Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft in Egling:Unternehmer in Rage

Nachdem der Eglinger Gemeinderat mit einem neuen Bebauungsplan für sein Gewerbegebiet den Charakter festlegt, sind manche Gewerbetreibende außer sich. Die Wut entlädt sich beim Wirtschaftsgespräch der CSU

Von Claudia Koestler, Egling

"Ihr habt das Gewerbegebiet und ihr habt das Gewerbe in Egling zerstört": Die Heftigkeit, mit der einige Unternehmer und Selbständige aus der Großgemeinde ihrem Ärger Luft machten, stand diamentral dem gegenüber, was CSU-Bürgermeisterkandidat Florian Sperl eigentlich für den Abend geplant hatte. Dieser hatte unlängst zum ersten "Wirtschaftsgespräch" in der Kommune eingeladen und den etwa 30 Besuchern eingangs erklärt, er wolle vor allem entspannt miteinander diskutieren. Doch ein Thema gärt nach wie vor in Egling, und mit seiner Einladung hatte Sperl quasi die Büchse der Pandora wieder geöffnet: die Neuaufstellung des Bebauungsplans Gewerbegebiet, der endgültig einen Schlussstrich unter einen jahrelangen und überregional beobachteten Streit ziehen sollte. Doch das heikle Thema ist alles andere als befriedet, wie der Abend im Aufhofener Jägerwirt zeigte.

Worum geht es? Im Eglinger Gewerbegebiet waren Gebäude über Jahrzehnte hinweg schleichend für Wohnungen umgenutzt worden, was letztlich juristisch untersagt wurde. 1980 hatte die Gemeinde den Bebauungsplan aufgestellt mit der Maßgabe, dass lediglich eine Betriebsleiterwohnung pro Gewerbeeinheit gebaut werden dürfe - ein klassisches Gewerbegebiet also. 1983 gab es allerdings bereits die ersten Anfragen zu einer Wohnnutzung, die aber stets abgelehnt wurden. Das aber hielt manche nicht davon ab, einzuziehen oder zu vermieten, und dies teils auch mit weit mehr Wohneinheiten als erlaubt. 1987 wandte sich schließlich der damalige Bürgermeister Manfred Nagler in der Sache an das Landratsamt. Eine Tekturplanung brachte schließlich die Sache vor Gericht: Ein Autohändler wollte sich im Gewerbegebiet nachträglich Wohnungen genehmigen lassen und legte nach der Ablehnung Klage gegen die Nutzungsuntersagung ein. Insgesamt sieben Eglinger Parteien klagten schließlich gegen den Freistaat.

Das Verwaltungsgericht ging 2012 in erster Instanz davon aus, dass der Bebauungsplan seine Steuerungsfunktion aufgrund der zwar ungenehmigten, aber vorhandenen Wohnnutzungen verloren habe, de facto das Areal also inzwischen ein Mischgebiet sei. Dagegen legte die Gemeinde Berufung ein. Der Verwaltungsgerichtshof München fällte 2014 zwar noch kein Urteil, tendierte aber dazu, die Nutzungsuntersagung zu bestätigen. Die Gemeinderäte votierten nach gerichtlicher Aufforderung unisono dafür, an der Ausweisung als Gewerbegebiet festzuhalten. 2015 gab der Verwaltungsgerichtshof der Kommune schließlich auch mit einem entsprechenden Urteil Recht. Als Zugeständnis akzeptierten die Gemeinderäte allerdings großzügige Übergangsfristen für alle, die dort ungenehmigterweise wohnten und deshalb ausziehen mussten. Um nicht wieder in eine solche Situation zu geraten, wollte Egling seinen Bebauungsplan Gewerbegebiet seither wasserdicht machen und auch die Festsetzungen vereinfachen, respektive vereinheitlichen. Ende 2019 beschloss der Gemeinderat schließlich einstimmig die Neuaufstellung des Bebauungsplans.

Seither schwelt jedoch der Zorn der Betroffenen in dem Gebiet weiter. Und diese Wut bekamen die amtierenden Gemeinderäte bei Sperls erstem Wirtschaftsgespräch zu spüren. "Wo sollen die Arbeiter aus den Gewerbebetrieben denn nun wohnen?", fragte zunächst noch Valentin Höger, einer der Betroffenen. Sperl gab grundsätzlich zur Antwort, dass es Mitarbeiterwohnungen brauche, eventuell in einem Mischgebiet. Doch das wiederum war es ja, was die Gemeinde mit dem Prozess zu verhindern versucht hatte. Deshalb sprang ihm Gemeinderat Heiko Arndt bei und erklärte: "Hier gab es Fehler auf allen Seiten." Gemeinderat Hans Spindler betonte, dass man sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. "Aber wenn der Wohnanteil in einem Gebiet größer wird, entfällt irgendwann die Berechtigung fürs Gewerbe, und das geht nicht", sagte er. Für ihn bestehe nun die Aufgabe der Gemeinde darin, dazu beizutragen, dass in die leer stehenden Wohneinheiten neues Gewerbe einziehe - Sperl nannte dazu beispielsweise IT-Unternehmen.

Ein weiterer Gewerbetreibender, Josef Hinterauer, redete sich indes in Rage und machte den Eglinger Gemeinderäten schwere Vorwürfe: "Ihr alle müsst jetzt damit leben, dass das Gewerbegebiet ein Sch ... dreck ist. Ihr alle habt die Betriebe zerstört, das Gebiet komplett zerstört, weil die Arbeiter nirgends mehr wohnen können." Das aber sahen andere Besucher des Abends anders: "Jeder, der da gebaut und gewohnt hat, hat genau gewusst, was er da tat. Ihr habt 30 Jahre vermietet und die Einnahmen mitgenommen, also muss keiner jetzt jammern", sagte Jakob Pertold.

Für Sperl hingegen war der hitzige Abend Anlass und Bestätigung, an seiner Idee von weiteren Wirtschaftsgesprächen in Egling festzuhalten. Zudem will der CSU-Bürgermeisterkandidat einen Wirtschaftsbeauftragten einsetzen, zunächst ehrenamtlich analog zu den Jugend- und Seniorenbeauftragten, später dann auch hauptamtlich.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4837732
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.03.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.