Süddeutsche Zeitung

Warten auf die Normalität:Extrem sanfte Eröffnung

Andreas Lindstedt hat den Vogelbauer in Neufahrn übernommen. Doch der Neustart fällt wegen Corona schwer

Von Florian Zick, Egling

Neufahrn ist schon ein besonderes Dorf. Wer einmal drin ist, kommt nur so wieder raus, wie er reingekommen ist - zumindest mit dem Auto. Von der Staatsstraße zwischen Wolfratshausen und Egling biegt eine Ortszufahrt ab. Auf der drüberen Seite allerdings gibt es nur Wald- und Wiesenwege. Dort bräuchte man als motorisierter Mensch schon einen Traktor, wenn man weiterkommen wollte. Durch Neufahrn durchfahren? Das ist jedenfalls nicht so einfach möglich.

Diese Abgeschiedenheit war es wohl, die den Eglinger Ortsteil auch bei Prominenten beliebt gemacht hat. Nicht unbedingt als Wohnort. Aber der Landgasthof Vogelbauer in einem hinteren Eck des Dorfes war gastronomisch über Jahre hinweg eine Adresse, an der es sich auch Menschen mit bekannten Namen gut gehen ließen. Prinz Leopold von Bayern galt als Stammgast. Dem Golfspieler Bernhard Langer war eine eigene Devotionalienecke gewidmet. Und auch Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß schauten gelegentlich gerne auf ein paar Gambas oder auf Blutwurst in Trüffelsoße vorbei.

Am Karfreitag vergangenen Jahres war allerdings Schluss mit dem munteren Gasthausleben. Der Betreiber sperrte den Laden zu. Für mehrere Monate rührte sich im Vogelbauer daraufhin nichts mehr. Wegen der Corona-Krise fast unbemerkt gibt es in dem Lokal seit wenigen Woche aber einen neuen Wirt. Andreas Lindstedt hat am 14. März den Vogelbauer wieder aufgemacht. Nach zwei Tagen regulären Betriebs ging es jedoch schon mit den Beschränkungen los. Erst durfte er nur noch mittags öffnen, kurz darauf dann gar nicht mehr. Nun lassen es Wirte bei einer Neueröffnung mitunter gerne etwas langsamer angehen. Aber dieses aufgezwungene "Soft Opening" - "das tut schon weh", sagt Lindstedt. Seit der staatlich verordneten Schließung versucht er, noch an Selbstabholer ein paar Essen zu verkaufen. Viel Geld kommt dadurch aber nicht rein. Bei den vielen Geschäftseinbußen, "da ist das nur ein Globuli", sagt Lindstedt.

Der 48-Jährige hat davor als Küchenchef bei Toni Roiderer im Gasthof zum Wildpark in Straßlach gearbeitet. Für den Wiesnwirt hat er auch zwei Jahre lang die Küche im Hackerzelt geschmissen. Finanziell sei das zwar lukrativ gewesen, "aber da opferst du dich 20 Tage lang selbst", so Lindstedt. Er sei deshalb schon länger auf der Suche nach etwas Eigenem gewesen. Und von Lage, Größe und Ambiente her habe der Vogelbauer einfach perfekt gepasst. Als die Pacht für das Neufahrner Wirtshaus Ende vergangenes Jahr neu ausgeschrieben wurde, habe er sich in die Idee, das Lokal zu übernehmen, deshalb "mehr und mehr reingesteigert", sagt Lindstedt.

Der Wirt stammt ursprünglich aus Berlin. Nachdem er dort die Hotelfachschule durchlaufen hatte, hat er in verschiedenen Restaurants gearbeitet, in Italien und in England. Mit einem Foodtruck ist er über Festivals und Messen getingelt, mit der "Chilischote", einem umgebauten UPS-Bus. Privat hat es ihn jedoch irgendwann nach Bayern verschlagen, einem Sehnsuchtsort, wie Lindstedt gesteht. "Auch als Berliner ist man da ja immer zum Snowboardfahren in die Berge gefahren", sagt er. Hier will Lindstedt nun sein bislang größtes Projekt verwirklichen - die neue Existenz als Vogelbauer-Wirt.

In dem Gasthaus soll alles ein bisschen anders werden als früher. Es soll kein Rückzugsort für Promis mehr sein. "Das war ja schon eher hochgestochen hier", sagt Lindstedt. Sein Vorgänger habe eher auf wenige, dafür sehr zahlungskräftige Gäste gesetzt. "Drei volle Tische haben dem gereicht", so Lindstedt Doch damit soll Schluss sein. Der neue Wirt will den komplett sanierten Gastraum für ein breiteres Publikum öffnen. "Wer da kommt, ist mir schnurzegal", sagt Lindstedt. Nur benehmen müssten sich die Leute halt.

Zwar will auch Lindstedt sautierte Austern anbieten, wenn seine Gäste danach fragen. Allgemein will er aber eher eine bodenständige Küche pflegen. Lieber Renke statt Hummer - aber schon mit feinen Einflüssen und gehobenem Anspruch. Der unter seinem Vorgänger so berühmte Kaiserschmarrn steht aber auch bei ihm auf der Karte. "Das wird eine Crossover-Küche werden", erklärt Lindstedt.

Wann er richtig starten kann, ist freilich noch völlig offen. Für Gasthäuser ist momentan noch nicht klar, wann die Corona-Beschränkungen auslaufen sollen. "So arbeiten wir weiter fleißig ins Minus", sagt Lindstedt. Unterkriegen lassen will er sich durch die schwierige Lage aber dennoch nicht. "Ich bereue das hier nicht", sagt er. "Ich glaube immer noch dran, dass das hier etwas wird."

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SZ vom 27.04.2020
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