Klimaschutz und Naturschutz profitieren voneinander – möchte man meinen. Die Realität sieht anders aus. Es gibt Konflikte, weil Photovoltaik-Anlagen zu viel Fläche verbrauchen, die Turbinen von Wasserkraftwerken Fische töten und Windräder laut Kritikern gleich mehrere Gefahren mit sich bringen. Doch wie die Energiewende schaffen, wenn der Artenschutz ihr einen Strich durch die Rechnung macht? Diese Frage treibt den Planungsausschuss der Region Oberland (Region 17) um – und veranlasst das Gremium, sich gegen Ministeriumsanweisungen aus München zu stellen.
Im konkreten Fall geht es um drei geplante Windräder auf den Köpfinger Wiesen im Landkreis Weilheim-Schongau, deren Bau der Markt Peiting seit Jahren auf den Weg bringen möchte. Bürger wollen sich an der Windparkanlage beteiligen, Betreiber stehen in den Startlöchern. Im Regionalplan – in der alten und der künftigen Fassung – ist dort ein Vorranggebiet für Windkraftanlagen (WE 10) vorgesehen. Der Lech fließt in der Nähe. Der Fluss ist Natura-2000-Gebiet mit dem etwa 2230 Hektar großen europäischen Vogelschutzgebiet (SPA) „Mittleres Lechtal“.
Das wäre weiter nicht erwähnenswert, wenn es nicht seit November 2024 eine Übereinkunft des bayerischen Wirtschaftsministeriums mit dem bayerischen Umweltministerium gäbe, die eine zusätzliche Pufferzone von 1000 Metern entlang des Lechs festlegt. Das bedeutet das Aus für zwei Windkraft-Flächen in den Landkreisen Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen, die mit Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen zur Planungsregion Oberland gehören. Die Windräder auf den Köpfinger Wiesen, in deren Realisierung von vielen Seiten Zeit und Geld investiert wurde, sind damit vom Tisch. Das verkündete Peitings Bürgermeister Peter Ostenrieder in der Sitzung des Planungsausschusses. Planer und Betreiber hätten die Nase voll. Ostenrieder im Übrigen auch.
Keine gesetzliche Grundlage
Politisch sei das Ganze nicht nachvollziehbar, sagte Verbandsvorsitzender Josef Niedermaier, zugleich Landrat im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Zumal diese 1000 Meter aus dem Nichts aufgetaucht seien. Festgelegt worden sei die Pufferzone in einem „ominösen Papier“. Eine gesetzliche Grundlage gebe es nicht. Niedermaiers Vorschlag lautete daher: „Wir lassen die betroffenen Vorrangflächen im Entwurf für den Regionalplan.“ Dieser Entwurf soll in diesem Jahr öffentlich ausgelegt werden. Dann sind die sogenannten Träger öffentlicher Belange wie etwa Ministerien oder Fachbehörden aufgefordert, ihre Stellungnahmen abzugeben. „So haben wir das sauber schriftlich dokumentiert, wer was wie dagegen hat“, sagte Niedermaier. Damit könne man das weitere Vorgehen abwägen.

Dass der Unmut im Planungsausschuss – insbesondere bei den Vertretern des Landkreises Weilheim-Schongau – groß ist, liegt auch an den Anstrengungen der vergangenen Jahre. Schon 2013 waren Windkraftanlagen im weiteren Umfeld der Wieskirche geplant. Die drei Windräder auf dem Moränenhügel „Köpfinger Wiesen“ liegen etwas mehr als zehn Kilometer nördlich von der Weltkulturerbestätte entfernt. Obschon keine direkte Sichtbeziehung zu dem Rokoko-Juwel bestanden hätte, drohte die Unesco, den Titel abzuerkennen. Das Energiewende-Projekt schien gestorben.
Die Gemeinde Peiting und der Landkreis Weilheim-Schongau wollten nicht aufgeben und beauftragten ein kommunales Denkmalschutzkonzept. Die mehr als 130 Seiten umfassende Studie, mit 80 Prozent gefördert vom Freistaat, kostete 100 000 Euro. Das sogenannte Heritage Impact Assessment ergab, dass die Windkraftanlagen höchstens „geringfügig negative Auswirkungen“ auf die Wieskirche hätten. Der Bau schien in greifbare Nähe gerückt. Doch die Freude, die Kuh vom Eis geholt zu haben, sollte nicht lange währen.
