Süddeutsche Zeitung

Wallfahrt:Ein großer Tag für ein kleines Dorf

Zum "Lehards"-Ritt am Samstag erwarten die Dietramszeller bis zu 2 000 Besucher

Von Petra Schneider, Dietramszell

Am Samstag ist wieder "Lehards" in Dietramszell: Zum 361. Mal findet die Wallfahrt zur kleinen Kirche Sankt Leonhard statt. 35 Kutschen und Wagen fahren heuer mit, je nach Witterung werden 1 000 bis 2 000 Zuschauer erwartet. Für das kleine Dorf ist der Lehards ein großer Tag. Schon in der Früh machen sich Bittgänger aus den Ortschaften Dietramszell, Linden, Lochen, Manhartshofen und Thankirchen auf den Weg nach Sankt Leonhard. Um 9 Uhr beginnt der Festgottesdienst, bei dem die traditionellen Lehards-Brote mit dem eingebackenen Leonhardi-Stempel gesegnet werden. Mittags versammeln sich Gespanne, Kutschen und Reiter vor dem Kloster in Dietramszell. Um 13 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung, den Klosterberg hinauf, durch Schönegg zur kleinen Wallfahrtskirche: Vorreiter mit Votivtafel, die Ehrenkutsche, Blaskapelle, Truhenwagen, Gespanne und Reiter - eine festliche Schar, die beim dreimaligen Umritt um die Kirche den Segen erhält.

Der Dietramszeller Lehards ist aber nicht nur geistliche Erbauung, sondern auch weltliche Freude: Auf der Wiese bis zum Waldrand ist ein traditioneller Jahrmarkt aufgebaut; Schiffschaukel und Karussell für die Kinder, Schießbuden, Zuckeräpfel und Leonhardi-Schnaps, an den Buden gibt es allerhand Schönes und Nützliches: Spitzen in Meterware, Schals, Schmuck und Spielzeug. Der Partnerschaftsverein hat ebenso wie der Leonhardi-Verein einen Stand, dessen Erlös für die Renovierung der Kirche verwendet wird.

Wie schon vor einigen Jahren wird heuer wieder eine Abordnung der französischen Partnergemeinde Baignes-Sainte-Radegonde mit 20 Leuten anreisen.

Für sie hat Lehards-Lader Hans Kanzler eigens eine Kutsche organisiert. Neu ist heuer, dass der Zug von zwei Reitern der Polizeidirektion Süd aus Rosenheim angeführt wird, die beim Lehards-Lader vorgesprochen haben. Sehr zu dessen Freude, denn Polizisten zu Pferde an der Spitze des Zuges, das sei natürlich schöner als ein Polizeiauto. Seit neun Jahren ist Kanzler Lehards-Lader. Anfang Juni wurde die Reihenfolge der Wagen ausgelost - ein Prozedere, das er eingeführt hat, um das Aufstellen geordneter zu gestalten und die Straßensperrung kurz zu halten. Und wie es sich seit jeher gehört, waren er und seine drei Kollegen vom Leonhardi-Ausschuss in den vergangenen Wochen unterwegs, um die Einladung an die Gespann- und Kutschfahrer persönlich zu überbringen.

Die Ursprünge des Dietramszeller Lehards reichen weit zurück: Bereits in den Jahren 1578 bis 1591 sind Wallfahrten bezeugt. Als im Jahr 1685 eine Pferdeseuche grassierte, versprach Probst Marcellinus Obermayr vom Augustiner-Chorherrenstift zu Dietramszell den Bau einer Kapelle zu Ehren des Heiligen Leonhard, wenn die Pferde des Klostermeierhofes verschont blieben. Seine Bitte wurde erhört, das Kirchlein gebaut und das Kirchweihfest am 3. Samstag im Juli gefeiert. Seitdem findet der Lehards an diesem Termin statt - und nicht, wie die übrigen Leonhardi-Fahrten in der Region um den 6. November, dem Namenstag des Heiligen Leonhard, Schutzpatron des Viehs und der Pferde. Für Samstag wünscht sich Lehards-Lader Hans Kanzler weiß-blaues Sommerwetter. Am Allerwichtigsten sei aber, "dass nichts passiert."

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Quelle:
SZ vom 20.07.2018
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