Süddeutsche Zeitung

Wieder auf der Agenda:Mein Feind der Baum

Seit ein alter Walnussbaum und eine beachtliche Föhre auf einem Privatgrundstück in Farchet bedroht sind, ist die Diskussion um eine Baumschutzverordnung in Wolfratshausen neu entbrannt.

Von Konstantin Kaip

Zwei Bauvorhaben in Farchet haben ein altes, viel diskutiertes Thema wieder auf die politische Agenda in Wolfratshausen gebracht: die Baumschutzverordnung. Viermal haben die Grünen bereits beantragt, ein solches Instrumentarium zu erlassen, um schützenswerte Bäume auch auf Privatgrundstücken erhalten zu können. Eine Mehrheit dafür hat sich im Stadtrat bislang aber nicht gefunden. Nun kündigt die Partei einen neuen Vorstoß an: "Wir sind durchaus gewillt, einen fünften Anlauf zu machen", sagt die Fraktions-Sprecherin Annette Heinloth. Die Zusammensetzung im Stadtrat habe sich geändert, das Umweltbewusstsein sei besser geworden. "Wir haben das Gefühl, dass die Umsetzung möglich wäre."

Eine Baumschutzverordnung fordern auch Farcheter Bürger in einem offenen Brief, den sie Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und allen Stadträten geschickt haben. Darin weisen sie auf die beiden Bauvorhaben hin, über die der Bauausschuss am Mittwoch entscheidet: einen Vierspänner mit Garagen an der Stobäusstraße und um ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohneinheiten in der Edelweisstraße. Dort stehen laut dem Schreiben unter anderem ein "einmaliger alter Walnussbaum und eine ebenso beachtliche Föhre" an der Grundstückgrenze. Die Nachbarn befürchten, dass die Bäume der Bebauung geopfert werden und fordern deshalb, dass die Stadträte sich bei einem Besichtigungstermin ein Bild vom Bestand machen, bevor sie die Entscheidung treffen. Zudem bringen sie die "längst überfällige Baumschutzverordnung" wieder aufs Tableau. Sie wohne seit 22 Jahren in Farchet, sagt Jungbauer. "Hier wird einfach alles umgenietet. Das ist eine Katastrophe."

Laut Bauamtsleiter Dieter Lejko würde ein Ortstermin allerdings wenig bewirken. Für die Stadt gebe es einfach keine Handhabe, erklärt er. Bäume auf Privatgrund in Wolfratshausen könne man nur vor einer der Fällung bewahren, wenn es einen Bebauungsplan für das Grundstück gebe, auf dem sie als erhaltenswert vermerkt seien. Laut Lejko existiert ein solcher nur für das Areal an der Stobäusstraße. Die drei dort als schützenswert vermerkten Bäume gebe es aber schon länger nicht mehr.

Für das Grundstück an der Edelweißstraße existiere hingegen kein Bebauungsplan. Die Eigentümer müssten lediglich die Brutzeiten der Vögel zwischen März und Oktober abwarten, dann könnten sie sämtliche Bäume fällen. "Wir können nichts machen", sagt Lejko. "Nicht einmal eine Veränderungssperre wäre rechtlich möglich."

Der Umweltreferent im Stadtrat, Manfred Fleischer (CSU), kennt das Problem. Es sei das Ziel der Stadt, bei Bebauungsplänen "baumerhaltend zu arbeiten", sagt er. Andererseits sei im dicht bebauten Wolfratshausen der Siedlungsdruck sehr groß. "Es wird immer wieder Konflikte geben." Von einer Baumschutzverordnung hält Fleischer trotzdem nichts. Grundstücksbesitzer könnten die Zeit, bis sie in Kraft trete, nutzen, um Tatsachen zu schaffen, sagt er. Es sei zu befürchten, "dass Bäume, die irgendwann einmal im Weg stehen könnten, schnell der Säge zum Opfer fallen". Zudem sei eine solche Verordnung ein "großer Eingriff in die Privatsphäre der Bürger" - und könne auch nicht jeden Baum retten, was beispielsweise in München immer wieder gewährte Ausnahmen zeigten.

Besser sei es, ein Bewusstsein für den Wert der Bäume zu schaffen. Hier gehe Wolfratshausen auf den öffentlichen Flächen mit gutem Beispiel voran. Heinloth hält indes wenig von solchen Argumenten. Weil es in Wolfratshausen eben keine flächendeckenden Bebauungspläne gebe, sei eine Baumschutzverordnung notwendig. Ihre Fraktion habe etwa auch in Geretsried nachgefragt, wo ein solches Regelwerk vor kurzem erlassen wurde - ohne die von Fleischer befürchteten Probleme, wie Heinloth sagt. "Es gab nicht das Phänomen, dass dort ein Kahlschlag stattgefunden hätte." Ähnlich wie in der Nachbarstadt suchten die Grünen nun nach einer moderaten Verordnung, die eine Mehrheit im Stadtrat mittragen könne.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2017
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