Süddeutsche Zeitung

Penzberg:Landrat Niedermaier als MVV-Botschafter

Josef Niedermaier überzeugt Vertreter des Landkreises Weilheim-Schongau von den Vorteilen des gemeinsamen Verbunds.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Man könnte ihn den Botschafter der MVV-Verbundraumerweiterung nennen. Josef Niedermaier (FW), Landrat im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, sagt selbst, er brenne für das Thema. Schließlich koordiniert "sein Landkreis" die Erweiterungspläne. Werbung für den Beitritt zu machen ist Niedermaier ein großes Anliegen. Nicht alle der zehn beteiligten Landkreise und kreisfreien Städte sind überzeugt von den Vorteilen einer Verbundraumerweiterung, Weilheim-Schongau etwa zögert noch. Da kam Niedermaier die Einladung der Bürger für den Landkreis in Weilheim-Schongau gerade recht. So verschlug es ihn am vergangenen Samstag ins Café Extra nach Penzberg. Mit dabei hatte er Matthias Schmid, Fachbereichsleiter ÖPNV im Tölzer Landratsamt.

Für die Stadt Penzberg ist der MVV-Beitritt in vielerlei Hinsicht ein wichtiges Thema. Einerseits hält dort die Kochelseebahn, andererseits ist das Biotech-Unternehmen Roche, einer der größten Arbeitgeber in der Region, in der Stadt ansässig. Niedermaiers und Schmids Botschaft war entsprechend deutlich: Wer sich fit machen will für die Zukunft, für den führt kein Weg am Beitritt zum Verbund vorbei. "Wenn wir einen Tarif haben, bekommen wir auch neue Linien", sagte Niedermaier.

Auto ade! Doch der Weg bis dahin ist noch weit. Die Mobilitätswende ist eine Mammutaufgabe, insbesondere im ländlichen Raum, wo der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und der Schienenverkehr das eigene Fahrzeug längst nicht ersetzen können. Attraktiver für Fahrgäste und einfacher wäre es, wenn ein Ticket und ein einheitlicher Tarif in Bussen und Zügen gelten würden. Das ist ein großes Ziel der geplanten MVV-Erweiterung. Zehn Landkreise und kreisfreie Städte sollen sich dem Münchner Verkehrsverbund anschließen. Während Bad Tölz-Wolfratshausen sich klar zum Beitritt bekennt, zögert die Kreispolitik in Weilheim-Schongau noch. Das ist zum einen dem neuen 49-Euro-Ticket geschuldet, mit dem man bald für kleines Geld deutschlandweit reisen kann; zum anderen würde ein Beitritt im Landkreis Weilheim-Schongau einen kompletten Systemwechsel bedeuten. Dort betreibt überwiegend der RVO eigenwirtschaftlich die Buslinien. Das bedeutet, er bestimmt, wo welche Linien wie oft fahren (ausgenommen die Schülerbeförderung und die Stadtbusse). Rentiert sich ein Bus nicht, fährt er auch nicht.

Die Entscheidung fällt dieses Jahr

Das MVV-System funktioniert anders: Die Aufwandsträger wie etwa die Landkreise bestimmen, welche Linien sie einsetzen möchten - auch solche, die sich nicht rentieren. Die Münchner Tarif- und Verkehrsgesellschaft schreibt im Auftrag der Gesellschafter die Linien aus. Und sie kümmert sich über den einheitlichen Tarif und das Ticket-Angebot hinaus um die komplizierten Abrechnungen, Qualitätsstandards, Marketing wie um die Vereinfachung der ÖPNV-Nutzung für die Fahrgäste allgemein. Diese Vorteile gibt es aber natürlich nicht umsonst.

Im Weilheimer Kreistag laufe der Meinungsbildungsprozess noch, sagte stellvertretender Landrat Wolfgang Taffertshofer. Vergangenes Jahr hat das Gremium einen neuen Nahverkehrsplan auf den Weg gebracht, der den ÖPNV modernisieren soll. Noch in diesem Jahr soll die Entscheidung zum MVV-Beitritt fallen, sagte Taffertshofer. Vor allem das 49-Euro-Ticket bestärke die Skeptiker. Niedermaier bestätigte das: Als die Einführung dieses Tickets bekannt wurde, habe er eine Whatsapp-Nachricht der Weilheimer Landrätin Andrea Jochner-Weiß erhalten, ob es nun eine Erweiterung noch brauche. Ja, lautet Niedermaiers Antwort. Die Ankündigung des Bundes habe eingeschlagen wie eine Bombe. Noch sei allerdings nicht geklärt, wie abgerechnet werden soll, also wie Landkreise etwa an ihr Geld aus den Verkaufserlösen der neuen Fahrkarte kommen. "Wenn einer in Wanne-Eickel das Ticket kauft, aber bei euch damit rumfährt", brachte der Tölzer Landrat als Beispiel. Diese komplizierten Abrechnungen könnten Kommunem gar nicht leisten, dazu brauche es eben Verbünde. "Sonst kommst du nicht an dein Geld."

