Die Frage, wie es mit dem Walchenseekraftwerk weitergeht, lässt Karl Probst keine Ruhe. Gerade hat er eine Exkursion ins Bächental geleitet und mit Vertretern der Tiroler Wasserkraft AG (Tiwag) einen kritischen Blick auf die Dürrach geworfen, einen Isar-Zufluss, der größtenteils zum Achensee abgeleitet wird. Nun könnten Teilnehmende noch Fragen stellen. Aber dann redet Probst doch lieber selbst - und zwar über das, was ihm auf der Seele brennt: die Zukunft der bayerischen Wasserkraft.
Im Juni 2024 hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Zuge seiner Regierungserklärung eine Parole ausgegeben, die Probst im Ohr geblieben ist: „Heimatenergie in Heimathand“. Söder kündigte an, alle bayerischen Wasserkraftwerke vom Energiekonzern Uniper zurückzukaufen. Seither ist einiges Wasser die Fallrohre zwischen Walchen- und Kochelsee hinabgestürzt. „Die Zeit verrinnt“, sagt Probst. „Und was ist passiert?“
Probst leitet seit 2014 den Verein „Rettet die Isar jetzt“. Die 1974 gegründete „Notgemeinschaft“ sieht sich als Anwältin der oberen Isar. Diese gilt als die letzte alpine Wildflusslandschaft in Deutschland. Dass sie noch existiert, ist maßgeblich dem beharrlichen Kampf der Naturschützer zu verdanken. Sie setzten 1990 durch, dass die Betreiber des Walchenseekraftwerks der Isar beim Krüner Wehr nicht alles Wasser abzapfen dürfen. Seither fließt eine exakt dosierte und umstrittene Menge an „Restwasser“ durch das alte Flussbett. Auch die Ableitungen anderer Gewässer im Einzugsgebiet des Walchensees hat der Verein im Blick.

Söders Ankündigung, die bayerische Wasserkraft wieder in die Hände des Freistaats zu legen, habe er begrüßt, sagt Probst. Nicht etwa, weil Uniper eine schlechte Arbeit machen würde. „Es geht um Daseinsfürsorge und die Verfügungsgewalt über Elementarkräfte eines Landes.“ Wer könne ausschließen, dass das Walchenseekraftwerk, eines der ältesten und leistungsstärksten Wasserkraftwerke Deutschlands, in 20 Jahren China gehöre?
Die bayerische Staatsregierung habe die Anlage in der Privatisierungseuphorie der Neunzigerjahre „verschebbert“, kritisiert er. Und sie habe versäumt, ein Heimfallrecht vertraglich zu sichern, also die Möglichkeit, das Kraftwerk nach Ablauf der Konzession in den eigenen Besitz zurückzuholen. Für mehr als 80 Wasserkraftwerke der Uniper Kraftwerke GmbH werden in den Jahren 2030 bis 2074 solche Heimfallrechte wirksam. Dann kann der Freistaat über einen Rückkauf verhandeln.
„Gelesen, gelacht, gelocht“, sagt Probst zum Umgang mit seiner Petition.
Ebendies sollte die Staatsregierung nach Probsts Ansicht auch für das Walchenseekraftwerk tun. Und zwar bald. Denn noch wären die Bedingungen dafür seiner Ansicht nach denkbar günstig. Seit Dezember 2022 gehört Uniper zu 99 Prozent der Bundesrepublik Deutschland. Im Zuge des Ukraine-Kriegs war das börsennotierte Unternehmen in eine finanzielle Schieflage geraten und der Bund als Retter eingesprungen. Die EU fordert jedoch, dass die Staatsbeteiligung bis 2028 auf 25 Prozent reduziert wird. Bis dahin, so argumentiert Probst, hätte der Freistaat bei der aktuellen Regierungskonstellation eine denkbar gute Verhandlungsposition.
Schon im November hat er daher eine Petition mit 5000 Unterschriften im Bayerischen Landtag eingereicht. Seine zentrale Frage: Gibt oder gab es Verhandlungen zwischen dem Freistaat und dem Bund über den Rückerwerb der bayerischen Wasserkraftwerke? „Auf eine Antwort warte ich bis heute“, sagt er. Im Februar wurde die Petition im zuständigen Ausschuss behandelt, aber nicht, wie von SPD und Grünen befürwortet, an den Landtag weitergeleitet. Die Mehrheit von AfD, CSU und Freie Wähler stimmte dafür, sie der Regierung lediglich als „Material“ vorzulegen. „Gelesen, gelacht, gelocht“, sagt Probst. Was er sich wünsche: „Offenheit und Ehrlichkeit! Will man verhandeln, ja oder nein?“