Von der Regierung von Oberbayern liegt ein Fachbeitrag, also eine Art Gutachten, vom Dezember 2024 vor. Die zwei Suchflächen, heißt es in dem 14-seitigen Schreiben, befänden sich innerhalb des 1000-Meter-Abstandes zu europäischen Vogelschutzgebieten. Daher seien nach naturschutzrechtlicher Überprüfung diese Areale nicht zur Ausweisung als Vorranggebiete für Windkraftanlagen geeignet. Erhebliche Beeinträchtigungen könnten für das Schutzgebiet „Mittleres Lechtal“ nicht ausgeschlossen werden.
Die höhere Naturschutzbehörde sieht nicht nur Arten wie Uhu oder Rotmilan durch die Rotoren bedroht. Da es sich bei dem SPA-Gebiet um ein „landes- und bundesweit bedeutsames Durchzugs- und Überwinterungsgebiet sowie ein überregional bedeutsames Brut- und Mausergebiet“ handle, müssten auch „Enten und weitere Wasservögel“ geschützt werden. Ferner wird auf weitere Studien verwiesen, die belegen, dass Windkraftanlagen Vögel abhalten könnten, ihr angestammtes Brutgebiet anzufliegen. Kurzum: Man kann sich in München mit einer Verkleinerung der beiden Vorranggebiete arrangieren. Doch die übrigbleibenden Flächen lohnen nicht als Standort für Windräder. Das Gebiet WE 10 würde von 115,1 Hektar auf 36,4 Hektar zusammenschrumpfen.

Bei dieser Argumentation platzte Ostenrieder der Kragen: Schon vor mehr als zehn Jahren sei die Vorrangfläche bei Peiting untersucht worden samt Verträglichkeit mit dem Vogelschutzgebiet. Damals habe es keine Bedenken gegeben. „Ein Naturschutzgebiet hat einen Rand“, echauffierte sich der Peitinger Bürgermeister. Dass der nun durch eine Pufferzone ausgeweitet wird, entbehre jeglicher gesetzlicher Grundlage. Wenn man die Energiewende in Bayern nicht wolle, solle man dies ehrlich sagen. Alles andere sei eine Verhinderungspolitik. Seltene Vögel schützen – ja; aber Stockenten? Außerdem seien die genannten Expertisen, eine aus Asien, nicht mit dem Projekt Köpfinger Wiesen zu vergleichen. „Es wundert mich nicht, dass Vögel nicht durch 1838 Windräder fliegen wollen. Aber bei uns wären es ja nur drei“, sagte Ostenrieder. Mit Briefen hat er sich an Ministerpräsident Markus Söder und Umweltminister Thorsten Glauber gewandt. „Keine Antwort bis jetzt.“
Flächen bleiben vorerst im Entwurf
Die aufgeheizte Stimmung im Planungsausschuss vermochte Julia Schwarz, Referatsleiterin Pläne und Programm der Raumordnung am Wirtschaftsministerium, nicht zu beruhigen. Den Vorwurf, in anderen Bundesländern umfassten die Pufferzonen nur einige Hundert Meter, versuchte sie zu entkräften: Diese Puffer seien reine Ausschlussgebiete, sprich: dort geht gar nichts. Hingegen sei die bayerische 1000-Meter-Zone immerhin eine „Prüfzone“.
Akzeptanz lag nicht im Sinne der Anwesenden. Vielmehr fiel das Wort „Kasperltheater“. Sie folgten Niedermaiers Empfehlung, die Vorranggebiete – rausfallen würden auch Flächen bei Schöffau, Valley und Bad Bayersoien – in dem Entwurf für den Teil-Regionalplan „Windkraft“ zu belassen. Wie alle Planungsverbände muss das Oberland nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz bis zum 31. Dezember 2027 immerhin 1,1 Prozent seiner Fläche für Windenergie ausweisen. Momentan stehen im Entwurf 1,79 Prozent.
Peiting bleibt rebellisch. „Wir gehen bereits auf eine neue Fläche los, für die wieder ein sogenanntes Heritag Impact Assessment in Bezug auf die Auswirkungen auf die Wieskirche erstellt werden muss“, teilte Ostenrieder der SZ mit. Dies werde „schleunigst“ erstellt. Die Antragstellung müsse noch vor dem 30. Juni erfolgen, um in die EU-Notstandsverordnung nach § 6 WindBG zu fallen.