Es gebe eine bundesweite Studie, die besagt, dass Bürger bereit sind, im Monat 30 Euro für öffentliche Mobilität auszugeben, sagte Schmid. Das 49-Euro-Ticket liege weit darüber. Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass viel mehr Einzeltickets als Monatskarten verkauft würden. "Ein Tagesticket für 16 Euro, mit dem man nach München fahren kann, wird weiterhin gebraucht." Oder ein Kurzstreckenticket für unter zwei Euro. Damit könnte künftig ein Pendler von Benediktbeuern mit dem Zug nach Penzberg fahren und dann noch zwei Stationen mit dem Stadtbus anhängen. "Das geht jetzt nicht."

Gerade Penzberg und der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sind eng vernetzt. Der Freistaat, der für den Schienenverkehr zuständig ist, hat angekündigt, dass der MVV-Tarif für die Kochelseebahn gelten werde, auch wenn Weilheim-Schongau nicht beitreten sollte. Das ist einerseits eine erfreuliche Nachricht, andererseits müsste ein Fahrgast, wenn er mit dem Stadtbus weiterfahren möchte, wieder ein neues Ticket kaufen - was den Sinn eines MVV-Tarifgebiets konterkarieren würde. Penzbergs Bürgermeister Stefan Korpan fragte deshalb nach, ob eine Stadt allein beitreten könnte. Das müsse gut überlegt sein, antwortete Schmid: " Ja, das geht, aber mit allen Konsequenzen." Der Verwaltungsaufbau in einem Rathaus reiche meist nicht. Im Tölzer Landratsamt sind fünf Mitarbeiter mit dem ÖPNV befasst.

Das erklärte Ziel der Staatsregierung sei, so Niedermaier, dass es auf der Landkarte keine weißen Flecken ohne Verkehrsverbünde im Freistaat geben soll. Daher hat Bayern sieben Millionen Euro investiert, um die Erweiterungsstudie zu bezahlen. Ein attraktiver ÖPNV sei unerlässlich für einen attraktiven Wirtschaftsraum, sagte Niedermaier. Tausende pendelten von Weilheim nach München, unzählige zu Roche nach Penzberg.

Als IHK-Vertreterin meldete sich Monika Uhl, Vorsitzende der Penzberger Gewerbevereinigung Pro Innenstadt, zu Wort. Aus Sicht der IHK müsse Weilheim-Schongau dringend dem MVV beitreten. Doch die Entscheidung scheine noch nicht "safe". Den Bürgern seien Landkreisgrenzen egal. Sie wollten sich in Zug oder Bus setzen und unkompliziert von A nach B kommen. Im Landkreis sei das allerdings bisher kaum möglich: Die Verbindungen zwischen Penzberg und Weilheim allein seien eine Katastrophe. Auszubildende, die zur Berufsschule in die Kreisstadt oder nach München pendeln müssten, hätten es schwer. "Sie akzeptieren den ÖPNV nicht. Dabei ist das die Generation, die wir dahin erziehen müssten."

Knapp zwei Stunden dauerte der Informationsaustausch. Dass dieser nicht umsonst war, zeigte die Wortmeldung von Markus Loth, Bürgermeister der Kreisstadt Weilheim: Diese Infos seien den Weilheim-Schongauer Kreisräten im Detail nicht kommuniziert worden. Er bat darum Taffertshofer, auf Landrätin Jochner-Weiß einzuwirken, Niedermaier und Schmid zu einer Klausur des Weilheimer Kreistags einzuladen. "Das hat bislang keiner geschafft, es so auf den Punkt zu bringen." Taffertshofer nahm die Anregung auf. Es liege ihm fern, in einem fremden Gäu, wo er nichts zu sagen habe, aufzutreten, sagte Niedermaier. Aber er und Schmid als "Hiwis des Freistaats" würden, wenn es sein muss, durch das gesamte Oberland tingeln, um für den MVV-Beitritt zu werben.

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