Wie die Schneemassen bewältigt werden:Schaufel für Schaufel Entlastung

Wie die Schneemassen bewältigt werden: In Geretsried sind alle Turnhallen vom Schnee befreit worden, hier die der Karl-Lederer-Mittelschule.

In Geretsried sind alle Turnhallen vom Schnee befreit worden, hier die der Karl-Lederer-Mittelschule.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Am Wochenende gilt die Hauptsorge der privaten und öffentlichen Einsatzkräfte den einsturzgefährdeten Dächern. Viele Sperrzonen in Geretsried

Von Felicitas Amler und Stephanie Schwaderer

Für jemanden, der es mit einer Schneekatastrophe aufnimmt, ist Lukas Hamm ungewöhnlich dünn gekleidet. Am Sonntagmorgen trägt er Wollmütze und ein kurzärmliges T-Shirt, auf den muskulösen Armen zeichnet sich eine winzige Gänsehaut ab. "Wenn man in Bewegung bleibt, wird's einem warm", sagt der 27-Jährige und lacht. In Bewegung ist er an diesem Tag seit sieben Uhr morgens. Die Nacht von Freitag auf Samstag hat er mit seiner Mannschaft durchgearbeitet. "Schon anstrengend", sagt er, "aber es macht auch Spaß." Hamm ist eigentlich Garten- und Landschaftspfleger. An diesem Wochenende koordiniert er den Einsatz in einer Landschaft, die dem Auge gemeinhin verborgen bleibt: 12 000 Quadratmeter Flachdach mit vielen steilen Giebeln, Klein-Spitzbergen im Geretsrieder Gewerbegebiet.

Darunter liegen die Produktionshallen der Firmen Bauer Kompressoren und Uniccomp. 115 Kilo Last pro Quadratmeter seien auf dem Dach zugelassen, erklärt Peter Schrenk, der eigentlich Einkaufsleiter, in diesen Tagen aber hauptsächlich beim Schneeschippen anzutreffen ist. "Ende der Woche waren wir bei 100 Kilo. Da war klar: Der Schnee muss runter, sonst müssen wir zusperren." Mit diesen Problemen ist das Unternehmen an der Bayerwaldstraße nicht allein. Ob Kaufland oder die Araltankstelle nebenan, rundum stehen Gebäude mit Flachdächern - und drohender Einsturzgefahr. Die Stadt Geretsried hat einen Krisenstab einberufen, mehr als drei Dutzend Gebäude und Plätze sind zu Sperrzonen erklärt.

"Weniger Schnee, aber er ist schwerer"

Das Tauwetter am Wochenende hat die Situation für die Einsatzkräfte nicht unbedingt leichter gemacht. "Der Schnee ist weniger geworden, aber schwerer", sagt Hamm. Die 20 Männer, die gerade mit Schaufeln, Schneehexen und -Fräsen auf dem Dach zugange sind und immer wieder kleine Lawinen über eine Plastikrutsche in den Hof abgehen lassen, leisten Knochenarbeit. Die Stimmung ist gut. Dachdecker und Pflasterer arbeiten Seite an Seite, Industriekletterer und Mechaniker, Leute, die gerne in die Berge gehen und schwindelfrei sind und die es gewohnt sind, kräftig hinzulangen.

"So eine Mannschaft muss man erst einmal zusammenbekommen", sagt Hamm und macht keinen Hehl daraus, dass er gerade ziemlich stolz ist. Er hat in Eurasburg einen Betrieb für Garten- und Landschaftspflege aufgebaut und ist gut vernetzt. Den gelben Teleskoplaster, der gerade im Einsatz ist, hat ihm ein Schreiner aus Gelting zur Verfügung gestellt, die Radlader, welche die Schneemassen im Hof hin- und herbewegen, stammen von befreundeten Unternehmern in Eurasburg und Wolfratshausen. Was ihm neben dem Zusammenhalt gerade besonders gefällt: "Dass die Menschheit sich der Natur beugen muss und wir sehen, was für kleine Würstel wir eigentlich sind."

Um genau mit dieser Situation geordnet umzugehen - und eben kein "Schnee-Chaos" entstehen zu lassen -, hat die Stadt Geretsried einen eigenen Krisenstab eingerichtet. Unter Leitung des Feuerwehrkommandanten Erik Machowski sprechen sich Bürgermeister Michael Müller (CSU) und Vertreter des Rathauses mehrmals täglich ab, wie die Lage zu bewerten und was zu tun ist. Ein Statik-Büro wurde hinzugezogen. Denn das drängende Problem der vergangenen Tage war wie überall im Landkreis die Dachlast durch Schneemassen.

Katastrophenfall bis Dienstag

Als Erstes hatte die Stadt das Dach der Feuerwehr räumen lassen, damit diese einsatzfähig bleibt. Weiter ging es mit den öffentlichen Gebäuden, von den Ratsstuben über die Kindergärten bis zum Friedhof. Im Fokus der Überlegungen, so betonte der Bürgermeister, stehe die Bereitstellung von Raum für den Fall, dass Gebäude evakuiert werden müssten. Das zeichnete sich zwar nicht akut ab, sollte aber vorbereitet sein. Deswegen wurden nach und nach alle Turnhallendächer geräumt: an der Isardamm-, der Karl-Lederer- und der Adalbert-Stifter-Schule. Der Landrat hat den Katastrophenfall bis Dienstagvormittag ausgerufen. "Wir müssen uns auch für die Zeit wappnen, wenn der Betrieb wieder losgeht", sagte der Geretsrieder Rathaus-Sprecher Thomas Loibl. Am Sonntag herrschte zwar Tauwetter, die Lage könne sich freilich ständig ändern. Deswegen seien Vertreter des Krisenstabs immer wieder im Stadtgebiet unterwegs. "Wir hoffen, dass der angekündigte Sturm erst abends kommt und unsere Leute von den Dächern runter sind."

Am Samstag war eine Abordnung der Bereitschaftspolizei aus Königsbrunn in Geretsried, die am Sonntag in Wolfratshausen mithalf. Am Sonntag waren in Geretsried 272 Leute im Einsatz, darunter auch ein 115 Personen starkes Hilfskontingent der Feuerwehr Rottal/Inn.

In Wolfratshausen erklärte Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) Sonntagmittag, er habe zwei Probleme zur Sicherheit dem Stab im Landratsamt gemeldet. Bei einer Wäscherei sei die zulässige Dachlast bereits überschritten: "Da will ich meine ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte nicht mehr raufschicken." Und auch das Pultdach der Polizeiinspektion am Hans-Urmiller-Ring sei überlastet und müsse geräumt werden; dies sollte, wie er später berichtete, noch am Sonntag geschehen. Berufsschule und Realschule würden, so der Bürgermeister, am Montag von 100 Externen geräumt. Das Landratsamt hat eine Hotline eingerichtet: 08041/79 34 70; Anrufer werden von dort an die richtige Stelle in ihrer Gemeinde weitergeleitet. Geretsried informiert über die Homepage unter "Aktuelles", Wolfratshausen bietet eine Notfallnummer an: 08171/214401 und verweist auf die Homepage

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Wie die Schneemassen bewältigt werden: Die Bereitschaftspolizei aus Königsbrunn hilft an der Wolfratshauser Hammerschmiedschule mit.

Die Bereitschaftspolizei aus Königsbrunn hilft an der Wolfratshauser Hammerschmiedschule mit.

(Foto: Felicitas Amler)

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