Wirtschaft im Landkreis:Der Oscar-Preisträger in Sachen Leichtbau

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Die Penzberger Firma AMC hat neben dem "German Innovation Award" nun auch den "Altair Enlighten Award" gewonnen für ein revolutionäres Konstruktionsverfahren

Von Klaus Schieder, Penzberg

Die dreieckige Aufhängevorrichtung liegt so leicht in der Hand wie ein Bündel Federn. Sie wiegt bloß 179 Gramm, ein kurzer Windzug könnte sie fortblasen. Würde man sie an der Decke befestigen, wäre sie wohl kaum imstande, mehr als eine normale Lampe zu halten. Aber das ist ein schwerer Irrtum. "Sie können daran einen Lastwagen hängen", sagt Rainer Kurek, Spezialist für Ultraleichtbau und Gründer der "Automotive Management Consulting" (AMC).

Die Penzberger Firma entwickelte ein neuartiges Verfahren, das es ermöglicht, das Gewicht von Fertigungsteilen für Autos und Fahrräder, aber auch für Flugzeuge oder die Raumfahrt ganz erheblich zu verringern. Für einen Ultraleichtbausitz in Fahrzeugen erhielt sie zusammen mit zwei anderen Unternehmen nun neben dem "German Innovation Award" auch den "Altair Enlighten Award" in den USA. Darauf ist Kurek besonders stolz: "Das ist sozusagen der Oscar im Leichtbau."

Penzbergs Bürgermeisterin Elke Zehetner gratuliert Geschäftsführer Rainer Kurek zum Gewinn des "Altair Enlighten Awards". (Foto: Manfred Neubauer)

Der Maschinenbau-Ingenieur, Firmengründer, Sportwagenbauer und Autor von Fachbüchern hält einen Flaschenhalter für ein Fahrrad in die Höhe. Normalerweise wiegt ein solches Zubehör zwischen 35 und 40 Gramm, das Demonstrationsobjekt ist nur sieben Gramm leicht. Entwickelt wurde dieser Cupholder von Peter Faßbender, einem Mitarbeiter von Kurek. An ihm erklärt er das innovative "xFK in 3D-Wickelverfahren". Dabei werden die mit Harz imprägnierten Fasern, die dünner als Haare sind und aus Materialien wie Carbon, Basalt oder auch Glasfaser bestehen, nicht wie üblich großflächig, sondern in einzelnen Strängen und noch dazu endlos - also ohne Unterbrechung - verlegt. Und sie werden nicht zweidimensional, sondern dreidimensional gewickelt.

Dies bedeutet zum einen, dass kein Abfall übrig bleibt. Bei diesem Prozess entstehe "null Verschnitt", erklärt Kurek. "Das ist extrem ressourcenschonend." Außerdem könne man dabei unterschiedliche Fasertypen einsetzen, beispielsweise auch Naturfasern - "dann könnten wir hundertprozentig regenerativ arbeiten". Als entscheidenden Vorteil bezeichnet der 52-jährige Firmenchef aber vor allem, dass man sehr genau vorhersagen könne, wann der "Versagensfall" eintrete - unter welchen Einwirkungen das Bauteil also kaputt gehe. "Ich kann zum Beispiel sagen, mit wie viel Kilo Sie den Flaschenhalter auseinanderziehen müssen." Im Maschinenbau sei es eine große Aufgabe, "diese Klarheit und Wahrheit zu erzeugen". Die exakte Prognose werde durch eine digitale Prozesskette möglich. Durch Berechnungen, durch Simulationen, durch Tests. Während Bauwerke wie der Eiffelturm oder die Golden Gate Bridge vor allem statisch belastet seien, gehe es beim Autofahren oder beim Fliegen um dynamische Belastungen, so Kurek. Auf Zug, auf Druck, auf Biegung, auf Torsion. Die Vorhersage des Versagens sei hier "einmalig in der Welt". Und der vorrangige Grund für den Enlighten Award.

Der Maschinenbau-Ingenieur, Firmengründer, Sportwagenbauer und Autor von Fachbüchern erklärt den Aufbau der AMC-Produkte. (Foto: Manfred Neubauer)

Der preisgekrönte Ultraleichtbausitz ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Firma "csi entwicklungstechnik GmbH" aus Neckarsulm und dem österreichischen Unternehmen "Alba tooling & engineering GmbH", einem Spezialisten für Polsterungen. Die Penzberger Firma sorgte für die ultraleichte Struktur des Sitzes, der nur zehn statt der sonst üblichen 20 bis 30 Kilogramm wiegt. Er soll in "High Performance Cars" eingebaut werden, wie Kurek erzählt. Anders ausgedrückt: in die Sportwagen von Toyota, McLaren und Astin Martin. Der Chef vom AMC, der früher unter anderem bei Audi angestellt war, wagt auch schon einen Blick in die Zukunft: Der Sitz könne auch einmal für Flugtaxis oder Multicopter verwendet werden. Für normale Autos wäre er zu teuer.

Kurek und seine fünf festangestellten Mitarbeiter sind Entwickler, sie produzieren nicht selbst. Sie entwerfen, sie berechnen sie simulieren, sie bauen Prototypen in mehreren Stufen. Sie unterstützen namhafte Konzerne wie Toyota oder auch Airbus in Berlin, aber auch Zulieferer, arbeiten für unterschiedliche Entwicklungen mit wechselnden Partnern zusammen. AMC wurde von Kurek vor 18 Jahren in Olching gegründet, wo sich noch immer eine Manufaktur für Autos befindet. Der Umzug nach Penzberg folgt 2014, wo ein Jahr später der Sprung vom Leichtbau zum Ultraleichtbau mit dem Flaschenhalter fürs Fahrrad gelang. Eine große Plakattafel in den Firmenräumen zeigt den Extremradsportler Pierre Bischoff mit der Innovation von AMC am Radgestänge.

Die kleine Firma sieht Bürgermeisterin Elke Zehentner (SPD) als "großes Renommee" für die Stadt Penzberg, die sonst eher mit dem Pharmakonzern Roche assoziiert wird. AMC zeige, "dass wir jenseits der Big Player auch eine Standort für eine Spezies sind, die sich durch ihre Sonderbauweise so verdient gemacht hat, dass sie einen Preis bekommt, der sich sehen lassen kann", sagt Zehetner.

Es tue der Stadt gut, die Wirtschaft breit aufgestellt zu sehen. "Und innovativ", ergänzt Firmengründer Kurek.

© SZ vom 14.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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