Ein Anruf bei Thomas Holz. Der langjährige Kochler Bürgermeister, der für die CSU im Landtag sitzt und gerne Josef Niedermaier (FW) als Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen ablösen würde, ist Mitglied des Umweltausschusses und hat die Petition im Februar als Berichterstatter vorgestellt. Er sagt, die Materie sei zu komplex für einfache Antworten. „Wenn wir über Wasserkraft in Bayern und den Uniper-Konzern sprechen, dann muss man zwei Punkte klar auseinanderhalten, zum einen die Beteiligung des Bundes und zum anderen die Heimfallrechte.“

Energiewende:Übernahme bayerischer Wasserkraftwerke – bislang bleibt es bei der Ankündigung
Als Teil eines „Updates“ für Bayern hat Ministerpräsident Söder den Rückkauf von mehr als 80 Uniper-Wasserkraftwerken angekündigt. Passiert ist seitdem wenig.
Die bayerische Staatsregierung habe sich schon bald nach der Übernahme der Uniper-Anteile an den Bund gewandt. Das zuständige Bundesfinanzministerium habe aber jegliche Einflussnahme auf das operative Geschäft von Uniper SE abgelehnt. Der Energiekonzern werde weiterhin von der alten Unternehmensleitung geführt und müsse bis 2028 wieder auf den Markt gebracht werden. Er bezweifle, dass der Bund vorab „die Filetstücke rauslösen“ würde, sagt Holz. Das saftigste Filetstück dürfte das Walchenseekraftwerk sein.
Von Kraftwerk zu Kraftwerk unterschiedliche Regelungen
Aufgabe des bayerischen Umweltministers ist es laut Holz, „Sondierungsgespräche über die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung zum Umgang mit Heimfallrechten beim Auslaufen der Bewilligungen von Wasserkraftanlagen der Uniper Kraftwerke GmbH in Bayern zu führen“. Da die Regelungen von Kraftwerk zu Kraftwerk sehr unterschiedlich seien, nehme die „Daten- und Faktenermittlung“ und die „Bewertung bestehender Entschädigungspflichten“ eine geraume Zeit in Anspruch. „Ergebnisse hierzu liegen daher noch nicht vor.“
Das Walchenseekraftwerk nehme eine Sonderrolle ein, weil es „nicht heimfallbewährt“ sei, betont Holz. „Inwieweit damit eine Übernahme durch den Freistaat Bayern überhaupt infrage kommt, wird sich in den Gesprächen mit der Betreiberin ergeben.“

Karl Probst mag sich damit nicht zufriedengeben. Das Verhältnis des Bunds zu Uniper lässt sich seiner Ansicht nach mit dem eines Hauseigentümers zu einem Hausverwalter vergleichen. „Ob das Haus verkauft werden soll, entscheidet nicht der Verwalter, sondern der Eigentümer.“ Wenn der Freistaat seine Wasserkraft zurückkaufen wolle, müsse er jetzt mit dem Bund und nicht mit Uniper verhandeln.

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In vielen Ländern Europas sei die Wasserkraft in der Hand des Staates, sagt er. „In Frankreich, in Italien.“ Und da ist man dann auch thematisch wieder im Bächental bei der Dürrach und deren Ableitung zum Achsensee, wo die Tiwag ein Speicherkraftwerk betreibt. Die Tiwag gehöre zu 100 Prozent dem Land Tirol, sagt Probst. „Dort denkt man nicht im Traum daran, die Energieversorgung an die Börse zu bringen.“

