Wirtefest:Wolfratshausen lebt

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Zwischen Marienplatz und Pupplinger Au geht der Punk ab. Besucher genießen Musik und offene Atmosphäre bis weit in die Nacht.

Von Leonard Scharfenberg, Wolfratshausen

Wummernde Rockgitarre und klagende Mundharmonikaklänge hallen am Samstagnachmittag durch den Wolfratshauser Obermarkt. Die Band The Wednesday Wolves beginnt mit ihrem Konzert am Marienplatz. Die warme Nachmittagssonne fällt auf den sich schnell mit Menschen füllenden Platz, während die Wirte Michel D'Amato und Ralf Musto die von der Bluesmusik angelockten Bürger mit bayerischem Bier und arabischen Speisen versorgen. Eine österreichische Reisegruppe, die gerade nach langer Fahrt aus ihrem Bus zum Hotel stolpert, schaut verdutzt auf die tanzende Ansammlung. Eins ist klar: Es ist kein normaler Samstagabend in dieser Stadt.

Zum ersten Mal nach einer achtjährigen Pause feiert die Flößerstadt am Samstag das Wolfratshauser Wirtefest gefeiert. 20 örtliche Gaststätten haben dazu Bands und Musiker eingeladen, die die Zuhörer teils bis tief in die Nacht begeistern. Ein kostenfreier Shuttlebus bringt die Besucher von Konzert zu Konzert, da auch abgelegenere Gastronomien wie die Pupplinger Au oder die Zeppelin Bar am Fest teilnehmen. Und das Herumziehen lohnt sich an diesem Abend: von Rock über Blasmusik, zu griechischem Folk - den Wolfratshausern wird so einiges geboten.

Während es auf dem Marienplatz schon mit dem nächsten Auftritt weitergeht und die Menschen auf dem mittlerweile vollen Platz ausgelassen zu den Songs der Coverband Painted Dessert tanzen, beginnt in der Tagesbar im Wirth-Haus die Liedermacherin Luna mit ihrem Konzert. Die junge Sängerin, die sich selbst auf einer Ukulele begleitet, taucht das kleine Café mit ihrer warmen Stimme in eine melancholische Atmosphäre. Das Publikum lauscht bedächtig. Als sie das bekannte Friedenslied "Imagine" von John Lennon anstimmt, singen einige ganz leise mit.

Liedermacherin Luna im Wirth-Haus. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Das ist ja voller als eine U-Bahn in Tokio"

Etwas lauter geht es unterdessen in der Biermühle zu. Die Busstop Rokkers verwandeln das gemütliche Gasthaus in eine schunkelnde Seemannskneipe und kommen dabei so gut an, dass es zwischenzeitlich sogar äußerst schwer ist, das Lokal zu betreten, geschweige denn noch irgendwo einen Platz zu finden. Ähnlich geht es den Besuchern des Gasthofs zum Löwenbräu, in dem die Wolfratshauser Band G'mahde Wies'n auftritt. "Das ist ja voller als eine U-Bahn in Tokio", schimpft ein Zuschauer.

Sonst hört man jedoch fast nur Begeisterung von Seiten der Wolfratshauser über das Livemusik-Festival. "Wolfratshausen ist sonst so tot", sagt etwa Klaus Peter Mauritz. Der pensionierte Handwerker findet es gut, dass "einmal etwas getan wird, um die Leute etwas rauszulocken". "Endlich rührt sich mal was", meint auch die 23 - jährige Sophia Limbrunner.

Das Publikum ist bunt gemischt. Viele junge Wolfratshauser ziehen am Samstag von Band zu Band, doch auch ältere Menschen und Familien sind gekommen, um dem musikalischen Spektakel beizuwohnen. Ob zur Hard-Rock-Band Manera, die im Eiscafé Cristallo "unplugged" und in halber Besetzung spielt, zum italienischen Tenor Giuseppe del Duca im Café Ratscherl, oder der kubanischen Band Azucar Cubana im Chili's Tex Mex - es wird ausgelassen getanzt, gefeiert und geschlemmt. Die Stadt zeigt sich von einer vielfältigen, lebendigen und fröhlichen Seite, die einem sonst oft verborgen bleibt. Besonders deutlich wird das im Wirtshaus Flößerei, wo die Münchner Band Oansno eine große Menschenmenge um sich geschart hat. Die vierköpfige Band - Gesang und Akkordeon, Tuba, Trompete und Schlagzeug spielt eigene Songs. Sie singen Bairisch, doch die Musik ist gewürzt mit vielen Balkan- und Reggae-Elementen. Vor dem Gasthof wird bis zum Loisachufer getanzt und mitgesungen. Alle Generationen stehen hier beisammen. Eine ältere Besucherin ruft ihrem Begleiter laut zu "Mei, sind die geil!" Die Band singt währenddessen auf Bairisch: "Trinken wir alle für eine bessere Welt und dafür, dass Freibier vom Himmel fällt." Der Abend wird noch lang. Die Stadt ist aufgewacht. Es bleibt zu hoffen, dass die Wolfratshauser auf das nächste Wirtefest nicht noch einmal acht Jahre warten müssen.

"Manera" im Cristallo. (Foto: Hartmut Pöstges)
© SZ vom 17.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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