Wie geht es im Kreis nach Jamaika weiter?:Zurück auf Los

Das Scheitern der Jamaika-Koalition ist bei Politikern im Landkreis nicht nur kritisiert worden. Einige befürworten sogar den Abbruch der Gespräche, weil dies besser sei als faule Kompromisse.

Von Julian Erbersdobler

Wie geht es im Kreis nach Jamaika weiter?: Enttäuschung am Wahlabend im Landratsamt Bad Tölz: Alexander Radwan (CSU) vor dem Videobild von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer.

Enttäuschung am Wahlabend im Landratsamt Bad Tölz: Alexander Radwan (CSU) vor dem Videobild von CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie geht es nach den geplatzten Sondierungsgesprächen um eine Jamaika-Koalition weiter? "Für mich ist die Frage: Was macht der Bundespräsident jetzt? Er hat die Hebel in der Hand", sagt Alexander Radwan (CSU). Der Bundestagsabgeordnete ist am Montag nach Berlin gereist, um an der Landesgruppensitzung seiner Partei teilzunehmen. Er ist direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis 223, der die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach umfasst. Ohne die Zustimmung des Präsidenten Frank-Walter Steinmeier werde es keine Neuwahlen geben, sagt Radwan am Telefon.

In der Nacht von Sonntag auf Montag ließ die FDP die Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen platzen. Denkbar sind jetzt drei Szenarien: Neuwahlen, eine Minderheitsregierung oder eine große Koalition. Für den dritten Fall müsste die SPD ihre Rolle als Oppositionsführer aufgeben. Alexander Radwan sei gespannt, wie die Sozialdemokraten reagieren. "Die Partei muss sich entscheiden, ob es wirklich noch das Beste ist, sich der Verantwortung zu entziehen." Als Hauptgrund für das Scheitern der Jamaika-Gespräche nennt der CSU-Politiker die "fehlende Vertrauensbasis in der Breite". Vor acht Wochen hätten die Parteien im Wahlkampf noch gegeneinander argumentiert. Jetzt sei klar, dass eine solche Regierung keinen Sinn mache, sagt er. "Möglicherweise ist es besser, dass das Projekt jetzt scheitert, als zu einem späteren Zeitpunkt." Andreas Wagner von der Linken hat am Montagfrüh von den geplatzten Sondierungen erfahren. "Es sieht nach Neuwahlen aus", sagt er. "Aber ich bin da hin- und hergerissen." Der Geretsrieder hat als Direktkandidat 6,3 Prozent erzielt und ist über die bayerische Landesliste der Linken ins Parlament gekommen.

Neuwahlen seien sicher das Letzte, was sich der Wähler gewünscht habe. "Ich befürchte, dass die AfD davon profitieren kann." Auf der anderen Seite seien Wahlen aber auch eine Chance für einen Politikwechsel. Wagner sagt: "Es geht jetzt darum, eine Politik zu machen, die Menschen wieder miteinander verbindet." Wenn es Neuwahlen gebe, werde der Geretsrieder auch wieder antreten, betont er.

Der Grüne Karl Bär hat den Einzug in den Bundestag bei der vergangenen Wahl knapp verpasst. Verantwortlich für das Scheitern der Sondierungsgespräche seien seiner Meinung nach vor allem CSU und FDP. "Das Verhalten der Liberalen finde ich unmöglich." Man müsse in solchen Situationen die eigenen Interessen hinter das Gemeinwohl stellen. "Wenn man das Gefühl hat, dass die FDP die CSU in den Verhandlungen rechts überholen will, ist fraglich, ob die Partei das Projekt überhaupt ernst genommen hat", so Bär. Er erzählt, dass es gegen 22 Uhr noch keine Anzeichen gegeben habe, dass die Verhandlungen noch in der Nacht von Sonntag auf Montag scheitern würden. "Deshalb wundert mich es, dass die FDP wenig später die Bombe platzen ließ." Und auch bei der CSU sei während der Gespräche der Eindruck entstanden, keinen Schritt auf die anderen Verhandlungspartner zuzugehen. Das könne man den Grünen nicht vorwerfen, so Bär. Wie es jetzt weitergeht? "Ich kann mir gerade nicht vorstellen, wie eine Minderheitsregierung aussehen soll."

Michael Süßmann sieht im Scheitern der Sondierungsgespräche auch etwas Gutes: "Ich habe mit Entsetzen vernommen, dass die Grünen sich beim Familiennachzug von Flüchtlingen auf einen Kuhhandel mit den anderen Parteien verständigt haben", sagt der ehemalige evangelische Pfarrer. Süßmann engagiert sich im Eurasburger Asylhelferkreis. Er sei froh, dass die Gespräche jetzt abgebrochen wurden. "Das ist mir lieber als faule Kompromisse, die auf dem Rücken flüchtender Menschen ausgetragen werden."

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