Wo´s blühen darf:Grüner wird's nicht

Seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" sind naturnahe Gärten wieder in Mode. Am Haus vom Ehepaar Karl in Lengenwies wuchert und rankt es schon seit Jahrzehnten wild. Aber auch dort spürt man das Artensterben

Von Veronika Ellecosta

Satt streckt die schwarze Königskerze ihre eigentlich gelben Blütenköpfe wie Arme Richtung Himmel, sorgfältig positioniert tummeln sich kleine schwarze Farbkleckse auf der Pflanze. Käferbienen sind das, erklärt Hans Karl. Die schwarze Königskerze besteigen die kleinen Käfer aber nur morgens.

Es ist ein schöner Morgen im Garten der Familie Karl, wenn auch ein bisschen heiß. Die Frühlingsblumen sind zwar schon verblüht, mittlerweile konkurrieren grüne Stauden, Sträucher und Gräser miteinander um die Farbvorherrschaft. Alles darf wachsen, wo es sich wohlfühlt, sagt Resi Karl und schaut zufrieden zu den alten Obstbäumen, die ihre knorrigen Stämme aus der ungemähten Wiese heben. Bis auch die letzte Blume auf der Wiese verblüht ist, wird sie ungemäht bleiben. Erst dann macht sich Hans Karl mit der Sense an die Mahd.

In der Süddeutschen Zeitung war kürzlich eine ganze Doppelseite darüber, wie der perfekte Garten aussehen soll, damit sich dort die ganze Vielfalt der Schöpfung wohlfühlt. Die Karls aus Lengenwies haben genau einen solchen Garten. Rund um ihr Haus haben sie ein kleines Paradies für Insekten und Kleintiere geschaffen.

Seit beinahe 50 Jahren gestaltet das Ehepaar Karl seinen kleinen Garten Eden auf naturnahe Art und Weise. An den Obstbäumen hängen Tontöpfe kopfüber und bieten Ohrwürmern Unterschlupf. Außerdem: ein Insektenhotel und eines für Wildbienen, jede Menge Brutkästen für Vögel, eine Buchenhecke und zwei Gartenteiche, an denen sich Frösche, Molche und Ringelnattern gütlich tun. Obendrein hat Hans Karl den Garten mit Figuren aus Treibholz und Steinen dekoriert. Da steht eine Kuh aus Stein am Gartenteich, eine hölzerne Ente schwebt über der Laube und aus einem Obstbaum lacht eine verschmitzte Fratze.

Sein Dasein als Bastler hat der pensionierte Bauingenieur aber nicht auf die Figuren reduziert: Die Gartenteiche hat er selbst angelegt und auch der Dünger wird im Hause Karl hergestellt, aus Brennnesseln etwa, oder aus Mikroorganismen. Dazu hat er vergorenen organischen Abfall im Garten vergraben und seine Frau damit überrascht. "Ich dachte zuerst, dass Hans chemisch gedüngt hat, so viel ist plötzlich gewachsen", sagt sie.

Naturnahe Gärten sind spätestens seit dem Bienenvolksbegehren en vogue. Die Karls waren dem allgemeinen Aufwachen allerdings schon um Jahrzehnte voraus. "Das haben wir schon immer so gemacht, wir sind eben sehr naturlieb", sagt Hans Karl. Das Haus neben dem Garten haben die beiden zusammen aufgebaut, aus dem Baugrubenaushub vor der Tür wurde eine Magerwiese. Naturnahe Gärten wirken auf den ersten Blick chaotisch. Auch Resi Karl hatte sich am Anfang noch nichts darunter vorstellen können. "Mein Mann war die treibende Kraft. Er hat immer schon die wilde Natur bevorzugt", sagt sie. So haben sie es wachsen lassen. Ihr Gartenkonzept beansprucht täglich dennoch mehrere Stunden. "Das ist ein Job für Rentner", so Hans Karl.

Die allseits geliebte Biene hat den Garten schon lange unter Beschlag genommen. Sogar Feldwespen haben ihre Nester hier gebaut. Hier dürften sie bleiben, während sie anderorts "runtergehaut werden", wie Resi Karl sagt. Trotzdem haben die Karls auch hier ein kleines Artensterben beobachten können. Hummeln, Vögel und Schmetterlinge werden seit Jahren weniger, die Schwebfliege lässt sich kaum noch blicken. Aufhalten können die Karls das Artensterben freilich nicht, aber ihre Oase kann immerhin für andere Gartenbesitzer Inspiration und Vorbild sein. Beim Tag der offenen Tür des Gartenbauvereins Beuerberg haben die Karls die Tore ihres Gartens für Interessierte geöffnet. Bereits um halb 10 Uhr vormittags sei ihr Garten überrannt gewesen, wie Hans Karl berichtet. Da wurde das kleine Paradies zum sprießenden Freiluftmuseum.

Unter der Laube schenkt Resi Karl Quittensaft aus dem Garten aus. Wein rankt sich an der Laube empor. Vergangenes Jahr hat ein Siebenschläfer die Karls mit seiner Anwesenheit beehrt. Er habe sich an die Trauben herangemacht, erzählt sie. Die Kerne und die Schalen habe er auf die Terrasse gespuckt. "Da haben wir uns gedacht, dass wir die Trauben eh kaufen können. Der Siebenschläfer kann das nicht." Deshalb haben sie den kleinen Kerl bei seinem Mahl nicht gestört.

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