Süddeutsche Zeitung

Schlittenfahren in Bad Tölz:Halbes Vergnügen

Die Winterrodelbahn am Blomberg wird auch diesen Winter nur teilweise befahrbar sein. Den oberen Abschnitt der Piste hält die Stadt Tölz ohne Umbauten für zu gefährlich

Von Klaus Schieder

Der Blomberg hat es einmal sogar in den Boston Globe geschafft. Auf drei Seiten sei es in dieser US-amerikanischen Zeitung um die Winterrodelbahn gegangen, "das ist schon was", erzählt Bergbahnbetreiber Hannes Zintel. Die Attraktion auf dem Tölzer Hausberg lockt in den kalten Jahreszeiten die Freizeitrodler aus Nah und Fern an, aus Japan und den USA, aus England und Polen, aus Freiburg, Stuttgart und vor allem aus dem Großraum München. Allerdings bleibt auch in der anstehenden Saison die halbe Piste geschlossen. Eine Abfahrt ist - wie schon im vergangenen Winter - nur von der Mittelstation ins Tal möglich. Der Grund für die Sperrung sind Sicherheitsaspekte.

Der Forstweg im oberen Teil von der Berg- zur Mittelstation, der 1906 in der Stadt errichtet wurde und schon damals als Rodelstrecke diente, sei "nicht in dem Zustand, dass man dort verkehrssicher eine Rodelbahn betreiben kann", sagt Zintel. Der Bergbahnbetreiber und Pächter der Strecke bedauert dies. Der Blomberg, sagt er, sei schließlich "der Rodelberg seit 100 Jahren". Mit ihrer Länge von 5,5 Kilometern und ihrer Qualität sieht er in der Winterbahn ein Angebot, das sich sonst nur schwer finden lässt: "Wir sind schon wirklich wettbewerbsfähig." In den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten habe man die Hauptrodelbahn denn auch stetig ausgebaut. Und der Stadt habe er ausgearbeitete Konzepte vorgelegt, erzählt Zintel.

Der obere Teil der Schlittenpiste ist "eine schwarze Rodelbahn". So formuliert es Kurdirektorin Brita Hohenreiter. Mit "schwarz" meint sie nicht etwa eine ungenehmigte Anlage, sondern beschreibt den Schwierigkeitsgrad, ähnlich wie bei Skipisten. Dies bedeutet im Fall Blomberg: Der Forstweg unterhalb der Bergstation fällt arg steil ab und hat enge Kurven. Für ungeübte Rodler birgt die Route hinab zur Mittelstation mithin die Gefahr von Unfällen. "Das obere Stück ist nicht zertifizierbar", sagt Hohenreiter. "Jedenfalls nicht für diesen Winter." Und jedenfalls nicht ohne große Umbauarbeiten. Um den Sektor zwischen Berg- und Mittelstation zu entschärfen, wären etliche Eingriffe in die Natur notwendig. "Enorme Eingriffe", korrigiert Birte Otterbach, Pressesprecherin der Stadt. Am Blomberg müssten beispielsweise Streben wie bei einer Seilbahn gebaut werden, damit die Kehren einen anderen Radius bekommen. Außerdem, so Hohenreiter: "Was du an Steilheit rausnimmst, musst du an Länge zulegen." Dies würde bedeuten, andere Serpentinen anzulegen. Allerdings sei es heikel, neue Wege am Blomberg zu bauen, denn "der Berg ist sehr beweglich, die Stützen könnten teilweise zu wandern anfangen".

Derlei Probleme kennt auch Zintel vom unteren Teil der Rodelbahn. Da sind die Wege, die so gebaut sein müssen, dass sie die Rodel sicher tragen, da sind die Bäume am Wegesrand, die kontrolliert werden müssen, da sind Banden in genormter Höhe, die metertiefe Abstürze verhindern sollen, da sind die Böschungen, die vor Felsstürzen schützen sollen. All dies seien vom Gesetzgeber geforderte Check-ups, "die wir nachweisen müssen", sagt er. Die Sicherheitsansprüche seien seit 1906 nun mal gewachsen, "man muss permanent nachrüsten".

Daraus leitet der Betreiber der Blombergbahn jedoch keine laute Forderung an die Stadt ab. Nur dies: "Wir haben das Problem, das der Weg nicht uns gehört." Ebenso wenig lässt er einen Zweifel daran, dass er sich eine von der Bergstation bis ins Tal geöffnete Winterrodelbahn wünscht. "Das wäre eine tolle Sache". Immerhin kämen nicht nur Touristen, sondern auch viele Einheimische auf den Tölzer Hausberg. Darunter seien etwa Wanderer, die hinauf gehen und dann hinunter rodeln.

Das Schlittenfahren am Blomberg ist mitunter alles andere als ein harmloses Vergnügen. Voriges Jahr kam eine polnische Mutter mit zwei Kleinkindern von der Bahn ab, stürzte und erlitt ein Schädelhirntrauma, ein 13-jähriger Junge aus England fiel mit dem Schlitten einige Meter tief auf einen Felsen und zog sich schwere Verletzungen am Kopf zu. "Wir wollen keine schweren Unfälle haben", sagt Zintel. Eben dies will die Stadt mit der Sperrung des oberen Teils vermeiden. Das sei auch eine Frage der Haftung, sagt Otterbach. Hört sich ein wenig so an, als bliebe die Winterrodelbahn von der Berg- zur Mittelstation auf Dauer gesperrt. Aber das mag die Stadtsprecherin nicht bestätigen. "Wir stecken mitten in der Diskussion." Eine Wiedereröffnung sei noch nicht vom Tisch, sagt sie.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2019
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