Wirtschaft in Bad Tölz-Wolfratshausen:Den Dreh raus

Wirtschaft in Bad Tölz-Wolfratshausen: In einer großen Fertigungshalle in Königsdorf werden die Schraubautomaten produziert, die inzwischen von 800 Unternehmen genutzt werden.

In einer großen Fertigungshalle in Königsdorf werden die Schraubautomaten produziert, die inzwischen von 800 Unternehmen genutzt werden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Die Firma Stöger Automation stellt in Königsdorf Schraubautomaten her, die von Unternehmen in aller Welt eingesetzt werden. Für seine Wachstumsstärke ist der Betrieb nun vom Freistaat ausgezeichnet worden.

Von Sebastian d'Huc

Wie stark ein Unternehmen gewachsen ist, lässt sich nicht allein an der schieren Größe seines Gebäudes ablesen. Ein Indiz aber könnte es sein, wenn im Umfeld des Firmengeländes keine Parkplätze mehr frei sind. Vor dem rot-weißen Gebäude der Stöger Automation GmbH im Industriegebiet bei Königsdorf müssen einige Mitarbeiter bereits in zweiter Reihe parken. Welche Produkte dort hergestellt werden, zeigt eine drei Meter große, verschneite Gewindeschraube vor dem Haupteingang: Stöger produziert Schraubautomaten für jeden Anwendungsbereich, für hunderte von Schraubentypen, in jeder Größe und Form.

Der Gründer und Namensgeber Lorenz Stöger, groß gewachsen und mit weißem Haar, läuft mit einem für seine 69 Jahre sehr zügigen Schritttempo durch den Betrieb. Im Foyer bleibt er kurz vor einem Wandregal stehen, um einen anderen Beleg für das Wachstum seines Unternehmens zu zeigen: einen kleinen weißen Porzellanlöwen. Es ist eine Trophäe, die Stöger Automation im Dezember vom bayerischen Wirtschaftsministerium verliehen bekommen hat, weil das Königsdorfer Unternehmen zu "Bayerns Best 50" gehört, zu den 50 wachstumsstärksten mittelständischen Unternehmen im Freistaat. "Darüber freuen wir uns natürlich sehr", sagt der Geschäftsführer. "Wir sind zwar nicht die größten, aber unser Anspruch ist, dass wir technologischer Marktführer werden."

Stöger führt durch die hohe, zweigeteilte Fertigungshalle, in deren rechter Hälfte Mitarbeiter an Drehbänken und computergesteuerten CNC-Fräsen die Metallteile fertigen, welche von den Mitarbeitern in der linken Hälfte zu fertigen Schraubautomaten zusammengesetzt werden. "Die meisten Sachen machen wir im Haus", erklärt der Firmengründer. "Wir entwickeln, fertigen und montieren den Automaten und die Steuerungssoftware, aber manche Teile kaufen wir natürlich dazu." In drei Fertigungsreihen werden die Zuführungen der Schrauben, die Schraubeinrichtungen selbst, und die Elektronik von etwa 20 Mitarbeitern gebaut und überprüft. Die ganze Halle ist erfüllt vom Summen und Rasseln der vibrierenden Wendelförderer, welche die wild durcheinandergewürfelten Schrauben gerade und ordentlich ausrichten. Das ist nötig, damit sie dann durch einen Schlauch an die Spitze der langen und dünnen Schraubeinheit befördert und mit dem passenden Bit verschraubt werden können. Dabei werden verschiedene Daten erfasst und ausgewertet, damit die Qualität des Schraubvorgangs, gemessen am Drehmoment, an der Schraubtiefe und Uhrzeit, penibel überwacht werden kann. Bis auf die Größenunterschiede der einzelnen Anlagen sehen die Automaten für den ungeschulten Blick gleich aus. Aber das trügt, wie Stöger erklärt: "Ungefähr 80 Prozent unserer Einheiten sind Unikate", sagt er. "Jeder Kunde braucht etwas anderes, da müssen wir ganz flexibel sein."

