Wiedereröffnung:Bodenständig und raffiniert

Wiedereröffnung: Nun kommt wieder Leben ins Dorfzentrum von Reichersbeuern, denn von Allerheiligen an empfängt der Gasthof Altwirt wieder Gäste. Das Idyll war in Gefahr, als der alte Pächter des Wirtshauses das Rentenalter erreichte und ans Aufhören dachte.

Nun kommt wieder Leben ins Dorfzentrum von Reichersbeuern, denn von Allerheiligen an empfängt der Gasthof Altwirt wieder Gäste. Das Idyll war in Gefahr, als der alte Pächter des Wirtshauses das Rentenalter erreichte und ans Aufhören dachte.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Gasthaus Altwirt in Reichersbeuern wird am 1. November wiedereröffnet. Der neue Pächter Guido Stocker will bayerische Küche und kulinarische Finesse anbieten. Ein Balanceakt, wie der gelernte Koch weiß.

Von Klaus Schieder

Das heimelige Kirchlein, der Maibaum, das große Gasthaus: In seinem Zentrum wirkt Reichersbeuern wie ein Musterbeispiel für ein bayerisches Dorf aus der Altvorderenzeit. Wäre da nicht der Autoverkehr, könnte man fast glauben, dass Bayern noch selbständig ist und einen König hat. Aber das Idyll war in Gefahr, als der alte Pächter des Gasthofs Altwirt nach mehr als drei Jahrzehnten langsam das Rentenalter erreichte und ans Aufhören dachte. Das Wirtshaus und der fast 200 Plätze fassende Saal sind schließlich das pulsierende Herz von Reichersbeuern. Dort kommen die Vereine zusammen, trifft sich die Feuerwehr, führen Theatergruppen ihre Stücke auf, werden Hochzeiten gefeiert. Zusammen mit der Klosterbrauerei Reutberg hat die Gemeinde den Altwirt nun für gut 1,3 Millionen Euro umgestaltet. Die Wiedereröffnung ist an Allerheiligen, also am 1. November.

Einige Tage vorher wird noch fleißig gewerkelt. Zwei Schreiner sägen Holz auf der Terrasse, drinnen sind Zimmerer in den Gaststuben zugange, in der komplett neuen Küche, die auch einen anderen Boden erhielt, montieren Mitarbeiter einer Fachfirma noch am Dunstabzug herum. Die Tiefkühlkammer nebenan ist schon fertig, ebenso die moderne Lüftung und die Heizung. Am Gang zum Saal wurde ein Behinderten-WC eingebaut. Im Saal selbst wurden eine neue Durchreiche, neue Fenster, eine neue Tür neben der Bühne eingebaut.

Genau genommen, sagt Bürgermeister Ernst Dieckmann (Freie Wählergemeinschaft), gebe es im Altwirt gleich zwei Baustellen. Das Wirtshaus selbst mit den Gaststuben, der Küche und den Nebenräumen werde von der Gasthof Altwirt GmbH & Co KG renoviert, die aus der Klosterbrauerei Reutberg und der Gemeinde besteht. Den Saal saniert die Kommune hingegen allein. Bislang hat sie dort etwa 50 000 Euro in die Arbeiten gesteckt. "Es wurde nur das Notwendigste gemacht", sagt Dieckmann. Der Grund dafür ist, dass die Kommune später noch einen großen Umbau im Rahmen der Dorferneuerung plant. Dann soll der Saal auf mehr als 200 Gäste hin konzipiert werden. Das könnte man zwar jetzt schon machen, so der Bürgermeister. Allerdings wären vorher noch etliche Fragen zu klären, beispielsweise die Fluchtwege.

Die Umgestaltung des Gasthofs ging einigermaßen problemlos vonstatten. "So glatt, wie es bei einem Altbau eben läuft", sagt August Maerz, Vorstandsvorsitzender der Brauereigenossenschaft Reutberg. Wie Dieckmann sagt, hätten alle Beteiligten Hand in Hand gearbeitet. "Aus meiner Sicht lief es sogar überraschend gut."

