Wohnbauprojekt :Die einen rein, die anderen raus

Der Notarvertrag für den Umbau und die Sanierung des Alten Krankenhauses in Wolfratshausen ist unterschrieben. Weil Wohnungen entstehen sollen, müssen die bislang dort untergebrachten Obdachslosen ausziehen

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Vertraglich ist beim "Alten Krankenhaus" in Wolfratshausen alles in trockenen Tüchern. Das denkmalgeschützte Gebäude an der Sauerlacher Straße 15 soll nach den 52 Wohnungen, die derzeit auf der Coop-Wiese in Waldram entstehen, bekanntlich das zweite Wohnprojekt werden, das aus der gemeinsamen Initiative von BVW, SPD und Grünen für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt realisiert wird. Die Maro-Genossenschaft, die das Grundstück in Erbpacht von der Stadt übernimmt, will das Gebäude aus der Biedermeierzeit sanieren und daneben einen Neubau mit Tiefgarage errichten. Etwa 20 Wohnungen sollen in dem Mehrgenerationenprojekt entstehen. Wie Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) sagt, wurde der notarielle Vertrag vom Stadtrat genehmigt. "Der Vertrag ist bereits unterzeichnet", sagt Maro-Projektleiter Ralf Schmid.

Weitere Details zum Projekt und zum Zeitplan sind von der Ohlstädter "Genossenschaft für selbstbestimmtes und nachbarschaftliches Wohnen" derzeit jedoch nicht zu erfahren. "Das Projekt wird es geben, und es wird ein tolles Projekt", sagt Schmid auf Anfrage. "Wir sind mit allen Beteiligten im Gespräch." Weitere Auskünfte könne er derzeit nicht geben. Die Genossenschaft, die bereits zahlreiche Mehrgenerationenhäuser gebaut hat, unter anderem in Penzberg und Dietramszell, will in Wolfratshausen circa 20 Wohnungen errichten. Die unterschiedlichen Größen - je zu einem Drittel sollen dort Zwei-, Drei- sowie Vier- bis Fünfzimmerwohnungen entstehen - ergeben laut Projektplaner Schmid automatisch eine Mischung von alleinstehenden Senioren, älteren Paaren und jungen Familien. Mit der Kombination aus Sanierung und Neubau ist das Architekturbüro Sunder-Plassmann aus Greifenberg beauftragt, das für die Maro bereits ein ähnliches Projekt mit dem Alten Pfarrhof in Windach realisiert hat.

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Das Alte Krankenhaus an der Sauerlacher Straße soll saniert werden. Dafür müssen die dort untergebrachten Obdachlosen umziehen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Gemäß einer vertraglichen Auflage der Stadt sollen im Erdgeschoss des Altbaus gewerbliche Räume für den Nachbarschaftsverein "Bürger für Bürger" entstehen. Wie der Vorsitzende Peter Lobenstein sagt, will der Verein dort am liebsten künftig alle Aktivitäten bündeln. "Unser Ziel ist es, alle Ressorts an einem zentralen Ort zu vereinen", erklärt Lobenstein. Am besten seien Räume mit flexiblen Wänden, in denen man vormittags den Vorkindergarten, der bis dato an der Kräuterstraße untergebracht ist, und nachmittags Seniorenangebote unterbringen könne. Die "Wunschliste" des Vereins habe er bereits bei der Maro abgegeben, sagt Lobenstein. "Noch ist nichts entscheiden, aber die Hoffnung ist da, dass wir in absehbarer Zeit hier weitere Details bekommen und dann über die mögliche Anmietung der Räume abstimmen können", hat er kürzlich auf der Mitgliederversammlung des Vereins erklärt.

