Wirtschaft in Bad Tölz:Ein Leben fürs Campen

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Seniorchefin Gerlinde Grasberger vor dem Tante-Emma-Laden in Bad Tölz, der Camper-Herzen höher schlagen lässt. (Foto: Manfred Neubauer)

Roland Grasberger schließt seinen Fachmarkt in Bad Tölz. Sein Nachfolger möchte mit dem Laden nach Lenggries umsiedeln

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

In diesem Geschäft, das mit seinem kleinteiligen Zubehör ein wenig aus der Zeit gefallen erscheint, lässt sich gut kramen. Wer ein Wohnmobil oder auch bloß ein Zelt hat, findet in den Regalen fast alles, was man im Campingalltag so braucht. Trinkflaschen und Plastikgeschirr, Klemmen und Karabiner, Zeltstangen, Toilettenreiniger und Sonnendächer, sogar kleine Erste-Hilfe-Sets. Am Eingang von "Camping Outdoor & Freizeit Grasberger" in Bad Tölz stehen auch ein paar Propangas-Flaschen herum, eine davon hält die gläserne Schwingtür zum Laden offen. Noch bis Mitte Dezember geht der Räumungsverkauf an der Königsdorfer Straße über die Bühne, dann ist Schluss. Roland Grasberger gibt seinen in der ganzen Region bekannten Tante-Emma-Laden für Camper auf, den sein Vater im Jahr 1979 gegründet hat. "Das fällt schon schwer", sagt der 41 Jahre alte Inhaber. "So etwas macht man nicht leichtfertig."

Während an diesem Morgen gerade die ersten Kunden kommen und herumstöbern, sitzt Grasberger hinten in der kleinen Werkstatt, die auch sein Büro ist. Noch mehr Regale, ein Schreibtisch mit Computer, Taschenrechner, Aktenstapeln. Der Entschluss, die gemieteten Räume nach so vielen Jahren zu verlassen, ist ihm nicht leicht gefallen. "Es hat immer Spaß gemacht, es war immer familiär", sagt er. Mit dem Gedanken, von alledem Abschied zunehmen, sei er deshalb auch "lange schwanger gegangen". Am Ende dürfte auch die Corona-Pandemie dazu beigetragen haben, den letzten Schritt zur Schließung zu gehen.

Das mutet zunächst widersprüchlich an. Die Ansteckungsgefahr durch das Virus hielt heuer schließlich viele Urlauber davon ab, ins Flugzeug zu steigen und sich auf einer Ferieninsel mit ihren Hotelburgen zu erholen. Das Campen erlebte hingegen einen Boom, vom dem Grasberger allerdings nicht sonderlich profitierte. Während des Lockdowns im Frühling, sagt er, "war leider gar nichts". Und auch danach sei das Geschäft nur schleppend wieder angelaufen. Hinzu kommt für ihn, dass das große Geschäft mit dem Campen ohnehin im Internet stattfindet. Der Handel dort sei "sehr stark" geworden, sagt Grasberger. Die Käufer von Wohnmobilen bekämen gleich eine Grundausstattung mit, die Hersteller solch mobiler Kleinappartements böten selbst einen Shop mit Zubehör an. "Das glamouröse Camping ist zum Trend geworden", sagt der 41-jährige Tölzer.

Das war noch ganz anders, als sein Vater den Laden vor 41 Jahren gründete. Damals zog man einen kleinen Wohnwagen am Auto hinter sich her, wahlweise stellte man ein Zelt auf - das war es. Roland Grasberger senior eröffnete das Geschäft in dem langen, barackenartigen Gebäude an der Lenggrieser Straße, wo heutzutage der Bio-Markt "Vitalia" zu finden ist. Er verkaufte Knaus-Tabbert-Wohnwagen, außerdem hatte er eine Werkstatt angegliedert. Später siedelte er in die Kolpingstraße über, ehe er vor 16 Jahren an Krebs starb. Danach pachteten seine Frau Gerlinde und sein Sohn die Räume an der Königsdorfer Straße. "Der damalige Vermieter an der Kolpingstraße wollte den Vertag eh nicht mehr verlängern", erzählt Roland Grasberger. "Dann sind wir hier fündig geworden." Ein vorteilhafter Standort, denn der Wohnmobil-Stellplatz der Stadt liegt quasi gleich über die Straße, unten an der Isar. "Ja, das hat geholfen", sagt der Ladeninhaber. "Wenn jemand Reparaturen oder ein kleines Zubehör brauchte."

Die Werkstatt war der Motor des Campinggeschäfts. In einem Radius von circa 50 Kilometern fuhr der Familienvater von einem Stellplatz zum nächsten, um herzurichten, was kaputt gegangen war: Dachluken und Kühlschränke, Wasserhähne und Heizungen. Dafür fuhr er mit seinem Servicemobil zum Starnberger See, zum Tegernsee, nach Österreich. Er übernahm auch die Gasprüfungen, prüfte, ob alle Geräte funktionierten, ob sie dicht waren. Im Laden an der Königsdorfer Straße, wo seine 78 Jahre alte Mutter noch immer die Besucher bedient, sind vornehmlich Ersatzteile und kleiner Campingbedarf gefragt. "Wir haben unsere Stammkunden, die uns die Treue gehalten haben", so Grasberger. Dafür hat der gebürtige Familienvater viel geopfert. Oftmals war er an Wochenenden unterwegs, weil die Klienten seine Hilfe brauchten, vor allem am Samstag. Und abends saß er dann an seinem Computer, gab Bestellungen auf, erledigte die Abrechnungen. Kurz vor den Schulferien ging es besonders hoch her, wenn die Camper vor der Abreise ihr Wohnmobil von ihm überprüfen ließen. "Das ist nun mal ein Saisonbetrieb", sagt er. Seine Frau und seine vier Kinder im Alter von einem, drei, acht und elf Jahren hätten deshalb häufig zurückstehen müssen. "Es ist schwierig, da einen Mittelweg zu finden." Auch dies war ein Motiv, das Geschäft aufzugeben und künftig als Angestellter in der Branche zu arbeiten. Sein neuer Arbeitsplatz liegt mehr als 300 Kilometer entfernt von seinem Geburtsort Bad Tölz, in einem anderen Land. Ein harter Schnitt also. Aber eines ist dort jedenfalls besser: Die Miete ist dort nur ein Drittel so hoch wie in Tölz.

Und das Geschäft an der Königsdorfer Straße? Die Räume dürften bald leer stehen, was der Vermieter damit vorhat, weiß Grasberger nicht. Für sein Geschäft ist allerdings ein Nachfolger in Sicht. Ein langjähriger Stammkunde, der eine Affinität zur Campingbranche habe, wolle den Laden samt Sortiment übernehmen und nach Lenggries verlagern, erzählt er. "Das ist ein kreativer Kopf." Das heißt, was von den Waren in den Regalen übrig bleibt, wenn der Räumungsverkauf abgeschlossen ist. Der werde "gut angenommen", sagt der 41-Jährige. Draußen im Laden ertönt ein paar Sekunden später wieder die Klingel.

© SZ vom 25.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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