Süddeutsche Zeitung

Wandern:Grüne Alm vor grauem Fels

Der Aufstieg zur Grasbergalm ist nicht leicht zu finden. Doch wenn man dann endlich oben angekommen ist, umfängt den Wanderer eine bezaubernde Aura

Von Arnold Zimprich

Die Mautstraße zwischen Vorderriss und Wallgau ist an schönen Sommer- und Herbsttagen viel befahren. Auf der südlichen Isarseite geht es geruhsamer und vor allem einsamer zu. Weit über dem smaragdgrünen Flußlauf, zwischen Pfetternkopf und Vorderem Grasberg eingebettet, liegt auf gut 1300 Metern Seehöhe die Grasbergalm. Sie ist ein Kleinod. Die Bezeichnung mag abgedroschen sein, doch sie ist treffend. Abgelegen und von uralten Bäumen umrahmt, umgibt eine nostalgische Aura die Almhütte. Kein Notstromaggregat knattert, kein Bewirtungsrummel und Durchgangsverkehr stören das Idyll.

Die Seite agrarkulturerbe.de weiß zu berichten, dass hier früher Vieh aus Mooserurach bei Königsdorf weidete - das östlich des Sattels gelegene Almgebäude war die "Almhütte vom Boschhof". Es ist schwer vorstellbar, welche Mühen die Bauern auf sich nahmen, um ihr Vieh aus dem Alpenvorland bis hier oben zu treiben.

König Maximilian II. von Bayern, der Vater von König Ludwig des II., hielt sich des Öfteren auf der nahegelegenen "Maxruhe" auf. Die Einsamkeit muss früher noch stärker gewirkt haben, doch auch heute noch liegt eine Ruhe und Erhabenheit über der Bergwelt, wie man sie in den stark frequentierten bayerischen Alpen nur selten vorfindet - der Blick von den grünen Almflächen auf die dunkelgrauen Felsfluchten der Gipfel der Soierngruppe gegenüber lässt einen kurz erschaudern.

Damit die Tour nicht zu einem langen und mühseligen Marsch wird, parkt man das Auto am besten am Wanderparkplatz im Süden von Vorderiß, nimmt das Trekking- oder Bergrad zu Hilfe und radelt zunächst über die Mautstraße Richtung Wallgau bis zum Ochsensitz und dann auf die Forststraße, die auf der anderen Isarseite ebenfalls Richtung Wallgau führt (eine Richtung sieben Kilometer). Die Mitnahme einer guten topographischen Karte ist unumgänglich, um die Abzweigung zum alten Viehsteig zu finden, der zwischen Pfetterkopf- und Hammergraben in einer guten Stunde zur schon von unten einsehbaren Almlichte emporführt. Fleißige Radler können alternativ auch dem sogenannten "Soiernweg" in das Fischbachtal folgen. Je nach fahrerischem Können lässt sich die Grasbergalm auch von Süden via Niederbachlalm mit dem geländetauglichen Fahrrad erreichen. Dieser Weg ist allerdings weniger romantisch, da es über Forststraßen geht.

Das neugierige Auge entdeckt gut 100 Höhenmeter über der Grasbergalm die sogenannte Leininghütte, so benannt nach dem Fürst Karl von Leiningen, dem Adjutanten König Maximilian II. Fürst von Leiningen ließ den schmalen, langgezogenen Bau 1850 auf einem kecken Felsvorsprung errichten, der heute von hohen Bäumen umstanden ist. Später ging die Hütte in den Besitz des Hauses Sachsen-Coburg über und liegt heute einsam und verlassen da - so als sei die Faszination der Besitzer für diesen Fleck Oberbayern verloren gegangen.

Grasbergalm

Die Wanderung auf die Grasbergalm ist technisch nicht schwer. Wer jedoch den hier beschriebenen Weg von Norden in Angriff nimmt, sollte ein gutes Orientierungsvermögen und unbedingt eine gute Karte im Maßstab 1:25 000 mitbringen. Es empfiehlt sich die Karte "BY12 Karwendelgebirge Nord - Schafreiter" des Deutschen Alpenvereins. Denn die Abzweigung im Tal zum Pfad ist schwer zu finden, später dann wird der Weg deutlicher, ist aber nie markiert. Alternativ kann die Alm über einfacher auffindbare Fahrwege von Süden erreicht werden. Für die Tour bis zur Alm sollten mit Abstieg rund vier Stunden, inklusive Aufstieg bis zum Hohen Grasberg (ebenfalls inklusive Abstieg) rund sieben Stunden eingeplant werden. zimp

Wer über ausreichend Kondition und die eingangs erwähnte gute Karte (idealerweise im Maßstab 1:25.000!) verfügt, steigt in gut eineinhalb Stunden weiter hinauf zum Hoher Grasberg (1782 Meter). Vom frech emporragenden Gipfel, für dessen Besteigung man etwas Trittsicherheit mitbringen sollte, ist der Ausblick perfekt - im Süden fächert sich die Soierngruppe mit ihren versteckten Seen, Karen und gleichmäßigen Gratlinien auf, im Norden liegt der azurblaue Walchensee friedlich inmitten seiner voralpinen Umrahmung.

Die Grenze zum Landkreis Garmisch verläuft direkt über den Gipfel, am Fuße des Gipfelaufbaus befindet sich ein auffälliger Felsmarch, der die einstige Grenze vom Landgericht Tölz zur Grafschaft Werdenfels, die zum Hochstift Freising gehörte, markiert - heute ein Kuriosum. Der Freisinger Mohr ziert die Felsen auf gut 1700 Metern Höhe.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2018
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