Wirtschaft in Bad Tölz-Wolfratshausen: "Unser Anspruch ist, dass wir technologischer Marktführer werden", sagt Firmengründer und Chef Lorenz Steger.

"Unser Anspruch ist, dass wir technologischer Marktführer werden", sagt Firmengründer und Chef Lorenz Steger.

(Foto: Hartmut Pöstges)

108 Mitarbeiter parken mittlerweile jeden Morgen auf dem überfüllten Parkplatz vor dem Firmengebäude. Seit der Gründung im Jahre 1987 ist das Unternehmen zweimal im Oberland umgezogen, zuletzt 2011 in das Gewerbegebiet Wiesen nahe Königsdorf. Es ist die dritte Station einer Erfolgsgeschichte, die zunächst eigentlich gar nicht vorgesehen war, wie Stöger erzählt. Sein Schritt in die Selbständigkeit sei eher ein Zufall gewesen als ein lang gehegter Plan: Nach seiner Lehre bei einem anderen lokalen Schraubmaschinenhersteller und knapp 20 Berufsjahren dort kontaktierte ihn ein Kollege, der im Außendienst einer Maschinenfirma gearbeitet hatte. Weil die ihre Schraubmaschinen einstellte, suchte er nach einer neuen Anstellung. Er fragte Stöger, ob er nicht selbst Schraubautomaten herstellen könne, die sie dann gemeinsam vertreiben würden. "Und da hab' ich zugesagt", sagt Stöger mit einem Schmunzeln - und das, obwohl der Familienvater zu diesem Zeitpunkt gerade ein Haus baute und auf ein stabiles Einkommen angewiesen war. Die folgenden Jahre waren mit viel Arbeit und vielen Kosten verbunden - schließlich musste die eigene Produktreihe von der Pike auf entwickelt werden. "Wenn man wissen würde, was da auf einen zukommt, würde man es nicht machen", sagt Stöger rückblickend. "Aber manchmal muss man Chancen eben ergreifen und es einfach tun."

Zu Beginn arbeitete er alleine in seiner Garage. Als gelernter Technischer Zeichner waren die betriebswirtschaftlichen Aufgaben einer Firma für ihn mit viel "learning by doing" verbunden, wie er sagt. Im zweiten Jahr kamen drei Mitarbeiter dazu, 1990 zog die Firma mit fünf Mitarbeitern nach Geretsried. Stöger resümiert, dass seine Berufserfahrung in der Branche, kombiniert mit der Notwendigkeit, die Produktion komplett neu aufzubauen, ihm geholfen hätten frische Ideen zu entwickeln. "Wir haben uns gefragt: Was brauchen die Kunden wirklich? Und das waren hauptsächlich Servicefreundlichkeit und eine kleine Bauform. So haben wir das auch gemacht."

Wirtschaft in Bad Tölz-Wolfratshausen: Ausgezeichnet: Die Firma hat im Dezember den Preis "Bayerns Best 50" bekommen.

Ausgezeichnet: Die Firma hat im Dezember den Preis "Bayerns Best 50" bekommen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Mehr als 800 Unternehmen in aller Welt hat Stöger Automation in seiner gut 30-jährigen Geschichte schon beliefert. Dazu gehört auch die deutsche Autoindustrie, auf deren Kundschaft Stöger besonders stolz ist. "Zu Beginn war es schwer, sich zu etablieren und bei diesen großen Firmen Vertrauen aufzubauen", sagt er. "Die wollten natürlich wissen, ob wir ihnen auch in zehn Jahren noch ein Ersatzteil herstellen können." Mittlerweile sei Stöger am Markt etabliert und rüste sich für die Zukunft. Einen großen Stellenwert habe derzeit die Digitalisierung, die man in der kommenden Dekade bewältigen wolle. Stöger, dessen Söhne ebenfalls im Betrieb arbeiten, will sich an diesem Prozess beteiligen, wenn auch nicht mehr als Geschäftsführer. Noch dieses Jahr werde er seinen Posten abgeben, sagt er. In der Entwicklung wolle er jedoch weiter mithelfen. "Das macht mir nach all den Jahren immer noch Spaß."

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