Erinnerungsort Badehaus:Ein "kleines Wunder" feiert Geburtstag

Erinnerungsort Badehaus: Geschenke für die Gratulanten: Sybille Krafft überreicht Sebastian Roloff ein kleines Badehaus.

Geschenke für die Gratulanten: Sybille Krafft überreicht Sebastian Roloff ein kleines Badehaus.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit zehn Jahren leistet der Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald wertvolle Arbeit. Beim Festakt gibt es viel Lob - und einen Hilferuf.

Von Stephanie Schwaderer

Was ist wichtig im Leben? Diese Frage habe er sich am Freitag gestellt, als viele junge Leute für eine neue Klimapolitik auf die Straße gingen, sagt Jonathan Coenen. Er hingegen habe in Waldram gesessen und den Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Vereins Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald vorbereitet. Die richtige Entscheidung? Zu einer lebenswerten Welt gehöre es für ihn, gegen Hass, Rassismus und Ausgrenzung einzutreten. "Orte zu schaffen, an denen man voneinander lernen und aufeinander zugehen kann. Das Badehaus ist so ein Ort. Und deshalb bin ich seit fünf Jahren dabei." Mit diesem persönlichen Bekenntnis eröffnete Coenen, Student der Kulturwissenschaften und Zweiter Vorsitzender des Vereins, am Sonntagabend einen besonderen Festabend in der Stadtgeschichte Wolfratshausens.

Exakt zehn Jahre ist es her, dass sich Bürgerinnen und Bürger zusammentaten, um den "Badebau" am Waldramer Kolpingplatz vor dem Abriss zu retten. Er hatte einst als Männerbad für die Arbeiter der beiden großen Rüstungsfabriken gedient, die von den Nazis im Wolfratshauser Forst gebaut wurden. Gegen Kriegsende verbrachten Überlebende des KZ-Todesmarsches in der NS-Siedlung ihre ersten Stunden in Freiheit. Danach wurde Föhrenwald zu einem Lager für jüdische Displaced Persons und 1956 schließlich zu einer Siedlung für kinderreiche katholische Heimatvertriebene, die den neuen Namen Waldram bekam. "Jüngste Zeitgeschichte verdichtet sich hier in einer einzigartigen Weise", so die Vereinsvorsitzende Sybille Krafft. "Ein Alleinstellungsmerkmal."

Dass das Haus nicht nur gerettet und liebevoll herausgeputzt wurde, sondern sich zu einem sehr lebendigen Ort der Erinnerung, der Begegnung und des Lernens verwandelt hat, ist vor allem dem Einsatz Ehrenamtlicher zu verdanken. Es sei "ein kleines Wunder, dass es diesen Erinnerungsort gibt", sagt Krafft. In Waldram begegneten sich mittlerweile Nationen, Religionen und Generationen. "Das ist ein kostbarer gesellschaftspolitischer Schatz, der politisch und institutionell gehütet und gefördert werden sollte."

Anhand eines kleinen Zahlenquizzes verdeutlichte sie am Sonntag, was der Verein leistet: 44 949 Ehrenamtsstunden haben die Aktiven demnach absolviert, 20 000 historische Fotos zusammengetragen und archiviert. 10 837 Gäste haben bislang das Haus besucht. Zu 305 Zeitzeugen oder deren Nachkommen in Europa, Israel, Kanada und USA hält der Verein Kontakt, 59 wurden interviewt und gefilmt. Was dem Verein jedoch noch immer fehle, sei "ein Minimum an Planungssicherheit", so Krafft. "Das reibt uns auf." An die Ehrengäste richtete sie daher einen "Hilferuf nach verlässlicher Grundförderung".

Erinnerungsort Badehaus: Fast 45 000 Stunden haben die Vereinsmitglieder bislang ehrenamtlich gearbeitet.

Fast 45 000 Stunden haben die Vereinsmitglieder bislang ehrenamtlich gearbeitet.

(Foto: Harry Wolfsbauer)
Erinnerungsort Badehaus: Das Badehaus ist zu einem einladenden Ort der Begegnung geworden.

Das Badehaus ist zu einem einladenden Ort der Begegnung geworden.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Alle Festredner lobten daraufhin einhellig die wertvolle Erinnerungsarbeit und den unermüdlichen Einsatz der Aktiven. Annette Heinloth (Grüne) vertrat als Dritte Bürgermeisterin die Stadt Wolfratshausen, die am Tag zuvor den Badehaus-Verein mit einer Plakette in den "Walk of Fame" vor der Loisachhalle aufgenommen hatte. "Die Stadt ist überaus dankbar, diesen einzigartigen Ort geschenkt zu bekommen", sagte sie und überreichte der Vorsitzenden peinlich berührt einen Umschlag: "Vielleicht reicht es mal für einen Kaffee für die Aktiven." Landrat Josef Niedermaier (FW) erklärte, im Landkreis gebe es "einen Strauß verschiedensten ehrenamtlichen Engagements", dies zu bewerten, sei schwierig und sehr undankbar. "Geld hab ich nicht dabei", gestand er, sicherte jedoch seine weitere Unterstützung zu.

Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) sagte, das Herz gehe ihm auf angesichts des bürgerschaftlichen Engagements. Für den Bezirk komme jedoch nur eine Projektförderung in Frage. Sein Appell an Krafft: "Ihre Kreativität ist gefragt", wurde im Saal mit Lachen quittiert. Spontanen Applaus gab es für die beiden Landtagsabgeordneten Florian Streibl (FW) und Karl Freller (CSU). "Die Arbeit, die Sie hier leisten, ist für unser Land und unsere Gesellschaft von elementarer Bedeutung", sagte Streibl. Er werde sich dafür einsetzen, die von der bayerischen Regierungskoalition gewährte einmalige Förderung in Höhe von 100 000 Euro zu "verstetigen".

Freller, der auch Direktor der Stiftung bayerischer Gedenkstätten ist, sagte, "weder das Land noch der Bund können sich aus der Verantwortung stehlen". Mit Streibl werde er dafür eintreten, dass "staatliche Fördermittel fließen". Das Badehaus sei zu einem Lernort geworden. "Und das Lernziel heißt: Nie wieder!" Optimismus verbreitete schließlich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Er habe bereits bei Kulturministerin Claudia Roth (Grüne) vorgesprochen und freue sich "auf die nächsten Jahrzehnte" im Badehaus.

Erinnerungsort Badehaus: Die neue Plakette auf dem "Walk of Fame" in Wolfratshausen.

Die neue Plakette auf dem "Walk of Fame" in Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Zum Programm gehörte die Premiere des Films "Das Badehaus entsteht", in dem viele Aktive zu Wort kommen, die sonst im Hintergrund stehen, ein sympathisches Wunschkonzert der Studenten, Praktikantinnen und Bufdies, die sich derzeit im Badehaus engagieren, und Musik eines Trios, das sich recht spontan für den Festakt zusammengefunden hatte. Sebastian Horn, Josef Brustmann und Benny Schäfer - ihre Mütter sind alle Waldramerinnen - verliehen dem Fest mit eigenwilligen Stücken und dreistimmigem Gesang eine besondere Note und emotionale Tiefe. An die jungen Leute gewandt sagte Horn: "Ihr dürft sehr stolz sein, auf das, was ihr hier leistet. Das ist superwichtig und wunderschön."

Erinnerungsort Badehaus: Überzeugendes Trio: Josef Brustmann, Sebastian Horn und Benny Schäfer (von links).

Überzeugendes Trio: Josef Brustmann, Sebastian Horn und Benny Schäfer (von links).

(Foto: Harry Wolfsbauer)
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Kommentar
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