Münsinger Dorfplatz:"Wir arbeiten für das Ortsbild"

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Mit zwei Wohn- und Gewerbehäusern setzt die VR Bank München Land einen neuen Akzent am Dorfplatz. Wandel hat es immer in der Ortsmitte gegeben - von der Obstbaumwiese bis zu einem Café und Eisdiele

Von Benjamin Engel

Ein Schritt auf den Balkon im zweiten Stock eröffnet Till Hemmer den Blick aus der Gegenwart auf ein Stück Münsinger Vergangenheit. Vor ihm steigt ein freier Wiesenhang mit ein paar knorrigen Obstbäumen nach Südosten bis zur jahrhundertealten von wenigen Häusern gesäumten Pfarrkirche an. Dreht er sich um, steht der 52-Jährige mit einem Schritt in einer der 18 Neubauwohnungen der Volks- und Raiffeisenbank München Land am Dorfplatz.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Richtung Südwesten geht der Blick über eine Wiese zur alten Münsinger Pfarrkirche.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Dorfplatz stehen Prokurist Till Hemmer und Sprecher Peter Wein vor den beiden Neubauten der VR Bank München Land.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Optisch orientieren sich die beiden lang gestreckten, quer zueinander angeordneten Gebäude aber eindeutig an landwirtschaftlichen Vorbildern.

Der Prokurist des Genossenschaftsunternehmens spricht von der barrierefreien Erschließung - mit Aufzügen aus der Tiefgarage bis in die zweite und höchste Etage jedes der beiden neuen Gebäude - und dem hofähnlichen Charakter der Neubauten. "Hier mitten im Ort fügt sich das stark ein", findet er. "Wir wollen nicht gegen, sondern für das Ortsbild arbeiten."

Daran gab es im Gemeinderat durchaus Zweifel. Optisch orientieren sich die beiden lang gestreckten, quer zueinander angeordneten Gebäude aber eindeutig an landwirtschaftlichen Vorbildern. Diesen Eindruck verstärken die gedeckten Wandfarben der Außenfassade und die von hellen Holzpaneelen verkleideten Obergeschosse. In jedem Fall sind die Neubauten Teil eines architektonischen Umwälzungsprozesses, der sich in Münsings Dorfkern seit 2018 wellenartig in immer kürzeren Abständen fortzupflanzen scheint. Das begann mit dem Abriss des sogenannten Milchhäusls. Dort befand sich die frühere Milchsammelstelle der Absatzgenossenschaft. Das vertraute rosafarbene Gebäude an der Hauptstraße wich dem ersten geförderten Wohnungsbauprojekt des Dorfes für zwölf Haushalte. Dort zog auch wieder der Gemüseladen ein.

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(Foto: Münsinger Archiv)

In Münsing wurde 1920 eine Milchabsatzgenossenschaft gegründet. Das sollte einen höheren Ertrag für die Bauernhöfe beim Verkauf der Milch sicherstellen. Auf dem historischen Foto sind die Milchsammelstelle an der Münsinger Hauptstraße und der stolze Besitzer des ersten Lastwagens in Münsing zu sehen: Milchfahrer Josef Schwarz (2. v. li.). Er fuhr die Milch nach Wolfratshausen, von wo sie per Eisenbahn zu einem Großabnehmer nach München transportiert wurde.

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(Foto: Tobias J. Maxl GmbH/oh)

2018 rückten Bagger dem alten Milchhäusl an der Münsinger Hauptstraße 25 zu Leibe.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Heute steht dort das erste kommunale Bauprojekt mit geförderten Wohnungen.

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(Foto: Münsinger Archiv)

Das alte Münsinger Pfarrheim (im Vordergrund) wurde 1993 nach wenigen Jahrzehnten durch einen Neubau ersetzt.

Der Ersatz des Pfarrhauses aus den 1960er-Jahren an der Holzhausener Straße folgte zwischen 2019 und Beginn dieses Jahres. Seit Anfang 2020 baut die VR Bank am Dorfplatz um. Seit wenigen Monaten fräsen sich die Bagger für das neue 20,5 Millionen Euro teure Bürgerhaus an der Weipertshausener Straße tief in den Boden - und das nächste Neubauprojekt steht unmittelbar bevor. Zwei Gebäude mit bis zu 18 Wohnungen sollen den Komplex des früheren Gasthofs Limm und des gerade geschlossenen Schlacht- und Metzgereibetriebs ersetzen.