Während Peter Lobenstein auf eine baldige Realisierung in seinem Sinne hofft, steht seine Frau mit dem geplanten Projekt vor großen Herausforderungen: Ines Lobenstein, die für die Caritas die Wohnungslosenhilfe und Obdachlosenunterkünfte verantwortet, muss nun für die acht Personen, die dort in vier städtischen Wohnungen untergebracht sind, eine neue Bleibe suchen. Keine leichte Aufgabe, wie sie erklärt. Denn im "Alten Krankenhaus" lebten derzeit die härteren Fälle, Menschen mit Suchtproblematiken und Langzeitarbeitslose. "Die Leute sind schwierig zu vermitteln", sagt Lobenstein. Auf dem ohnehin hart umkämpften ersten Mietmarkt fänden selbst Geringverdiener in Festanstellung kaum noch geeignete Wohnungen. Für die Personen in der Sauerlacher Straße bleibe daher nur die Option, sie in andere Unterkünfte für Wohnungslose zu überführen. Im Haus Schlickenrieder an der Münchner Straße und der von der Stadt angemieteten Wohnung am Steghiaslweg stehen jedoch kaum Plätze zur Verfügung. Es gebe Planungen, wie das Problem gelöst werden könne, sagt Lobenstein. Die Entscheidung treffe jedoch die Stadt. Lobenstein will die Bewohner nun so schnell wie möglich anderweitig unterbringen. "Ich denke, bis August, September sollte das durch sein." Da es sich bei den acht von der Wohnungslosenhilfe untergebrachten Personen um Einweisungen ohne Mietverträge handle, sei ein Umzug unproblematisch, sobald es eine Alternative gebe. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft habe noch drei andere Mieter in dem Haus, die sie jedoch anderweitig unterbringen könne.

„Immer mehr Geringverdiener“

Zum Jahresbericht, den Ines Lobenstein im Stadtrat hält, gehört ein immer wiederkehrendes trauriges Fazit: "Es gibt nicht genug bezahlbare Wohnungen." Dieses Mantra wird die Leiterin der Wolfratshauser Wohnungslosenhilfe nicht müde zu wiederholen, es ist das Fazit ihrer täglichen Arbeit, das sie auch kürzlich wieder im Sitzungssaal gezogen hat. Ihr Klientel sind längst nicht mehr nur Alkoholiker und Landstreicher. "Heute geht es immer mehr um Geringverdiener", sagt sie. Berufsgruppen wie Pfleger, Erzieherinnen und Alleinerziehende, die sich trotz Arbeit einfach keine Wohnung auf dem freien Mietmarkt leisten könnten. Die Wohnungsnot, stellt Lobenstein fest, greife tief in das Leben von Familien, alten und einkommensschwachen Bürgern ein. Für Zweizimmerwohnungen werde teilweise eine Kaltmiete von 1100 Euro verlangt - für manche Vollzeitkräfte ein Monatsgehalt. "Die, die einen normalen Job haben und nicht gut verdienen, müssen zusehen, wie sie überleben." Und so landeten immer mehr von ihnen bei ihr in der Wohnungslosenhilfe.

220 Haushalte haben sich im vergangenen Jahr bei der Einrichtung der Caritas in Wolfratshausen beraten lassen, es gab acht Räumungsklagen und sieben Zwangsräumungen. Elf Personen sind neu in die Notunterkünfte der Stadt gezogen, 14 zogen dort aus. Insgesamt leben 25 Menschen in den drei Standorten an Münchner und Sauerlacher Straße und am Steghiaslweg. aip

Projektleiter Schmid will derzeit auch keine Angaben zum Zeitplan machen. Vergangenen Sommer hatte er noch von einem möglichen Baubeginn im Frühjahr 2020 und einer Fertigstellung im Herbst 2021 gesprochen. Erst wenn Kostenberechnung und Grundriss vorlägen, werde man sich ans Rathaus und auch an die möglichen Mieter wenden, sagt Schmid. "Wir wollen den Interessenten verlässliche Informationen bieten, damit sie sich bewerben können." Wenn die Mieten feststehen, sollen zunächst die Genossenschaftsmitglieder angeschrieben werden, dann soll es eine Informationsveranstaltung zum Wohnprojekt geben. Für die Mieter, die sich in den Maro-Häusern selbst um Haus und Garten kümmern, soll es in Wolfratshausen auch Gemeinschaftsflächen geben. Laut Schmid vergibt die Genossenschaft die Wohnungen in der Regel ein bis zwei Jahre vor Bezug, bei monatlichen Treffen können sich die Mieter dann schon vor ihrem Umzug gut kennenlernen.

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