Neue Pächter des Altwirts sind Guido und Julia Stocker. In Pfaffenhofen wuchs Guido Stocker als Spross einer bayerischen Gastronomiefamilie auf. Später absolvierte er eine Ausbildung als Koch und als Kellner im Hotel Königshof in München, ehe er in die Sterne-Küche wechselte. Unter anderem arbeitete er in Stuttgart, im Schlosshotel Höfingen in Leonberg, im Preysing-Keller in München. Diese Biografie soll künftig gewissermaßen auch auf der Speisekarte des Altwirts durchschimmern. Auf der einen Seite die gutbayerische Küche, die sich jedoch nicht bloß in Schweinsbraten und Wurstsalat erschöpft.

Andererseits auch eine gewisse Finesse, jedoch nichts Abgehobenes. Ein Balanceakt also zwischen Bodenständigkeit und Raffinement. "Mein Ziel ist es, den Altwirt als bayerisches Wirtshaus, wie es in seiner Tradition liegt, zu führen, aber Feinheiten mit einfließen zu lassen", sagt Stocker. Anfangs will er fünf Festangestellte und "viele fleißige Aushilfen" beschäftigen. Mehr noch nicht, da er erst einmal abwarten will, wie der Start in Reichersbeuern verläuft. Außerdem ist Fachpersonal ohnehin nicht so leicht zu finden. "Wir halten auch hier den Ball erst einmal flach."

Wiedereröffnung: Bürgermeister Ernst Dieckmann, August Maerz von der Klosterbrauerei und Guido Stocker, der neue Wirt, freuen sich auf die Eröffnung (v.l.n.r.).

Bürgermeister Ernst Dieckmann, August Maerz von der Klosterbrauerei und Guido Stocker, der neue Wirt, freuen sich auf die Eröffnung (v.l.n.r.).

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Zusammen mit den Gästen wolle man das traditionsreiche Gasthaus "so entwickeln, dass alle miteinander Spaß haben". Julia Stocker zollt der Gemeinde und der Klosterbrauerei ihren Respekt, dass sie das Wirtshaus erhalten. "Hut ab, es ist ja auch ein gewisses Risiko, dass sie damit eingehen." In Österreich seien inzwischen viele Gasthöfe auf dem Land gestorben. Aber Tradition und Kultur müssten erhalten bleiben, meint sie: "Wir können ja nicht alle Chinesisch essen."

Zum Gebäudekomplex mit dem Wirtshaus und dem Saal gehört auch die Raiffeisenbank im Oberland eG. Ihre Filiale bildet sozusagen den rechten Flügel des großen Anwesens im Dorfkern. Weil sie dort ausziehen möchte, hat die Genossenschaftsbank schon vor mehr als zwei Jahren das ehemalige Gasthaus Neuwirt auf der gegenüberliegenden Straßenseite gekauft und heuer auch abreißen lassen. Mehr als eine eingezäunte Baugrube ist auf dem Grundstück bisher allerdings nicht zu sehen. Die neue Zweigstelle soll erst nächstes Jahr gebaut werden, was auch die Umzugspläne der Gemeinde verzögert. Die möchte mit ihrer Verwaltung gerne in den Trakt neben Gasthof und Saal einziehen. Bürgermeister Dieckmann wird also noch geraume Zeit in seinem schmucklosen Büro ausharren müssen, das er in dem schmalen Haus aus den Sechzigerjahren an der Schulgasse hat. Dort ist neben der Poststelle auch die Verwaltungsgemeinschaft Reichersbeuern, Greiling und Sachsenkam untergebracht. Was aus diesem Anwesen einmal werden soll, ist völlig unklar. Ein Dorfladen? Eine Arztpraxis? "Wir stellen unsere Überlegungen erst mal zurück, weil wir noch gar nicht wissen, wann wir rauskommen", sagt der Bürgermeister.

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