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Aber wie sieht Till Hemmer auf die Ortsentwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte? Schließlich ist er doch selbst seit 1971 im Dorf aufgewachsen. "Münsing hat sich doch gar nicht so sehr verändert", sagt er. Ein Blick auf den Ort, der wohl auch mit der menschlichen Wahrnehmung zu tun haben mag, die sich an Veränderungen schnell zu gewöhnen scheint. So wird es wohl auch mit den beiden neuen Wohn- und Gewerbehäusern der VR Bank passieren, auf deren Grund der alte Filialbau und der einstige Getränkemarkt im Lagerhaus standen. Für Prokurist Hemmer sind die Gebäude ein klares Bekenntnis zum Standort Münsing. Die neuen Filialräume der Genossenschaftsbank im Erdgeschoss eines der Häuser sind barrierefrei zugänglich. Im früheren Filialbau kamen die Kunden zu Besprechungen nur über die Treppe in den zweiten Stock. Beratungsdienstleistungen wird es in Münsing weiter geben. "Das hat sehr viel Potenzial", sagt Hemmer. In die zweite Gewerbeeinheit im Nachbargebäude wird ein Büro einziehen. Die VR Bank habe trotz intensiver Suche keinen Interessenten für ein Einzelhandelsgeschäft gefunden, wie das einige Gemeinderäte wünschten, so der Prokurist. Mit dem Neubauprojekt investiert die VR Bank entgegen dem Trend der Branche, Filialen zu schließen und Geldautomaten abzubauen - und stillt den wachsenden Bedarf nach Wohnraum im Umkreis Münchens. Schon in der Rohbauphase übersteigt die Nachfrage für die zwischen 60 und mehr als 100 Quadratmeter großen Wohnungen das Angebot. Interessierte Mieter - laut Hemmer überwiegend Münsinger - haben sich selbst gemeldet, ohne dass die Bank werben musste. Der voraussichtliche Einzugstermin für die Bankfiliale am Dorfplatz ist der kommende Mai. Im Juni sollen die Wohnungen bezugsfertig sein. Zu den Mietpreisen schweigt der Prokurist der VR Bank. "Das ist Verhandlungssache", sagt er.

Geheizt wird mit einer kombinierten Anlage mit Wärmepumpe und Gas als Ergänzung. Für künftige Elektroautos sind die Tiefgaragenstellplätze aber nach Bedarf mit Lademöglichkeiten nachrüstbar. Auch künftige Photovoltaikmodule am Hausdach schließt Hemmer nicht aus.

Doch zurück zur weiteren Perspektive am Dorfplatz - und damit in die Zeit um 1900. Damals war das Areal noch kaum bebaut, die Einwohnerzahl mit 417 Menschen viermal geringer als 2008. Historische Fotografien zeigen einen an grünen Wiesen und Bäumen sich vorbeischlängelnden Fußweg, rechts im Bild das Gemeindehaus.

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(Foto: Münsinger Archiv)

So sah der Dorfplatz Mitte der 1920er-Jahre aus. Im Bild ist rechts das Gemeindehaus und links hinten der Schullehrer zu sehen (heute Bachstraße 1). Das Foto entstand aus dem Turm der Pfarrkirche.

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(Foto: Münsinger Archiv)

Der Dorfplatz auf einer Luftaufnahme von 1955: Im Vordergrund die Reparaturwerkstatt Otto May mit Tankstelle, schräg rechts davon das Lagerhaus, anschließend das Gemeindehaus.

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(Foto: Münsinger Archiv)

Luftbildaufnahme des Dorfplatzes von 1968 mit der Werkstatt von Otto May, dem Lager- und Gemeindehaus in der zentralen Bildmitte. Oben am Bildrand ist der alte Filialbau der Volks- und Raiffeisenbank zu sehen.

Der Dorfplatz im Jahr 2010, vom Kirchturm aus fotografiert.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Dorfplatz heute im Jahr 2021.

Im Lauf der Jahrzehnte füllte sich die Flur der einstigen Obstbaumwiese. Aufnahmen von Mitte der 1950er-Jahren zeigen etwa das 1989 abgerissene Gemeindehaus, das einstige Lagerhaus am Rand der Schmiedgasse, die anschließende Reparaturwerkstatt von Otto May samt Tankstelle und den Mooshansl-Hof, an dessen Stelle heute die VR Bank zu finden ist. Am Platz befand sich auch der erste Gemischtwarenladen der Familie Kellerer, der 1964 zum Edeka-Laden ausgebaut worden ist und 1991 in den Neubau ein Gebäude weiter östlich zog.

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Um die Jahrtausendwende erarbeitet eine Projektgruppe unter Leitung von Christian Kohn neue Ideen zur Dorfplatzgestaltung. Im Multifunktionshäuschen existiert heute eine Eisdiele. Nebenan steht der vor wenigen Jahren errichtete Loriot-Brunnen. Neuester Anlaufpunkt ist das erst im Vorjahr eröffnete Café Central-Speisenhandlung. Und die Entwicklungsgeschichte wird weitergehen.

© SZ vom 21.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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