Wintersaison in den bayerischen Alpen:Vier Lawinentote trotz weniger Schnee

Wintersaison in den bayerischen Alpen: Die Befürchtung, die Zunahme an unerfahrenen Skitourengehern würde zu mehr Lawinenunfällen führen, hat sich nach Angaben des Warndienstes nicht bestätigt. Obwohl in der vergangenen Saison weniger Schnee gefallen ist, hat es dennoch mehr Opfer gegeben als im Vergleich zu den Vorjahren.

Die Befürchtung, die Zunahme an unerfahrenen Skitourengehern würde zu mehr Lawinenunfällen führen, hat sich nach Angaben des Warndienstes nicht bestätigt. Obwohl in der vergangenen Saison weniger Schnee gefallen ist, hat es dennoch mehr Opfer gegeben als im Vergleich zu den Vorjahren.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Im vergangenen Winter registriert der Warndienst in den bayerischen Alpen mehr Schneebretter und Opfer als in den Jahren zuvor. Erfahrung schützt nicht immer vor Unfall.

Von Quirin Hacker

In den bayerischen Alpen sind im vergangenen Winter bei 13 Lawinen Menschen verunglückt. In vier Fällen konnte den Verschütteten nicht mehr geholfen werden, sie starben im Schnee. Eine Lawine ging auch am Schönberg bei Lenggries ab, die davon betroffene Person überlebte den Schneebrettabgang jedoch. Dieses Resümee zog Christoph Hummel am Mittwoch auf der Abschlussbesprechung des Bayerischen Lawinenwarndienstes in Bad Heilbrunn. Trotz des vergleichsweise geringen Schneefalls seien überdurchschnittlich viele Menschen tödlich verunglückt. In der vorangegangenen Saison gab es keine Lawinentoten in den bayerischen Alpen, in den beiden Jahren davor waren es jeweils drei, so die Statistik.

Die Befürchtung, unerfahrene Skitourengeher würden zu mehr Lawinenunfällen führen, habe sich indes nicht bewahrheitet, so Hummel. "Es gibt jetzt nicht eindeutig das Muster, dass unerfahrene Menschen, die neu in dem Sport sind, viele Lawinenunfälle erleiden." Ein Großteil der Anfänger sei auf Standartskitouren oder auf Pisten unterwegs. Keines der diesjährigen Lawinentodesopfer komme aus der Gruppe der unerfahrenen Berggeher mit Skitourenausrüstung.

Drei der insgesamt vier tödlichen Lawinenunfälle haben sich Anfang des Jahres innerhalb von 14 Tagen ereignet, insgesamt kam es zwischen Ende Januar und Anfang Februar zu acht Abgängen in den bayerischen Alpen. Am 22. Januar erfasste eine Lawine am Wendelstein einen tschechischen Wanderer. Der Mann war laut Hummel im Schneesturm unterwegs und wurde verschüttet. Erst Stunden nach dem Unfall fanden ihn die Bergretter tot auf. Zwei weitere tödliche Unfälle in diesem Zeitraum trafen erfahrene Skitourengeher. Am 25. Januar bestiegen zwei Sportler die Hocheisspitze bei Ramsau. Sie querten einen steilen Hang in Gipfelnähe, nachdem andere Tourengeher bereits umgekehrt waren. "Der Hintere der beiden hat wohl durch Spurstampfen die schwache untere Schneeschicht ausgelöst und wurde 350 Höhenmeter über extrem steiles Gelände gespült", rekonstruierte Hummel den Unfall. Vermutlich sei er an seinen schweren mechanischen Verletzungen gestorben. Mit Pieps, Sonde und Lawinenschaufel sei eine Kameradenrettung in vielen Fällen möglich, sagte Hummel. Ein Verschütteter könne durch den Sauerstoff im Schnee 15 Minuten überleben. In diesem Fall machte das steile Gelände eine Rettung durch Kameraden jedoch unmöglich.

Am Nachbarberg Steintalhörnl riss nur zehn Tage später ein Schneebrett einen erfahrenen Skitourengeher in die Tiefe. Trotz Lawinenairbag und schneller Hilfe durch Kameraden überlebte er den Unfall nicht. Sein teilverschütteter Tourenpartner kam mit dem Leben davon. Hummel zufolge sind sowohl die Hocheisspitze als auch das Steintalhörnl typische Frühjahrstouren, die Opfer waren jedoch im Hochwinter unterwegs. "Wenn alle noch sorgfältiger an der Tourenplanung arbeiten, können mehr Lawinentote verhindert werden."

Weil die erste Hälfte des Dezembers von starken Schneefällen geprägt war, sei die tägliche Lawinenberichterstattung früher als sonst gestartet, sagte Hummel. In dieser Wetterlage ereignete sich am 11. Dezember eben jener Lawinenunfall am Schönberg.

Wintersaison in den bayerischen Alpen: Abschlußbesprechnung der Lawinenwarnzentrale in der Reindlschmiede Bad Heilbrunn. Christoph Hummel, Vertreter der Lawinenwarnzentrale, stellte die Besonderheiten der vergangenen Saison heraus.

Abschlußbesprechnung der Lawinenwarnzentrale in der Reindlschmiede Bad Heilbrunn. Christoph Hummel, Vertreter der Lawinenwarnzentrale, stellte die Besonderheiten der vergangenen Saison heraus.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Rest des Dezembers war von warmem Wetter geprägt. Das führte in Hochlagen über 2000 Metern zu einer dünnen Schneedeckenbasis. Neue Schneefälle kamen Ende Januar mit orkanartigen Stürmen. "Der Wind ist der Baumeister der Lawinen", erklärte Hummel: Lawinenabgänge seien wahrscheinlich, wenn Neuschnee auf eine dünne Unterlage verweht wird. Diese Schneelagen erklären die ersten drei Todesfälle der vergangenen Saison. Der vierte tödliche Lawinenunfall ereignete sich am 14. April. Eine Nassschneelawine erfasste nach Angaben von Hummel gegen Mittag einen Wanderer auf einem westseitig gelegenen Hang am Karwendelsteig. Die Bergwacht fand ihn erst in der Nacht, nachdem sein Vater ihn vermisst gemeldet hatte. Der Wanderer hätte wohl das schwierige Gelände unterschätzt, so Hummel. "Es war hauptsächlich ein Triebschnee- und Altschneewinter, hinten raus war es dann ein Nassschneewinter", so fasste Hummel den vergangenen Winter zusammen. Die höchste Lawinenwarnstufe vier sei nur einmal im Dezember ausgegeben worden.

Im Winter gibt der Dienst täglich einen Lagebericht heraus. Dieser stützt sich auf einen Wetterbericht des Deutschen Wetterdienstes, dazu kommt ein Netz von 20 Messstationen, die Daten zu Neuschneemengen, Temperaturen und Windgeschwindigkeiten sammeln, sowie die Berichte der ehrenamtlichen Kommissionsmitglieder. Sie sind für ein bestimmtes Gebiet zuständig und leiten Empfehlungen an Behörden weiter, wenn Lawinengefahr droht. Im Regelfall halten sich die Behörden an diese Empfehlungen. Dann sperren beispielsweise Kommunen gefährdete Straßen oder führen einen kontrollierten Lawinenabgang durch Sprengung herbei.

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