gefahrensituation hingewiesen, auch im Gespräch mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der seinem Wolfratshauer Parteifreund im Sommer 2016 versprochen hatte, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Daraus aber wurde nichts. Bürgermeister Heilinglechner fragte bei der Bahn an, die aber verwies nur auf das gesetzliche Verbot, Gleisanlagen zu betreten. Plößl fasste die Antwort damals so zusammen: "Die Bahn sagt: Ihr könnt das gerne machen. Wir haben nichts dagegen, wenn ihr den Bau und den Unterhalt zahlt."

Das hat der Stadtrat schließlich im Frühjahr 2017 beschlossen - obwohl das Gleis bei der geplanten S-Bahn-Verlängerung nach Geretsried an der betroffenen Stelle ohnehin tiefer gelegt werden soll. Wenn der Trog gebaut wird, muss der Zaun also wieder verschwinden. Wann das passiert, steht allerdings noch in den Sternen. Und einen Unfall mit einem Kind wollten die Wolfratshauser Stadträte nicht riskieren. Sie teilten Plößls Ansicht, die Stadt habe die "moralische Verpflichtung, die Kosten zu übernehmen".

In Schäftlarn hat man ähnliche Erfahrungen gemacht - auch wenn der Fall dort etwas anders gelagert ist. Dort ging es um einen etwa 150 Meter langen Zaun am Bahnhof Ebenhausen. Den Gehweg, den es dort zu schützen galt, hat die Gemeinde aber erst kürzlich angelegt. Das dafür nötige Grundstück hat Schäftlarn der Bahn extra dafür abgekauft. Bürgermeister Matthias Ruhdorfer (CSU) kann deshalb nachvollziehen, dass das Unternehmen dort nicht von sich aus einen Zaun errichten wollte. "Die Bahn hätte aber durchaus etwas zugänglicher sein können", findet er. Mit der Bahn sei es wie mit vielen anderen Nachbarn auch, sagt Ruhdorfer: Es sei nicht immer so einfach zu klären, wer im Grenzbereich wofür zuständig ist. "Und die Bahn ist da leider ein besonders schwieriger Nachbar." Bevor jemand verunglückt, baue man als Gemeinde einen solchen Zaun halt selbst. Schäftlarn habe beim Zaun in Ebenhausen auf diese Weise einige 10 000 Euro gelassen.

Einen Zaun hätten auch die Eltern des Ickinger Ortsteils Spatzenloh gerne. Schließlich wohnen sie in einem Neubaugebiet direkt an einem ungesicherten Bahngleis und fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder. Der Gemeinderat hat sich indes noch nicht dazu durchgerungen, dort einen Zaun, der etwa 115 Meter lang sein müsste und nach Schätzungen der Kommune zwischen 26 000 und 36 000 Euro kosten würde, in Auftrag zu geben. Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) kann das Sicherheitsbedürfnis der Spatzenloher zwar nachvollziehen. Die Verkehrserziehung sei jedoch Sache der Familien, findet sie. "Ein Zaun kann die Verantwortung der Eltern nicht ersetzen", erklärt Menrad.

Der Gemeinderat hatte bereits im Januar über einen Zaun in Spatzenloh debattiert, den auch die "Bürgerinitiative Verkehrssicherheit Icking" fordert. Ein Ergebnis gab es damals nicht. Menrad hatte vorgeschlagen, die vorhandene Holzplanke an den Gleisen, bislang höchstens eine optische Barriere, umbauen und erhöhen zu lassen. Inzwischen habe sie dazu Rückmeldung von der Bahn erhalten, sagt die Bürgermeisterin. Die Antwort werde sie im Gemeinderat vortragen, der sich am Montag, 1. Juli, erneut mit einer Absicherung des Gleises befassen wird. "Ich gehe davon aus, dass es einen Beschluss geben wird", sagt Menrad. Von der kürzlichen Fertigstellung in Wolfratshausen hat sie schon gehört. "Man macht sich so seine Gedanken", sagt Menrad dazu.

Warum aber kümmert sich die Bahn nicht einfach selbst um die Absicherung der Schienen? Das Unternehmen beruft sich da auf die Länge des Streckennetzes. In Deutschland seien 33 000 Kilometer Gleise verlegt. "Somit wäre ein Zaun mit einer Länge erforderlich, die zwei Mal um den Äquator reicht", sagt eine Unternehmenssprecherin. Aufgrund dieser Größenordnung könne man nur im Einzelfall über einen Zaun nachdenken. Die Stammstrecke in München zum Beispiel habe man komplett eingezäunt, weil sich dort wiederholt Leute aufs Gleis verirrt hätten. Das könne man aber nicht flächendeckend tun.

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